Von Juan E. Alemann
Die illegalen Landbesetzungen, die in den letzten Woche an vielen Orten des Landes auftraten, sind im Wesen politisch und ideologisch bedingt. Das ist im Fall von Etchevehere krass zum Ausdruck gekommen, ist aber auch bei den Besetzungen von Nachkommen der Mapuche-Indianer im Süden der Fall. Gelegentlich haben sie auch eine wirtschaftliche Komponente, mit Leuten, die dabei ein Geschäft machen, indem sie Landparzellen verkaufen, die ihnen nicht gehören. Doch in Guernica und vielen anderen weniger bekannten Fällen kommt auch die Wohnungsnot in Erscheinung. Und das darf man nicht in den gleichen Topf werfen.
Gelegentlich wird behauptet, in Argentinien fehlen drei Millionen Wohnungen. Wenn man das wörtlich nimmt, bedeutet dies, dass bei der Annahme von vierköpfigen Familien insgesamt 12 Millionen Menschen auf der Straße oder in ärmlichen Hütten aus Blech in Kunststofffolien wohnen. Das gibt es nicht. Mit Übertreibungen dieser Art wird das Wohnungsproblem nur politisiert.
Man muss ein so wichtiges Problem wie dieses in die Einzelprobleme aufteilen, aus denen es besteht. Für arme Bevölkerungsgruppen bestehen grundsätzlich zwei Lösungen: staatlicher Bau von Sozialwohnungen, und Lieferung von Baumaterialien und technischem Beistand für Familien, die ein Grundstück besitzen und selber eine Wohnung bauen oder eine bestehende verbessern und erweitern wollen.
Beim Bau von Sozialwohnungen muss man die vorhandenen Mittel, die immer beschränkt sind, strecken. Statt wenige gute Wohnungen zu bauen, muss man viele halbfertige Wohnungen, mit vorfabrizierten Teilen, errichten, die die Bewohner dann fertigstellen, indem sie den Verputz, die Malerei u. dgl. mehr übernehmen. Das verbilligt die Wohnungen auf etwa die Hälfte. Dieses System wurde schon mehrmals mit Erfolg angewendet. Eventuell kann auch erreicht werden, dass die zukünftigen Besitzer am Bau mitwirken und Arbeitskräfte sparen.
Doch beim Mittelstand besteht auch ein akutes Wohnungsproblem, an erster Stelle bei jungen Ehepaaren, die keine finanzielle Unterstützung von ihren Eltern erhalten. Für dies muss es langfristige Hypothekarkredite mit subventionierten Zinsen geben. Das ist nur möglich, wenn diese Kredite auf Dollar lauten, wobei auch Lösungen für Kurssprünge vorgesehen werden müssen. Die Amortisationen müssen auch von der Gewinnsteuer abgezogen werden, um die Last für die Kreditnehmer zu erleichtern.
Ebenfalls kommt hier noch das Mietenproblem hinzu. Ein großer Teil der Bevölkerung löst das Wohnungsproblem über Miete, hier und auch in fortgeschrittenen Staaten. Das Thema wurde unlängst durch ein Gesetz geregelt, in dem es um stabile Regeln für die Parteien geht. Doch was noch nicht gelöst ist, ist das Garantieproblem. Wer keinen nahen Verwandten oder sonst jemand hat, der eine Wohnung besitzt und den Mietvertrag garantiert, stößt auf ein oft unüberwindliches Hindernis. Hier muss eben der Staat über die Banco Nación oder eine andere staatliche Bank, die Garantie stellen und zwar so, dass der Besitzer sein Geld pünktlich erhält, und die Bank sich mit dem Inkasso befasst und dabei mit säumigen Mietern fertig wird. Das ist per Saldo ein Verlustgeschäft, und muss als eine staatliche Sozialausgabe eingestuft werden. In der Stadt Buenos Aires, und auch allgemein, gibt es sehr viele leere Wohnungen (angeblich weit über 100.000), die nicht vermietet werden, aus Angst, dass ein nicht zahlender Mieter die Wohnung nicht räumt und die Justiz das Problem auch nicht löst.
Nur wenn das Wohnungsproblem in seiner Vielfalt erkannt und pragmatisch in Angriff genommen wird, kann es in absehbarer Zeit gelöst werden. Sonst wird weiter um den heißen Brei herum geredet.
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