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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Das Staatsdefizit muss sehr stark verringert werden

Von Juan E. Alemann

Das Wirtschaftsministerium hat Ende der Vorwoche mitgeteilt, dass das Jahr 2021 mit einem primären Defizit von $ 1,4 Bio. abgeschlossen habe, was 3% des Bruttoinlandsproduktes entspricht. Das gesamte Defizit, einschließlich der Zinsen, betrug $ 2,209 Bio., gleich 4,5% des BIP. Im Jahr 2020 hatte allein das primäre Defizit 4,5% des BIP erreicht, so dass eine Verringerung von anderthalb Prozentpunkten des BIP erreicht wurde. Das geschah jedoch im Wesen, weil 2021 Sondereinnahmen hinzukamen, nämlich die Steuer auf hohe Vermögen und der bedeutende Erlös der Exportzölle, als Folge hoher Exporte von Getreide und Ölsaaten zu hohen Preisen. Außerdem blieben Gehälter von Staatsangestellten, Pensionen und Hinterbliebenenrenten hinter der Inflation zurück. All das hat die gestiegenen Subventionen für elektrischen Strom u.a. Zwecke mehr als ausgeglichen.

Die Lage von 2021 wiederholt sich 2022 nicht, so dass, wenn nichts wesentliches getan wird, mit einem höheren Defizit gerechnet werden muss. Doch der IWF fordert angeblich eine Verringerung des primären Defizits auf 2% des BIP, was unter diesen Umständen eine besonders große Anstrengung erfordert, die die Regierung scheut. Fangen wir jetzt von vorne an.


Der Defizitbegriff

Das Defizit der Staatsfinanzen besteht in der Differenz zwischen den laufenden Einnahmen (im Wesen Steuern, Zöllen, Sozialabgaben und Gebühren, und gelegentlich noch Einnahmen aus Verkauf von Staatsbesitz) und den gesamten Staatsausgaben. Anders als in der privaten Buchhaltung, werden beim Staat auch Investitionen als Ausgaben gebucht, statt nur, wie bei Unternehmen, die Amortisationen zu berücksichtigen. Es wäre auf alle Fälle wichtig, wenn bei der Vorstellung des Budgets darauf hingewiesen würde, wie hoch der Betrag ist, der auf Investitionen entfällt, und welchen Anteil er an den gesamten Bruttostaatsausgaben hat. Denn ein Defizit, das sich auf Investitionen bezieht, ist etwas anderes als eines, das laufende Ausgaben deckt. Wenn eine Staatsinvestition eine spezielle Finanzierung hat, von der Weltbank, der BID oder anderer Förderungsanstalten, in normalen Zeiten eventuell auch von Handelsbanken, dann wird dabei das Defizit gedeckt, so dass es kein finanzielles Problem darstellt. In Deutschland besteht die Budgetnorm, dass das Defizit den Betrag der Staatsinvestitionen nicht übersteigen darf. Das ist vernünftig und sollte auch in Argentinien eingeführt werden.

Vor vielen Jahren schon wurde, mit Genehmigung des Internationalen Währungsfonds, das Konzept des “primären Defizites” geschaffen, bei dem die Zinsen auf die Staatsschuld ausgeschlossen werden. Aber die Zinsen müssen auch gezahlt werden. Ebenfalls wird das Defizit der Zentralbank nicht zum Staatsdefizit addiert. Aber die ZB ist schließlich auch ein Teil des Staates. Die wirtschaftliche Wirklichkeit schert sich einen Teufel um die buchhalterischen Tricks der Regierung, und reagiert auf das Gesamtdefizit. Das Defizit der ZB hat genau die gleiche Wirkung wie das des Schatzamtes.

Das wirkliche Defizit, das sich aus der Summe der Geldschöpfung und zusätzlicher Verschuldung ergibt, liegt zwischen 8% und 10 % des Bruttoinlandsproduktes. Die Anstrengung, die notwendig ist, um das Defizit auszumerzen oder zumindest auf den Betrag der Staatsinvestitionen zu beschränken, ist somit viel größer, als es der Minister mit seinem Ziel von 3,5% des BIP darstellt.

