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Das wirtschaftspolitische Konzept von Cristina und Kicillof

Von Juan E. Alemann

CFK -Kicillof
Cristina Fernández und Axel Kicillof. (casarosada.gob.ar)

Cristina Kirchner vertritt ein rein politisches Konzept der Wirtschaftspolitik. Es geht ihr jetzt darum, bei der Oktoberwahl gut abzuschließen, um eine Mehrheit in der Deputiertenkammer zu erreichen, die ihr erlaubt, Justizreformen durchzusetzen und direkt gegen den Obersten Gerichtshof vorzugehen, damit ihre Prozesse nicht zu einem Urteil führen, in dem sie zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wird, wie es angesichts der Beweise, die gegen sie vorliegen, sonst nicht anders sein kann. Doch abgesehen davon braucht sie auch ein umfassendes Konzept der Wirtschaftspolitik, um eine Katastrophe zu vermeiden, die ihre frommen Wünsche über den Haufen wirft.

Von den Wirtschaftlern, mit denen sie Kontakt pflegt, überzeugt sie schließlich nur Axel Kicillof, ihr ehemaliger Wirtschaftsminister, der jetzt Gouverneur der Provinz Buenos Aires ist, und somit nicht Minister sein kann, wie es Cristina bestimmt wünscht. Mit Guzmán, Kulfas u.a. Regierungsökonomen versteht sie sich nicht gut, und mit anderen aus dem Kirchner-Lager, wie Guillermo Moreno, angeblich auch nicht. Kicillof hat ihr ein primitives keynesianisches Schema verkauft, das ihr einleuchtet, so dass sie es vorantreibt. Es handelt sich darum, die Nachfrage durch Geldschöpfung hochzuhalten, und gleichzeitig (durch Preiskontrollen u.a. Maßnahmen) zu verhindern, dass die Unternehmen dabei ihre Preise erhöhen. Bei konstanten Preisen hätte diese monetäre Expansion dann einen starken Mengeneffekt, der sich auf die Produktion und Beschäftigung auswirkt.

John Maynard Keynes ging in seinem 1935 veröffentlichen Buch nicht so weit. Er trat für eine expansive Geldpolitik ein, um die Nachfrage anzuspornen, die in der Krise stark zurückgegangen war, ging jedoch davon aus, dass die Unternehmen in dieser tiefen Krise die Preise nicht erhöhen würden und sich auch die Gewerkschaften angesichts der hohen Arbeitslosigkeit ruhig verhalten würden. Im heutigen Argentinien ist die Lage anders, auch wenn die Wirtschaftskrise makroökonomisch nicht viel anders als die der 1930er-Jahre ist.

Dieses Schema erfordert gleichzeitig eine strenge Devisenbewirtschaftung, damit der Geldüberhang nicht zu einer Zahlungsbilanzkrise führt, die den Wechselkurs stark in die Höhe treibt und ein großes Chaos verursacht. Dabei werden Importe kontingentiert, einmal durch Genehmigungen des Handelssekretariates, und dann durch die Genehmigungen der Zahlungen an die Lieferanten im Ausland durch die ZB. Doch offensichtlich gibt es kein rationelles Kriterium bei den Zahlungsgenehmigungen. Denn auf der einen Seite melden Industrieunternehmen, dass ihnen importierte Teile für lokal erzeugte Produkte fehlen, was den ganzen Produktionsprozess behindert, und auf der anderen Seite werden Devisen für Importe von Luxusautomobilen Marke Ferrari und Lamborghini genehmigt, wie es im Fernsehen gezeigt wurde. Es wird einfach improvisiert, und dabei kommt auch der Amigo-Kapitalismus der Kirchners zum Ausdruck. Wer Zugang zu einem ZB-Direktor hat, erhält die Zahlungsgenehmigung sofort.

Der Überschuss, den die ZB dabei erzielt, wird zum Teil für Verkäufe auf dem legalen freien Devisenmarkt eingesetzt, der über gleichzeitigen Kauf und Verkauf von Staatstiteln in Dollar erfolgt (“contado con liquidación”). Die ZB hat in diesem Jahr schon über u$s 2 Mrd. am offiziellen Markt gekauft, aber davon u$s 1,2 Mrd. auf diesem Finanzmarkt verkauft. Dabei hat sie Staatstitel zum Marktkurs gekauft, der weit unter dem Nennwert liegt, so dass der Staat Amortisation und Zinsen spart. Es ist ein sehr gutes Geschäft für den Staat. Durch diese Staatskäufe ist der Wechselkurs auf diesem Markt gesunken, was sich dann auf den Schwarzkurs übertrug, so dass die Marge zwischen dem offiziellen Kurs und diesem stark zurückging. Das hat eine positive Wirkung auf die Wirtschaft, vor allem, weil es die Inflationserwartung senkt.

Der offizielle Wechselkurs, der streng verwaltet wird, soll dabei weniger als die Inflation abgewertet werden, die am Index der Konsumentenpreise gemessen wird. Der Kurs bleibt somit zunehmend hinter der Inflation zurück. Das wirkt stabilisierend, nimmt jedoch erfahrungsgemäß gelegentlich ein schlechtes Ende. Es sei denn, es gelingt, kurzfristig die Preiserhöhungen in Grenzen zu halten, was bisher nicht der Fall war.

