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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Das Pokerspiel mit der Umschuldung

Von Juan E. Alemann

Die Regierung weiß, dass sie die Staatsschuld nicht in den vorgesehenen Fristen tilgen kann, und die Gläubiger wissen es auch. Es geht einmal um u$s 44,Mrd., die dem IWF geschuldet werden, und dann noch um eine Schuld gegenüber Investmentfonds u.a. von etwa u$s 40 Mrd., mit der man auf etwas über u$s 80 Mrd. gelangt. Und dann kommen noch um die u$s 30 Mrd. hinzu. In einem normalen Land sollte eine Staatsschuld dieser Größenordnung, die etwa ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes ausmacht (und bei richtiger Berechnung des BIP noch weniger), kein Problem darstellen. Der Rest der Staatsschuld ist zum größten Teil innerstaatlich (und wird automatisch erneuert) und besteht sonst aus Schulden gegenüber der Weltbank, der BID, der Andenköperschaft und chinesischer u.a. Banken, und wird langfristig zu relativ niedrigen Zinsen amortisiert. Dabei wird davon ausgegangen, dass die internationalen Finanzkörperschaften Argentinien mehr neue Kredite erteilen, als der Betrag der Amortisation der bestehenden ausmacht. Womit diese Schuld bei Seite gelassen werden kann.

Das Problem besteht in Argentinien darin, dass das Land in 70 Jahren 8 Mal in Default geraten ist (was meistens schnell überwunden wurde), mit einem Megadefault im Jahr 2001. Zudem dauerte es 4 Jahre, bis dieser Default geregelt wurde. Das Angebot war schäbig, und so gestaltet, dass bis heute noch Probleme verbleiben, einmal beim Wachstumscoupon und dann bei den indexierten Titeln in Pesos, bei denen wegen der Indexfälschung ein potentieller Konflikt besteht. Dabei verblieben Gläubiger, die das Regierungsangebot nicht annahmen, weder 2005 noch bei einem zweiten Angebot im Jahr 2010, die als “Holdouts” eingestuft wurden. Die Kirchner-Regierung verhielt sich dabei wie ein Betrüger, und das hat dem Ansehen des Landes noch mehr geschadet. Statt zu verhandeln und einen Kompromiss zu suchen, hat Cristina den US-Richter Griesa beschimpft und dabei die Lage Argentiniens verschlechtert.

Als die Präsidentschaftsformel Alberto Fernández-Cristina Fernández de Kirchner am 11. August die Primarwahlen (PASO) mit 15 Punkten Vorsprung gewann, entstand auf dem Finanzmarkt eine Panikstimmung, und es kam zu einer plötzlichen Sperre für Kredite an Argentinien (“sudden stop”). Die Erinnerung an das Verhalten von Cristina wirkte verheerend. Es musste danach entweder zu einem neuen Default oder zu einer Umschuldung kommen, die mit dem IWF und den Gläubigern vereinbart wurde. Dass Cristina jetzt Vizepräsidentin ist, mit einer bedeutenden Machtstellung, und letzte Woche auch Interimspräsidentin wurde, wirft einen dunklen Schatten auf die Verhandlung über die Schuldenregelung. Noch glaubt die Finanzwelt dem Präsidenten nicht so ganz, dass er sich zivilisiert verhalten wird. Mit Macri als Präsident ab 10. Dezember 2019 wäre die Umschuldung viel einfacher.

Die Gläubiger wissen all dies sehr gut. Ein Default konveniert ihnen nicht, weil sie dann mit einem Abstrich rechnen müssen, nicht nur bei den Zinsen, sondern auch beim Kapital. Und außerdem entwerten sich dann die argentinischen Staatstitel, die sie in ihrem Portefeuille haben, noch mehr. Das verleiht Argentinien eine starke Verhandlungsposition. Präsident Alberto Fernández will, dass das Umschuldungsabkommen per Ende März abgeschlossen ist, weil danach hohe Zahlungen auftreten, die die Regierung nicht begleichen kann.