Doch wenn man davon ausgeht, dass das BIP in Wirklichkeit höher ist, als es offiziell angegeben wird, dann sinkt der Prozentsatz leicht. Nach der offiziellen Berechnung liegt das Bruttoinlandsprodukt um die u$s 400 Mio. (zum offiziellen Kurs berechnet). Wie hoch es genau ist, wissen die Regierungsfachleute selber nicht. Doch die Struktur der Wirtschaft hat sich ab 1994, als eine Neuberechnung von Grund auf, mit Unterstützung der CEPAL (Lateinamerikakommission der UNO) erfolgte, stark verändert. Die technologische Revolution der letzten Jahre, die sich in letzter Zeit beschleunigt hat, hat die Wirtschaft grundsätzich verändert. Unlängst hat ein Regierungsexperte darauf hingewiesen, dass die neuen informatischen Dienstleistungen bei der BIP-Berechnung nicht berücksichtigt werden. Doch das betrifft nur einen Aspekt des BIP. Viele andere strukturelle Veränderungen wurden ebenfalls nicht berücksichtigt.


Die Defizitfinanzierung und die Gefahr der Hyperinflation

Das Defizit der Staatsfinanzen wird auf zwei, und nur zwei, Wegen gedeckt: mit zusätzlicher Verschuldung und Geldschöpfung. Die Möglichkeit, neue Kredite aufzunehmen, ist beschränkt. Vom internationalen Finanzmarkt ist Argentinien auf längere Zeit ausgeschlossen, wie es krass in der Tatsache zum Ausdruck kommt, dass argentinische Staatstitel, die auf Dollar lauten, an der Börse von New York so niedrig notieren, dass sie eine Dollarrendite von ca. 20% ergeben. Der lokale Finanzmarkt ist sehr beschränkt, und die Mittel, die den Banken zur Verfügung stehen, sind schon weitgehend in Staatstiteln investiert worden, vornehmlich in Leliq und auch in passive Swaps, die beide von der ZB ausgegeben werden. Was Kredite an den Staat betrifft, so kommen faktisch nur solche internationaler Finanzinstitutionen in Frage, die an konkrete Investitionen gebunden sind. Die andere Möglichkeit, nämlich die Geldschöpfung, stößt jetzt an eine Grenze, deren Überschreitung die Gefahr der Hyperinflation mit sich bringt.

Die Hyperinflation ist die dritte, ungewollte Form der Deckung des Defizites, das dabei eigentlich nicht gedeckt sondern real verringert wird. Wenn die Preise um 50% im Monat steigen, was in der Wirtschaftswissenschaft als Hyperinflation bezeichnet wird, und in Argentinien schon drei Mal geschehen ist, nämlich 1976, 1989 und1990, dann bleiben die Gehälter der Staatsangestellten, die Pensionen, Hinterbliebenenrenten u.a. staatliche Zahlungsverpflichtungen hinter der inflationsbedingten Zunahme der laufenden Einnahmen zurück. Und dabei sinkt das Defizit, und kann eventuell sogar verschwinden. Diese Form der Verringerung der Ausgaben ist in den letzten Jahren schon ohne Hyperinflation, aber mit hoher Inflation, in milder Form eingetreten. Seien wir uns jetzt bewusst, dass die Hyperinflation schließlich unvermeidlich ist, wenn es keine Deckung des Defizites gibt, sei es durch Verschuldung oder begrenzte Geldschöpfung, die mit der Inflation und eventuell auch dem wirtschaftlichen Wachstum einhergeht. Bei einer Inflation von ca. 50% jährlich, wie sie jetzt besteht, kann man davon ausgehen, dass dies mit einer Geldschöpfung begleitet wird, die auch etwa 50% des Geldbestandes ausmacht. Bei Stabilität der Preise, und auch bei niedriger Inflation, besteht diese Möglichkeit nicht.

Das Defizit muss mit oder ohne Internationalem Währungsfonds so stark verringert werden, dass nur ein Betrag verbleibt, der eine Sonderfinanzierung hat. Was der Fonds will, ist eine geordnete Senkung, die eventuelle negative wirtschaftliche und soziale Folgen auf ein Minimum beschränkt, während die Regierung in der Person von Wirtschaftsminister Martín Guzmán dafür Eintritt, die Verringerung hauptsächlich zu erreichen, indem die Zahlungen an den Fonds hinausgeschoben werden. Doch darauf geht der Fonds nicht ein. Denn er weiß genau, dass dann, etwa nach zwei Jahren, das Problem von neuem auftritt, und Argentinien weiter nichts zahlen wird. Denn um zahlen zu können, müssen bestimmte Maßnahmen getroffen werden, denen die Regierung ausweicht, und auch das dürfte in zwei Jahren der Fall sein.