Die bisherige Politik, die Endpreise von Konsumgütern in den Supermärkten zu kontrollieren, mit Höchstpreisen, sogenannten “gepflegten Preisen” u.dgl. ist offensichtlich gescheitert. Der Index der Konsumentenpreise zeigt, dass die Preise der Güter, um dies es dabei ging, stärker als der allgemeine Index gestiegen sind. Die Supermärkte weisen darauf hin, dass sie mit bestimmten Margen arbeiten, die ihre Kosten decken und ihnen gelegentlich noch einen bescheidenen Gewinn erlauben, aber dass sie die Preise im Wesen nicht bestimmen.

Somit sind die zuständigen Regierungsbeamten auf die Idee gekommen, eine direkte Kontrolle der Unternehmen einzuführen, die die Supermärkte beliefern, also allerlei Lebensmittel (Mehl, Brot, Teigwaren, Milch und Milchprodukte, Speiseöl u.a. Produkte des täglichen Haushaltskonsums) erzeugen. Sie müssen jetzt über Kosten, Umsätze, Preise und Lagerbestände berichten. Den Unternehmen wird dabei eine große bürokratische Arbeit aufgebürdet, bei der voraussichtlich nichts herauskommt. Das Produktionsministerium hat in einer Broschüre von 27 Seiten den Unternehmen genau angegeben, welche Daten sie angeben müssen. Für die Bürokraten, die diese Daten verarbeiten müssen, stellt sich auch ein schwieriges Problem, angefangen damit, dass sie nicht wissen, was sie mit so viel Material anfangen sollen.

Die Bilanzen der Großunternehmen der Branche, wie Molinos Rio de la Plata und Arcor, sind nicht gut und weisen in den letzten Jahren sogar Verluste auf. Das weist gewiss nicht auf überhöhte Preise hin. Außerdem besteht eine effektive Konkurrenz, die die Unternehmen daran hindert, Preise willkürlich festzusetzen.

Will die Regierung, dass diese Unternehmen ihre Preise nicht erhöhen, müsste sie als erstes dafür sorgen, dass es bei ihnen nur noch effizienzbedingte Lohnerhöhungen gibt, aber keine, die sich auf die Erhaltung des Reallohnes beziehen. Wenn die Löhne nominell nicht steigen und der Abwertungsrhythmus gering ist, kann man erwarten, dass die Unternehmen, die jetzt intensiv kontrolliert werden sollen, ihre Preise nicht erhöhen. Sonst wird alles weitergehen, wie bisher, mit oder ohne Regierungskontrollen.

Das Schema von Kicillof ist zunehmend interventionistisch. Der deutsche Ökonom Wilhelm Röpke unterschied seinerzeit zwischen einem “marktkonformen Interventionismus” und einem “nicht marktkonformen”. Im ersten Fall handelt es sich um Korrekturen, die den Marktmechanismus voll wirksam machen, im zweiten um Interventionen, die Verzerrungen schaffen und dann weiter interventionistische Maßnahmen erfordern. Was jetzt in Argentinien geschieht, gehört klar in die zweite Kategorie. Das bedeutet, dass man weitere Maßnahmen erwarten kann, die immer mehr in Einzelheiten gehen. Bei der Devisenbewirtschaftung kommt dies schon deutlich zum Ausdruck.

In Argentinien ist der Staat nicht in der Lage, ein so komplexes und ausgedehntes Kontrollsystem zu verwalten. Zur Zeit des Nationalsozialismus gab es in Deutschland auch Kontrollen dieser Art. Das funktionierte einmal, weil die Beamten Deutsche und nicht Argentinier waren, und dann, weil den Unternehmern, die nicht mitmachten, das KZ drohte. So weit sind wir in Argentinien zum Glück noch nicht. In der argentinischen Praxis ist es dann so, dass die Unternehmer den Kontrollbeamten Schmiergelder zahlen, damit sie sie nicht belästigen.

Wirtschaftsminister Guzmán äußert sich nicht über diese Wirtschaftspolitik, ist aber überzeugt, dass die Gesamtrechnung ohne eine Verringerung der Geldschöpfung und ohne Abschluss eines Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds nicht aufgeht. Doch das bedeutet eine spürbare Erhöhung der Strom- und Gastarife, und auch für andere öffentliche Dienste, und auch Sparmaßnahmen bei der Staatsverwaltung. Beides geht Cristina gegen den Strich. Der Staat hat, in seinen drei Stufen (Bundesstaat, Provinzen und Gemeinden) letztes Jahr um die 100.000 neue Beamte eingestellt, die völlig überflüssig sind, von denen etwa 80.000 diejenigen ersetzten, die in den Ruhestand getreten, gestorben oder zurückgetreten sind. Auf dieser Beschaffung von Arbeitsplätzen, vielen davon in höheren und besser bezahlten Stufen der Staatsverwaltung, gründet die Cámpora ihre Macht. Junge Menschen, vor allem arbeitslose Akademiker, kommen massenweise zu ihr, nicht aus ideologischer Überzeugung, sondern um einen gut bezahlten Arbeitsplatz zu erhalten, den ihnen die Privatwirtschaft gegenwärtig nicht bietet.

Ob es noch zu einer Kompromisslösung zwischen dem Konzept von Guzmán und dem von Kicillof kommt, wird sich noch zeigen. Doch dabei besteht die Gefahr, dass das ganze Schema platzt. Und dann muss man von vorne anfangen. Das Problem besteht eher darin, dass Cristina prinzipiell nicht zu Kompromissen bereit ist, sondern ihre Meinung stur durchsetzen will. Und wenn dann alles schief geht, macht sie aus dem wirtschaftlichen ein politisches Thema und schiebt die Schuld auf die Unternehmer, auf Macri u.a. ab. Doch damit verhindert sie nicht, dass sie an Macht verliert und ein Neubeginn einsetzt.


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