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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Das Problem ist Präsident Alberto Fernández

Von Juan E. Alemann

AF
Alberto Fernández.

Die argentinische Gesellschaft ist durch die hohe Inflation sehr beunruhigt. Februar schloss mit einer Zunahme des Indices der Konsumentenpreise von 4,7%, und im März wird auf alle Fälle mit über 5%, eventuell sogar mit über 6% gerechnet. Die Jahresinflation, die 2021 mit 52,3% abgeschlossen hatte, wird dabei 2022 auf mindestens 60% und eventuell sogar 80% und mehr angesetzt. Im Hintergrund schwelt dabei die Angst, dass es wieder zu einer Hyperinflation kommt. Der Sprung von der Hochinflation von etwa 100% im Jahr auf Hyperinflation (ca. 50% in einem Monat) ist erfahrungsgemäß in Argentinien sehr sehr gering.

Auf diese Möglichkeit hat Cristina Kirchner unterschwellig auch hingewiesen, als sie sagte, sie habe Alberto zum Geburtstag (den 2. April) ein Buch geschenkt, das von einem Mitarbeiter des Wirtschaftsministers von Alfonsín, Juan Sourrouille geschrieben worden sei. In diesem Buch wird u.a. der Weg zur Hyperinflation von Anfang 1989 geschildert, die Alfonsín zum vorzeitigen Rücktritt veranlasste. Wenn man davon ausgeht, dass Cristina nicht scherzt, sondern im Grunde Alberto einen gut Rat geben wollte, dann kann man ihre Bemerkung als eine klare Empfehlung an den Präsidenten auslegen, die Inflation energisch zu bekämpfen, auch mit Mitteln, die sie öffentlich nicht befürworten kann. Der Abbruch der Beziehungen mit Alberto Fernández, den Cristina und nicht Alberto vollzogen hat, wird allgemein als ein Wutausbruch gedeutet, oder auch dahingehend, dass sie keine Verantwortung für einen bevorstehenden Zusammenbruch übernehmen will, kann aber auch so ausgelegt werden, dass sie Alberto Fernández freie Hand lässt. Doch das scheint er nicht ganz verstanden zu haben. Oder er weiß nicht, was er tun soll.

Bei einer Zusammenkunft von acht Gouverneuren der Regierungskoalition, die der föderale Investitionsrat vor zwei Wochen einberufen hatte, äußerten sich die Anwesenden ohne Umschweife über die kritische Lage, und brachten dabei die gemeinsam Meinung zum Ausdruck, dass der Präsident keine Reaktion auf die Krise zeige, sich auch nicht helfen lässt, und die Gouverneure zu beruhigen versucht, indem er Zahlen über die Wirtschaft zeigt, aus denen hervorgeht, dass es nicht so schlimm sei.

Etwa gleichzeitig fand eine Zusammenkunft der Spitzengewerkschafter, die die CGT leiten, mit Vertretern der Industrie statt. Auch Präsident Fernández schloss sich an. Die Gewerkschafter sagten dem Präsidenten, er müsse energisch vorgehen. Was das bedeutet, ist nicht klar. Aber man kann es auch so auslegen, dass sie auch bereit sind, ihre Lohnforderungen zu beschränken, um die Inflation nicht anzutreiben. In der Tat ist es so, dass die Gewerkschafter eine Initiative dieser Art nicht vorbringen können, weil sie dann Probleme mit ihrer eigenen Mannschaft haben. Aber sie können einer offiziellen Entscheidung faktisch zustimmen, indem sie keine Streiks u.a. Maßnahmen durchführen. Ebenfalls können die Gewerkschaft ihre Mäßigung dann an andere Maßnahmen knüpfen, die sie von der Regierung erwarten, und dabei bestimmte schwierige Entscheidungen der Regierung erleichtern, die sich auf Eindämmung der Staatsausgaben beziehen. Zusammenkünfte zwischen Gewerkschaftern und Unternehmern haben nur Sinn, wenn die Regierung aktiv mitmacht und sie in vernünftige Bahnen lenkt. Die Möglichkeit der Hyperinflation ist für die Gewerkschaften ein Gräuel, weil dabei ein brutaler Reallohnverlust einsetzt, der erfahrungsgemäß längere Zeit dauert. Diese Furcht gibt dem Präsidenten die Gelegenheit, direkt in die Bestimmung der Lohnerhöhungen einzugreifen, und auch das Arbeitsrecht in bestimmten Aspekten zu ändern. Gelegenheiten wie diese muss man beim Schopf fassen. Denn sie dauern nicht lange.