Der Sinn des Abkommens mit dem IWF

Was Guzmán, und noch mehr Cristina und die harten Kirchneristen, nicht begreifen, ist dass man mit dem Fonds immer verhandeln kann. Wenn die gesetzten Defizitziele nicht eingehalten werden können, wird der Fonds ein höheres Defizit anerkennen, aber weitere oder bisher verzögerte Maßnahmen fordern. Die Regierungsfachleute sollten sich die Mühe nehmen, den Fall von Griechenland zu studieren. Die griechische Krise war tiefer als die argentinische, und zur Lösung verhalf die Europäische Union und auch der IWF. Es hat zehn Jahre gedauert, bis die Krise als überwunden betrachtet wurde. In diesen Jahren gab es politische Änderungen in Griechenland, und lange schwierige Verhandlungen, wobei bestimmte empfohlene Maßnahmen durchgeführt wurden und andere nicht.

Grundsätzlich werden Staatsschulden mit Aufnahme neuer Schulden bezahlt. Kein Staat könnte seine Schulden kurzfristig Zahlen, ohne neue aufzunehmen. Meistens nimmt die gesamte Staatsschuld dabei per Saldo zu. Nur in Ausnahmefällen nimmt der Bestand der Staatsschuld ab, In Argentinien beschränkt sich die Neuverschuldung auf Kredite für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten, die die Weltbank, die BID, die Andenkörperschaft, die chinesische Förderungsbank und eventuell noch andere Banken ähnlicher Art gewähren. Gustavo Beliz, Staatssekretär für strategische Angelegenheiten im Präsidialamt hat sich schon intensiv bemüht, um Kreditmöglichkeiten bei den internationalen Finanzanstalten zu erkunden. Er hat dabei angeblich ein Paket von u$s 18 Mrd. zusammengestellt. Auf alle Fälle muss sich die Regierung intensiv um dies bemühen. Das bedeutet, dass eine Liste konkreter Objekte aufgestellt wird, die von den genannten Finanzinstituten finanziert werden können, und Projektstudien eingeleitet werden. Damit sollte sich eine besondere Abteilung im Staat befassen. Aber es müsste auch private Mitwirkung gesucht werden. Nur wenn die Kreditanträge technisch korrekt eingereicht werden, kann mit einer kurzfristigen Entscheidung der Finanzinstitute gerechnet werden.

Wenn ein Abkommen mit dem IWF abgeschlossen wird, werden fast automatisch mehrere bestehende Projekte, die mit Finanzierung zählen, in Gang gesetzt. Unlängst wurden zwei angekündigt: die Errichtung einer Stromleitung und einer Transformationsstation, um das Netz der Stromverteilung in der Umgebung der Bundeshauptstadt zu verbessern, und die Elektrifizierung der San Martín-Vororteisenbahn. Im ersten Fall handelt es sich um eine chinesische Firma, im zweiten um eine russische. Aber es gibt noch mindestens ein Dutzend weitere Projekte dieser Art, die auf das IWF-Abkommen warten. Die Staatsinvestitionen, um die es dabei geht, zählen somit mit der notwendigen Finanzierung.

Das erlaubt, auf der anderen Seite, den Kredit des IWF zu amortisieren. Bei einem Abkommen auf zehn Jahre, wie es das System der “extended facilities# vorsieht, wären es u$s 4,5 Mio. pro Jahr plus Zinsen. Das würde ohne weiteres durch die Finanzierung neuer Investitionen ausgeglichen. Dss erklären nur wir, aber nicht die Regierung und auch nicht unabhängige Ökonomen. Warum?

Es ist schlicht unverantwortlich, wenn die Regierung keine vollständige Erklärung über die Problematik der Staatsfinanzen und des Umschuldungsabkommens mit dem IWF gibt. So wie die Regierung die Dinge darstellt, gibt es kein Abkommen, oder bestenfalls eine prekäre Übergangslösung, und das verheißt schlimme Zeiten. Offensichtlich war die Ernennung von Guzmán zum Wirtschaftsminister eine große Fehlentscheidung. Er ist seiner Aufgabe nicht gewachsen.


