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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Das Verständnis der Marktwirtschaft

Von Juan E. Alemann

Die Marktwirtschaft, auch Kapitalismus benannt, ist das erfolgreichste Wirtschaftssystem der ganzen Menschheitsgeschichte. Der Kommunismus, der den Gegensatz darstellt, wurde in China geordnet und schrittweise aufgegeben, und in der Sowjetunion und den Satellitenstaaten ist er mit einer großen Explosion zusammengebrochen, auch weil der Vergleich zu marktwirtschaftlichen Staaten dazu beitrug. Für überzeugte Kommunisten in der westlichen Welt stellte dies ein großes Problem, weil damit alles, was sie jahrelang gepredigt hatten, desavouiert wurde. Dennoch haben sie große Anstrengungen unternommen, eine Erklärung für das unerklärliche zu finden. Der französische Kulturphilosoph Jean Francois Revel hat diese Reaktion meisterhaft seinem Buch “Die große Maskerade” (“La grande parade”) geschildert, dessen Lektüre heute noch zu empfehlen ist. Auch in Argentinien gibt es viele, auch in der Regierung, die dies nicht verstehen und u.a. immer noch Kuba und Venezuela rechtfertigen, wo die kommunistische Ideologie auch total versagt hat. Das Schlimme dabei ist, dass sie auch für Argentinien einen ähnlichen Weg befürworten, wobei es einigen von ihnen auch gelingt, die Marktwirtschaft zu stören.

Wie die Marktwirtschaft funktioniert, wurde zum ersten Mal von Adam Smith erklärt, der auch der erste war, der den Wohlstandbegriff auf die Produktion von Sachgütern und Dienstleistungen einer Periode und nicht auf das Vermögen bezog. Smith erklärte, dass das System funktioniert, weil jeder egoistisch an sein Wohl denkt. Der Bäcker backt kein Brot, um andere zu ernähren, sondern um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wenn eine Regierung diesen einfachen Grundsatz nicht versteht, und meint, der Staat wisse alles besser als die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft, und diese würden so handeln, wie es sich ein Bürokrat vorstellt, dann ist Hopfen und Malz verloren.

Der phänomenale Aufschwung der deutschen Bundesrepublik nach dem Krieg, später als Wirtschaftswunder benannt, ist der Tatsache zu verdanken, dass Ludwig Erhard zum Wirtschaftsminister ernannt wurde, der eine unerschütterliche marktwirtschaftliche Überzeugung hatte, und sich dabei durchsetzte. Er wurde von einem großen Staatsmann, Konrad Adenauer, gestützt, der eventuell von der Marktwirtschaft als Theorie weniger überzeugt war als Erhard, aber als pragmatischer Politiker erkannte, dass die Wirtschaft dabei wuchs. Adenauer verstand es, dem Aufschwung einen politischen Rahmen zu geben, und erreichte, dass die Sozialdemokraten, von denen viele nach dem Krieg für Planwirtschaft, Beschränkung der Unternehmensgewinne u.dgl. plädierten, sich nicht durchsetzen konnten. Zum Glück!

Dass der Marshallplan (eine großzügige finanziellen US-Hilfe, die in heutigen Werten bei etwa u$s 100 Mrd. liegen dürfte), auch dazu beitrug, wird gelegentlich erwähnt, um das Argument für die Marktwirtschaft zu entkräften. Allein, das Geld wurde zunächst eingesetzt, um ein stark zerstörtes Land wieder aufzubauen. Der dauerhafte Aufschwung ist dem System und nicht dieser einmaligen Geldspritze zu verdanken, die ohnehin im Verhältnis zum Wert der zerstörten Städte, Fabriken u.a. anderer Objekte, sehr beschränkt war.

