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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Das ungelöste Energieproblem in einem energiereichen Land

Von Juan E. Alemann

Argentinien weist auf dem Energiebereich eine paradoxe Lage auf. Das Land hat vielfältige bedeutende Energieressourcen, wie kein anderes auf der Welt, und weist dennoch ein potentielles Versorgungsproblem auf, das bald kritisch werden kann, wenn die vielfältigen konfliktiven Themen, die sich auf diesem Gebiet stellen, weiter unter den Teppich gefegt werden.

Argentinien verfügt über hohe Erdöl- und Gasreserven. Als die traditionellen Lager sich zunehmend erschöpften und die Aussicht bestand, dass der Bedarf in kurzer Zeit zum größten Teil durch Importe gedeckt werden müsste, wurde das Schieferöl und -gaslager Vaca Muerta entdeckt, das einen wachsenden Konsum auf viele Jahrzehnte hinaus decken kann, wobei auch die Technologie zu diesem Zweck in den USA entwickelt wurde, wo die Ausbeutung von Schiefergas- und Erdöllagern zur Selbstversorgung geführt hat. Doch die Förderungskosten sind bei diesen nicht konventionellen Lagern viel höher als bei den traditionellen, und das stellt ein bisher ungelöstes Problem. Dennoch sei bemerkt, dass es schon gelungen ist, die Kosten stark zu verringern.

Es ist unerlässlich, dass jetzt ein langfristiges Konzept für Vaca Muerta eingeführt wird, mit einem Stützungspreis, der gesetzlich verankert ist und von dieser und den kommenden Regierungen geachtet wird. Denn es geht hier um sehr hohe Investitionen. Hier kommt jedoch ein Problem auf: in Argentinien hat eine Tradition der staatlichen Missachtung von Gesetzen und Verträgen. Die Juristen müssen sich somit anstrengen, um eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die den Unternehmen, die hohe Beträge investieren, Sicherheit gibt.

Abgesehen von Erdöl und Gas verfügt Argentinien über viele Möglichkeiten für Wasserkraftwerke. Viele wurden schon gebaut und sie tragen mit über einem Drittel zur gesamten Energieversorgung bei. Aber es können noch viel mehr gebaut werden, nämlich die beiden am Fluss Santa Cruz (die sich in Bau befinden), ein weiteres am oberen Lauf des Limay-Flusses, und dann das Kraftwerk Garabí, am oberen Lauf des Uruguay-Flusses, das mit Brasilien geteilt wird. Hinzu kommt noch das wirtschaftlichste von allen, Corpus, ein Wasserkraftwerk am Paraná, im Norden von Misiones, wo der Fluss in eine Schlucht gerät, die es erlaubt, mit einem Staudamm viel Wasser zu sammeln, so dass die Leistung im Verhältnis zur Investition sehr hoch ist. Hinzu kommen noch kleinere Objekte entlang der Kordillere.

Nicht genug damit, bietet Argentinien für Windkraftwerke Voraussetzungen wie kein anderes Land. In Patagonien weht starker Wind, und in bestimmten Korridoren ist er besonders stark, was bedeutet, dass mit der gleichen Anlage mehr Strom erzeugt wird. In einer Zeit, in der man sich weltweit Sorgen über die Verbrennung fossiler Brennstoffe macht, die stark zum Klimawandel beitragen, hat Argentinien die Möglichkeit, zunehmend auf Energiequellen überzugehen, die absolut sauber sind. Aber sowohl Wasserkraftwerke wie Windanlagen erfordern höhere Investitionen pro KW als ein Wärmekraftwerk, und sind bei hohen Kapitalkosten nicht konkurrenzfähig. Es muss somit auch hier ein Subventionssystem geben, das eine juristisch solide Basis hat. Die Subvention sollte von den Wärmekraftwerken getragen werden. Das Thema Klimawandel muss auch in Argentinien zunehmend beachtet werden.