Maßnahmen zur Ausgabensenkung

Zum Schluss wollen wir noch unseren konkreten Vorschlag für eine effektive Senkung der Staatsausgaben vorlegen. Es ist ohnehin höchste Zeit, dass die Diskussion über die Defizitsenkung konkrete Konturen annimmt, und nicht mehr um den heißen Brei herum geredet wird. Dabei gehen wir davon aus, dass die Steuereinnahmen real nicht erhöht werden können. Es geht bei unserem Vorschlag um folgendes:

- Einfrierung freiwerdender Staatsstellen. Wenn dies den Nationalstaat, die Provinzen und die Gemeinden umfasst, sind es etwa 100.000 Staatsangestellte weniger pro Jahr, die wegen Pensionierung, Tod oder Rücktritt wegfallen;

- Schließung des Kohlebergwerkes Río Turbio, bei Entschädigung der Belegschaft. Dabei spart man allein im ersten Jahr leicht u$s 1 Mrd.

- Abschaffung der Subventionen an D”Elia, Navarro u.a., die angeben, soziale Gruppen zu leiten, und mit dem Regierungsgeld auch Aufmärsche am Obelisk finanzieren;

- Verringerung der Staatsinvestitionen, die nicht mit einer internationalen Finanzierung zählen, bei Konzentration der Mittel auf Objekte, die schon weit fortgeschritten sind, und Stilllegung solcher, die sich im Anfangsstadium befinden;

- Verringerung des auswärtigen Dienstes, mit Abschaffung von Botschaften in mittelamerikanischen Staaten u.a., die unbedeutend sind, wobei ein Botschafter in einem Nachbarstaat die Arbeit übernimmt;

- Rationalisierung der Justiz, einmal durch Einführung eines integralen Informatiksystems, und dann durch bestimmte grundsätzliche Maßnahmen, wie u.a. die Bestimmung, dass ein Urteil des Obersten Gerichtshofes, das sich auf einen bestimmten Fall bezieht, von den Richtern erster und zweiter Instanz sofort auf analoge Fälle angewendet wird, wie ein Gesetz. Mit dieser Rationalisierung brauchen viele freie Richterposten nicht besetzt zu werden und eventuell könnte man mit weniger Gerichten auskommen

- Verringerung der Subventionen für öffentliche Dienste und Staatsunternehmen. Die Tarife müssen stark erhöht werden. Bei Aerolíneas Argentinas muss sich das Staatsunternehmen auf den Binnenverkehr und die Verbindung mit den Nachbarländern konzentrieren, und den Flugverkehr mit fernen Orten beschränken, der hohe Verluste abwirft.

- Keine Waffenkäufe. Das versunkene U-Boot darf nicht ersetzt werden, und man muss zunächst auskommen, mit dem was man hat.

- Durchkämmung der einzelnen Posten des Staatshaushaltes mit der Methode des Nullbudgets (bei der von Null und nicht vom Vorjahresbudget ausgegangen wird). Dabei können erfahrungsgemäß viele Ausgabenposten abgeschafft, andere, die doppelt auftreten, vereinheitlicht werden, und bestimmte Funktionen privatisiert werden.

- Ersetzung der staatseigenen Automobile für hohe Beamten durch einen Mietdienst. Das hat 1993 der damalige YPF-Präsident José Estenssoro bei diesem Unternehmen mit großem Erfolg eingeführt. Selbstverständlich verbleiben die staatlichen Automobile für den Präsidenten, die Vizepräsidentin und die Minister. Der Rest muss weg.

Abgesehen von diesen Maßnahmen muss es eine allgemeine Anweisung des Präsidenten geben, mit der Bitte an die Gouverneure, dass sie sich auch daran halten, dass keine neuen Ausgaben geschaffen werden. Dass die Regierung jetzt das Programm “Fußball für alle” wieder einführen will, das den Staat viel Geld Geld kostet und seinerzeit von Macri abgeschafft wurde, ist heller Wahnsinn. Ebenfalls ist es verrückt, dass die Provinz Buenos Aires ein Flugzeug für u$s 7 Mio. kauft, damit der Gouverneur und seine Mitarbeiter in der Provinz herumfliegen können. Sie kommen ohne Flugzeug, oder mit den bestehenden, auch aus. Der Geist der Verschwendung kann nicht weiter geduldet werden. Denn Argentinien ist nicht so reich, wie es gelegentlich immer noch angenommen wird.



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