All dies wird in Argentinien vom Kirchnerismus nicht verstanden, und von anderen auch nur halbwegs. Cristina und ihre Mannschaft sind immer noch stark vom kommunistischen Gedankengut infiziert, das sie in ihren Jugend von den Montonero-Terroristen übernommen haben, ohne es wirklich zu verstehen. Der Gedanke, dass der Staat größere Unternehmen übernimmt, wie er letztes Jahr im Fall Vicentin wieder aufgekommen ist, ist stets präsent. Das passt in eine Strategie, die zum Kommunismus führt, und wurde in Venezuela von Hugo Chávez schrittweise vollzogen, mit dem Ergebnis, dass die Wirtschaftsleistung sich halbierte und noch weiter sank. Der Gedanke der detaillierten Regulierung der Wirtschaft kommt dabei auch auf.

In dieser Beziehung ist jetzt ein grundsätzlicher Konflikt aufgetreten. Bei der Inflationsbekämpfung will die Regierung, dass sämtliche Preise nicht oder bestenfalls sehr wenig steigen. Doch in einer Marktwirtschaft ist es so, dass die Preise ständig in Bewegung sind, wobei einige steigen und andere fallen. Die Preise steigen bei Produkten, die aus irgend einem Grund knapp werden oder höhere Kosten aufweisen, und sinken, wenn Überangebot besteht oder Kostensenkungen eintreten, die technologisch oder anders bedingt sind. Dass die Summe von Zunahmen und Abnahmen zunächst eine Zunahme ergibt, muss man dabei hinnehmen. Das war in Deutschland in der ersten Phase der D-Mark auch so. Doch damals setzte sich Erhard auch gegen den US-Vertreter durch, der sich noch nicht zurückgezogen hatte und für Preiskontrolle eintrat. Erhard hatte nicht nur eine felsenfeste Überzeugung, sondern einen starken Charakter. Beides hat in Argentinien leider weder Alberto Fernández noch Martín Guzmán.

Auch der Lohn ist in einer Marktwirtschaft keine feste Größe. Nominell mag er nur in seltenen Ausnahmen abnehmen, aber real schwankt er nach oben und nach unten, und auch unterschiedlich bei einzelnen Branchen, Unternehmen und Beschäftigten. Das staatswirtschaftliche Prinzip, das die Gewerkschaften vertreten, und auch auf die Regierung übertragen, die es sich unbewusst zu eigen macht, besteht in einer Verflachung der Lohndifferenzen, so dass alle so ungefähr das gleiche verdienen. Zu einer Marktwirtschaft gehört jedoch das Prinzip der Lohndifferenzierung, je nach Möglichkeiten der einzelnen Unternehmen, je nach Art der Arbeit und je nach Leistung, Art der Arbeit, und Vertrauenswürdigkeit. Auch die Arbeitspolitik muss vereinbar mit der Marktwirtschaft sein, um nicht störend zu wirken, wie es gegenwärtig in Argentinien der Fall ist. Gegenwärtig besteht Überangebot bei ungelernten Arbeitern und akuter Mangel bei Informatikfachleuten und bestimmten Ingenieurbereichen. Das führt zwangsläufig zu einer starken Lohndifferenzierung, die hingenommen werden muss, was den Gewerkschaftern schwer fällt.

Zur Marktwirtschaft gehört auch ein Staat, der entsprechend aufgebaut wird. Man sollte nicht vergessen, dass der moderne Staat vom Liberalismus geschaffen wurde. Ebenfalls ist es so, dass die Marktwirtschaft alleine, die sozialen Probleme nicht löst, aber Mittel schafft, um sie zu lösen. Wobei eine marktwirtschaftliche Sozialpolitik auf dem Effizienzprinzip aufgebaut ist, also dem bestmöglichen Einsatz der stets knappen Mittel. Bei den extremen Liberalen, die jetzt in Argentinien aufgetaucht sind, José Luis Espert und Javier Milei, vermisst man eine Erklärung über dies. Und gerade deshalb klingen ihre Vorschläge irreal. Schade. In Deutschland hat Erhard dies von vornherein erkannt und in diesem Sinn stets von sozialer Marktwirtschaft, und, wie es im Titel seines Buches heißt, “Wohlstand für alle” gesprochen.


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