Argentinien verfügt auch über weitere Möglichkeiten, um Energie zu erzeugen. An bestimmten Orten, wie Neuquén, können eventuell geothermische Kraftwerke eingerichtet werden. Auch kann in gewissen Fällen Bioenergie eingesetzt werden, und schließlich besteht eventuell noch die Möglichkeit, die Meeresenergie in Strom umzuwandeln. Bisher ist man jedoch weltweit auf diesem Gebiet nicht weit gekommen.

Argentinien hat auch drei Atomkraftwerke, und es ist vorgesehen, weitere zu errichten. Doch diese sind sehr teuer, mit viel höheren Kosten pro KW als andere Kraftwerke, auch als Windanlagen. Es ist ratsam, auf diesem Gebiet eine Pause einzuschalten, und auch dann auf Kernkraftwerke zu verzichten, wenn sie mit einer Finanzierung begleitet werden. Denn schließlich muss man sie doch bezahlen.

Die Stromversorgung wurde in den 90erJahren des vorigen Jahrhunderts stark ausgebaut, auf der Grundlage der Privatisierung von Kraftwerken, der Fernleitungen und der Stromverteilung. Staatlich sind die großen Wasserkraftwerke Yacyretá (am Paraná) und Salto Grande (am Uruguay-Fluss), und auch andere kleinere Wasserkraftwerke und viele Wärmekraftwerke im Landesinneren, und auch die Verteilungsnetze im Landesinneren. Aber die hohe private Präsenz bei der Stromwirtschaft wirkt indirekt auch auf die Staatsunternehmen der Branche.

Die Privatisierung, die Präsident Menem zu verdanken ist, war sehr erfolgreich. Sie führte zu hohen Investitionen und phänomenalen Effizienzfortschritten bei der Betreibung, was u.a. darin zum Ausdruck kommt, dass die Unterbrechungen der Stromlieferungen sich an Zahl und Dauer auf einen Bruchteil verringert haben. Bei den Wärmekraftwerken der Stadt Buenos Aires führten die privaten Betreiber sofort die Technologie des kombinierten Zyklus ein, die seit langem bekannt war, aber vom Staat ignoriert wurde. Dabei wird mit dem gleichen Kraftstoffverbrauch mehr Strom erzeugt. Auch nach Menem wurden Kraftwerke u.a. Anlagen erweitert und auch neue Kraftwerke gebaut, einige staatlich und viele privat. Die Stromwirtschaft hat seit den 90er Jahren eine Dynamik erhalten, die auf alle Fälle beibehalten werden sollte.

Das Stromsystem, das Argentinien hat, sollte gesamthaft eine ausreichende Versorgung sichern. Doch zu diesem Zweck muss weiter investiert werden, und das erfordert Bedingungen, die jetzt nicht bestehen. Grundsätzlich müssen die Unternehmen dabei einen Gewinn erzielen, und das muss im gesetzlichen Rahmen gesichert werden. Doch gerade das ist nicht der Fall.

Die Konzessionsverträge der Menem-Regierung wurden ab 2002 nicht eingehalten, was schon zu zahlreichen Klagen beim Weltbankschiedsgericht ICSID geführt hat. Aber die Unternehmen blieben weiter tätig, und verrichteten gute Arbeit. Die Unternehmen, die an den verschiedenen Etappen der Elektrizitätswirtschaft beteiligt sind, erleiden gegenwärtig Verluste, und das zwingt sie, die Instandhaltung zu verringern. Investitionen kommen dabei nicht in Frage. Und wenn sich das auf den Dienst auswirkt, geraten die Unternehmen unter politischen Druck und werden bedroht, wieder verstaatlicht zu werden.

Dieses Problem ist jetzt beim Stromverteilungsunternehmen Edesur offen in Erscheinung getreten. Das Unternehmen konnte eine vorgesehene Transformationsstation in einem Vorort nicht errichten, weil es einen hohen Verlust aufwies und keine Mittel dazu hatte, und auch keine auftreiben konnte. Denn einem Verlustunternehmen leiht niemand, und noch weniger kann es frisches Kapital aufnehmen. Präsident Alberto Fernández hatte ein persönliches Gespräch mit einem Vorsitzenden der italienischen Enel, die Edesur kontrolliert, und forderte ihn angeblich auf, die Mittel für die fehlende Investition beizutragen. Aber bei Verlustbilanzen ist dies schlicht unmöglich.