Mit dem Internationalen Währungsfonds wird man irgendwie schon zurechtkommen. Denn schließlich ist der Fonds da, um Ländern wie Argentinien zu helfen, und nicht, um sie finanziell zu vernichten. Der IWF wird nur darauf bestehen, dass in der Frist, die Argentinien gewährt wird, Maßnahmen getroffen werden, die die Zahlung der Schuld möglich machen, auch wenn sie dabei in mehrjährigen Raten gezahlt wird. Also an erster Stelle ausgeglichene Staatsfinanzen, wenn möglich sogar mit Überschuss, und auf alle Fälle auch Überschuss bei der Leistungsbilanz. Die anderen Gläubiger, fast alle Investmentfonds, wollen auch eine Lösung, bei der ihre Forderungen gesichert erscheinen, weil sie sonst einen Schaden bei ihrer eigenen Qualitätsbenotung erleiden. Bei den Zinsen wird es auf alle Fälle eine Verringerung geben, was bei den niedrigen Zinsen, die weltweit gelten, kein Problem darstellen sollte. Beim Kapital wird es eventuell auch einen Schnitt geben, aber nur einen bescheidenen. Angeblich tritt der IWF dafür ein. Die Investmentfonds wissen, dass man bei einer Verhandlung dieser Art erst ganz am Ende der Periode, bei der diese aufhört, weil der Staat einen Betrag zahlen muss, den er nicht zahlen kann, auf eine Einigung eingeht. Dabei wird immer versucht, ganz am Ende noch Vorteile zu erhalten. Doch man geht jetzt davon aus, dass Wirtschaftsminister Martín Guzman, der mehrere Umschuldungen schon bei seinen Forschungen in der Columbia Universität eingehend studiert hat und sich auf diesem Gebiet gut auskennt, zu verhandeln weiß, und nicht auf die Tricks der Gläubiger eingeht. Er dürfte ein guter Pokerspieler sein.

Hinzu kommt jetzt noch das Problem mit den Provinzen, an erster Stelle der von Buenos Aires. Es geht hier nicht nur um die u$s 250 Mio., die am 26. Februar verfielen, wobei eine Frist von 10 Tagen besteht, die am 5. Februar abläuft, um einen Default zu erklären. Es geht um u$s 3 Mrd., die dieses Jahr verfallen, und insgesamt um u$s 8 Mrd. All das kann die Provinz mit eigenen Mitteln nicht zahlen, und der Bundesstaat hat sich bisher nicht bereit erklärt, für diese Schuld einzustehen. In einigen Fällen besteht jedoch eine ausdrückliche oder unterschwellige Garantie des Nationalstaates, in anderen Fällen nicht. Aber wenn es zu einem Default einer Provinz kommt (dem dann unvermeidlich andere folgen würden), dann befleckt dies auch den argentinischen Staat, so dass dieser zwar seinen Default vermeiden kann, aber von der internationalen Finanzwelt dennoch als Defaultierer angesehen wird. Außer der Provinz Buenos Aires haben auch die Stadt Buenos Aires, Córdoba, Mendoza, und Chubut hohe Dollarschulden. Im Grund gehört das Pokerspiel der Provinz Buenos Aires somit in den gleichen Topf wie das nationale.

Die Gouverneure haben schon gemerkt, dass sie ihr Problem mit dem des Nationalstaates gleichzeitig lösen müssen, und haben sich in diesem Sinn an ihre Deputierte und Senatoren gewendet. Der radikale Deputierte Mario Negri, Leiter der Koalition von “Juntos por el cambio”, arbeitet mit Fachleuten schon in diesem Sinn. Das Projekt über Vollmachten zwecks Schuldenregelung wurde zwar ohne dies verabschiedet, aber es wurde vereinbart, das Thema in einer Komission zu behandeln.

Bei der internen Staatsschuld, die vornehmlich auf Pesos lautet, besteht kein nennenswertes Problem. In diesem Jahr wurden schon Lecap-Schatzscheine für $ 54 Mrd. durch neue Ausgaben erneuert. Außerdem wurden $ 99 Mrd. in Lecap durch Lebad-Schine getauscht, die nicht viel anders sind. Hier besteht das Problem nur im Zinssatz und der Dauer dieser Titel, wobei die Regierung sich bemüht, die Zinsen zu senken und die Zahlungsfristen zu verlängern.

Bei der Umschuldung ist es besonders wichtig, dass dieses Mal keine Holdouts verbleiben. Denn solange es diese gibt, ist das Problem nicht gelöst, und es gibt dann keinen oder nur einen sehr beschränkten Zugang um internationalen Finanzmarkt. Und abgesehen von der Schuldenregelung braucht Argentinien in unmittelbarer Zukunft neue Kredite oder Unterbringung von Staatstiteln. Es wird sich auf alle Fälle nicht um große Beträge handeln, aber etwas wird benötigt.

Bei den Schuldenausgaben ab der Überwindung des Defaults von 2001 wurde oft die Klausel eingefügt, dass eine Entscheidung von 75% des Gläubigerkapitals genügt, damit ein Abkommen für alle Schuldner gültig ist. Das sollte das Aufkommen von Holdouts verhindern. Es wurde nicht bekanntgegeben, welchen Betrag diese Klausel umfasst.

Es wäre gut, wenn dieses Pokerspiel so bald wie möglich beendet wird, wenn möglich lange vor dem 31. März 2020. Denn erst dann kann man eine Beruhigung auf dem lokalen Finanzmarkt erwarten, der für die Normalisierung der Lage wesentlich ist. Das konveniert auch den Gläubigern, die gut beraten wären, wenn sie davon ausgehen, dass Guzmán ein ebenso guter Pokerspieler wie sie ist.

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