Allein, der Präsident vermittelt nicht nur den Eindruck, dass er der Lage nicht gewachsen ist, sondern er bemüht sich, dies klar zum Ausdruck zu bringen. Als er unlängst auf die Inflation zu sprechen kam, bezog er sich auf den Teufel und empfahl allgemein eine Gruppentherapie. Ebenfalls sprach er von einer selbstgebauten Inflation (“Inflation autoconstruida”), und dürfe selber nicht wissen, was das ist. Kein Wunder, dass all dies im Journalismus für Humor sorgte, und der Präsident lächerlich gemacht wurde. Er weist ständig auf die Gewinnsucht der Unternehmer hin, wie auch Handelssekretär Roberto Feletti, der sie beschuldigt, hohe Gewinne zu erreichen, um ihre Luxusautomobile und teure Auslandsreisen beizubehalten. Doch die Bilanzen der Lebensmittelunternehmen dementieren dies. Im Lebensmittelbereich besteht harte Konkurrenz, die überhöhte Preise nur ausnahmsweise zulässt. Vom Staatsdefizit und der überhöhten Geldschöpfung, sagte Alberto Fernández kein Wort. Und von nominellen Lohnerhöhungen, die mit einer Politik der Inflationsbekänpfung unvereinbar sind, spricht er noch weniger.

Es besteht kein Zweifel: das Problem ist die Person des Präsidenten. Obwohl er seine politische Karriere mit Néstor Kirchner machte, den er als Kabinettschef begleitete, hat er nichts von der Autorität des damaligen Präsidenten mitbekommen, und auch nicht begriffen, warum sich NK ständig um die Erhaltung der zwei Überschüsse kümmerte, der der Staatsfinanzen und der der Zahlungsbilanz. Alberto Fernández hat ein verschwommenes Verständnis der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik, und das Schlimme ist jetzt, dass dies allgemein empfunden wird, so dass man ihm nicht zutraut, dass er die verfahrene Lage einrenken kann.

Dennoch will niemand seinen Rücktritt. Dann würde Cristina die Präsidentschaft übernehmen, und ihr traut man auch nicht zu, dass sie die Lage einrenken kann. Auf alle Fälle hätte sie den Vorteil, dass sie sich ihrer Autorität voll bewusst ist, wie ihr verstorbener Gatte Néstor, und voraussichtlich auch bereit wäre, harte Maßnahmen zu treffen, um die Inflation zu senken. Aber ihre ideologischen Vorurteile wirken störend, und auch denkt sie nicht viel anders als Feletti.

Wenn Alberto Fernández sich bewusst wäre, dass er bei den wirtschaftlichen Problemen einfach überfordert ist, sollte er die Entscheidungen auf seine Mitarbeiter abschieben. An erster Stelle kommt dabei Kabinettschef Juan Manzur in Frage, der in seinen ersten Tagen in diesem Amt eine leitende Rolle einzunehmen versuchte, aber dann vom Präsidenten in den Hintergrund geschoben wurde. Manzur, der selber Unternehmer ist (er besitzt u.a. das Olivenunternehmen Nucete) hat viel klarere Gedanken über Wirtschaft und Inflation. Er könnte dabei mit Wirtschaftsminister Guzmán, Produktionsminister Kulfas und ZB-Präsident Pesce zusammenarbeiten, die über die bestehenden Probleme gut Bescheid wissen, und eine gute Ausbildung als Ökonomen haben. Alberto Fernández hat jetzt eine letzte Möglichkeit, eine Wirtschaftspolitik einzuleiten, die die Inflationsraten senkt und der Wirtschaftspolitik eine Rahmenordnung gibt, die schließlich zu Wachstum und mehr Wohlstand führt.



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