Die Stromtarife sind seit März 2019 eingefroren, mit vereinzelten Ausnahmen, und die Kosten sind seither stark gestiegen, u.a. weil der Treibstoffpreis sich an den internationalen hält und somit von der Abwertung betroffen wird. Hinzu kommen noch Lohnerhöhungen und allgemeine Preiserhöhungen bei Lieferanten.

Diese eingefrorenen Tarife können nicht lange beibehalten werden. Und mit kleinen Erhöhungen ist das Problem auch nicht gelöst. Es muss eine umfassende Regelung geben, bei der davon ausgegangen wird, dass die Betreiber der einzelnen Phasen der Stromwirtschaft ihre Kosten decken, für gute Instandhaltung sorgen und auch verdienen können. Wenn die Einnahmen aus den Tarifen, die die Kunden zahlen, nicht ausreichen, muss der Staat den Rest beisteuern. Und auch das muss gesetzlich verankert werden. Gegenwärtig wird das Defizit der Stromwirtschaft zum Teil von den Beteiligten getragen, was ein unhaltbarer Zustand ist. Die Stromverteiler schulden dem Verwalter des Grossistenmarktes, CAMMESA, schon über $ 100 Mrd., und dieser häuft ebenfalls hohe Schulden gegenüber den Kraftwerken an. Der finanzielle Zustand der Stromwirtschaft ist unhaltbar. Es ist unvermeidlich, dass dies beim Schatzamt endet und das Defizit weiter erhöht.

Der Gewinn stellt einen minimalen Prozentsatz auf dem Stromtarif dar. Aber ohne Gewinn, der schließlich der Preis für eine effiziente Verwaltung ist, funktioniert das System nicht. Unter Politikern und auch in der Gesellschaft ist der Gedanken weit verbreitet, dass Kraftwerke, Stromnetze und Stromverteiler verstaatlicht werden sollten, mit der Erwartung, dass dann der Gewinn entfällt und der Strom billiger wird. Das ist ein typisch kommunistischer Trugschluss. Die immanente Unwirtschaftlichkeit staatlicher Unternehmensbetreibung kostet erfahrungsgemäß unverhältnismäßig mehr als der Gewinn eines Privatunternehmens, der im Wesen eine Belohnung für effiziente Betreibung ist. Außerdem hat ein Staat, der ohnehin schon pleite ist, nicht die geringste Möglichkeit, Mittel für die Verbesserung und Expansion aufzutreiben. Und Entschädigungen für Verstaatlichungen kann der Staat auch finanziell nicht verkraften, wobei es zu weiteren Prozessen vor dem ICSID kommen würde, die Argentinien dann alle verliert.

Eine Erhöhung der Stromtarife ist unvermeidlich, und noch mehr, wenn der höhere Preis für Gas und Erdöl aus Vaca Muerta auf die Tarife abgewälzt wird. Denn die Staatsfinanzen können diese Subvention nicht verkraften. Wenn die Gesellschaft weiter künstlich verbilligte Energie haben will, dann muss man sich darauf gefasst machen, dass es in Zukunft zunehmende Mangelerscheinungen geben wird.

Das Energieproblem ist so komplex, dass man nicht improvisieren sollte. Das Tarifsystem muss so gestaltet werden, dass ein sparsamer Konsum angespornt wird, und gleichzeitig ein sozialer Tarif für einen Mindestkonsum besteht, wobei jedoch die Gesamtgleichung aufgehen muss. Bei der konkreten Gestaltung des Systems sollten auf alle Fälle hervorragende Fachleute mitwirken, die Argentinien zum Glück hat. Einmal sollte die Gruppe ehemaliger Energiesekretäre, die seit über 15 Jahren zusammen arbeiten, für dies verpflichtet werden, und eventuell auch internationale Experten zu Rate gezogen werden. Es wäre verheerend, wenn die bestehende Improvisation und Politisierung des Energieproblems nicht bald überwunden wird.

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