Von Juan E. Alemann
Das durch eine staatliche Mehrheit kontrollierte Erdölunternehmen YPF (früher Yacimientos Petrolíferos Fiscales, aber seit der Privatisierung vom Jahr 1993 direkt YPF), muss einen Schuldenberg von u$s 6,2 Mrd. umschulden. Hinzu kommen weitere Schulden, die nicht unmittelbar verfallen, so dass es insgesamt u$s 8,2 Mrd. sind. Eine erste Amortisation von u$s 413 Mio. verfällt am 23. März 21, doch die ZB hat schon eine Umschuldung erzwungen, im Rahmen von Dollarschulden von Unternehmen allgemein, weil die ZB die Devisen für die unmittelbar bevorstehenden Zahlungen zunächst sparen will, und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie sie nicht hat. YPF hatte außerdem in den letzten zwei Jahren hohe operative Verluste (ohne Zinsen auf die Schuld); $ 21 Mrd. 2019 und $ 102 Mrd. in 9 Monaten 2020. 2018 hatte das Unternehmen noch einen Betriebsgewinn von $ 43,98 Mrd., die Verschlechterung ist enorm.
Die Firma hatte den Tausch der bestehenden Titel gegen drei neue angeboten, die bis Ende 2022 weder Zinsen noch Kapital zahlen. Der erste neue Titel soll mit 8,5% verzinst werden und 2026 verfallen, und mit der Garantie der Erdölexporte von YPF zählen. Der zweite wird ebenfalls zu 8,5% verzinst und verfällt 2019, hat aber keine Sondergarantie. Der dritte wird zu 7% verzinst und verfällt 2033, und hat auch keine Sondergarantie. Bei der bestehenden Schuld liegen die Zinsen bei 7,5%. Für den vergangenen Montag hatte YPF die Gläubiger eingeladen, um sich an einer Versammlung zu beteiligen, in der die Offerte behandelt werden sollte. Aber das notwendige Quorum von 60% des geschuldeten Betrages kam nicht zustande. Die Gläubiger erwarten ein besseres Angebot. Die Verhandlung hat erst begonnen.
Wenn die Gläubiger den Vorschlag von YPF nicht annehmen, dann können sie den Konkurs (“quiebra”) des Unternehmens fordern. Dann würde ein Vergleichsverfahren (“concurso de acreedores”) eingeleitet, bei dem es zu Verhandlungen kommt. Gibt es schließlich keine Einigung, dann erklärt der Richter den Konkurs, und das Unternehmen wird entweder liquidiert, also in Teilen verkauft, oder es findet sich ein Käufer für YPF als Einheit. Man kann sich jedoch nicht vorstellen, dass es so weit kommt. Denn das wäre für die Gläubiger eine schlechte Lösung. Es dürfte somit schließlich doch zu einer Einigung mit den Gläubigern kommen. Doch bei einer Entwicklung dieser Art erhält YPF auf alle Fälle unmittelbar keine neuen Kredite, noch kann die Firma Kapital aufnehmen. YPF könnte dann kaum zur Erhöhung der Erdöl- und Gasförderung beitragen, die notwendig ist, um zunehmende Importe zu vermeiden, die die Zahlungsbilanz in einem kritischen Moment belasten.
Bevor die Verhandlungen wirklich stattgefunden haben, hat die Regierung den Rücktritt von YPF-Vorstandspräsident Guillermo Nielsen gefordert, der im Dezember 2019 ernannt worden war. Nielsen hatte sich als Finanzsekretär ab 2002 mit der Umschuldung der Staatsschuld befasst, die der kurzlebige Präsident Adolfo Rodríguez Saá Anfang 2002 im Defaultzustand erklärt hatte. Es wurde somit davon ausgegangen, dass Nielsen besonders wegen seiner Erfahrung bei Umschuldungen ernannt worden war. Jetzt tritt der K-Deputierte Pablo González an seine Stelle, ein Anwalt aus Santa Cruz, der in dieser Provinz schon mehrere politische Ämter bekleidet hat, der zum Vertrauenskreis von Cristina Kirchner gehört. Doch auf dem Gebiet des Erdöls und der Unternehmensleitung hat er keine Erfahrung. Er qualifiziert gewiss nicht für dieses schwierige Amt. Seine Ernennung bedeutet, dass Cristina jetzt direkt über YPF entscheidet und dabei Politik betreibt, statt sich um die Verwaltung des Unternehmens zu kümmern.
Ein nicht nebensächlicher Aspekt dieses Übergangs von Nielsen auf González ist das Beschäftigungsproblem. YFP hatte seit der Übernahme der Kontrollmehrheit im Jahr 2012 die Belegschaft mit ca. 10.000 zusätzlichen Angestellten praktisch verdoppelt. Nielsen hatte den Abbau eingeleitet, mit einem Programm bezahlter Rücktritte, die verkappte Entlassungen waren. Doch jetzt erhält die Cámpora-Gruppe wieder Einfluss, die sich um Arbeitsplätze für ihre Mitglieder bemüht. Denn die Cámpora ist im Wesen eine Beschäftigungsagentur, vor allem für Akademiker, für die Arbeitsmöglichkeiten gering sind. Das erklärt ihr rasantes Wachstum, mit dem sie auch mehr politisches Gewicht erhält. Indessen ist ein Beamtenabbau im Staat, und auch bei YPF, unerlässlich, so dass sich hier ein Konflikt ergibt. Einer mehr.
Für die Finanzwelt war der Rücktritt von Nielsen ein schlechtes Signal, so dass der Börsenkurs der YPF-Aktien in New York sofort um fast 6% fiel, und am nächsten Tag noch einmal um 11,8%. Danach erholte sich der Kurs wieder. Ganz YPF ist jetzt zum Börsenkurs um die u$s 1,5 Mrd. wert. 1998 hatte die spanische Repsol YPF für u$s 15 Mrd. übernommen. Der gegenwärtige Börsenwert lässt sich dadurch erklären, dass ein Konkurs und ein totaler Zusammenbruch des Unternehmens erwartet wird. Indessen ist auch die Lesart aufgekommen, dass Cristina beabsichtigt, YPF ganz zu verstaatlichen und in ein reines Staatsunternehmen umzuwandeln, was bedeutet, dass es keine Aktiengesellschaft mehr wäre, und die Aktien nicht mehr an der Börse notieren würden. Und dabei befürchten die gegenwärtigen unabhängigen Aktionäre, dass sie für ihre Aktien bestenfalls ein Butterbrot erhalten. Diese Umwandlung ist gewiss nicht einfach, besonders nicht für einen Staat, der finanziell pleite ist. Aber bei Cristina und den linken Cámpora-Ideologen, für die der Staat ohnehin alle Großunternehmen direkt besitzen und betreiben sollte, kann man nie wissen. Vorsichtshalber hat Wirtschaftsminister Guzmán diese Möglichkeit sofort dementiert. Aber ganz glaubt man ihm eben nicht.
YPF spielt in der argentinischen Wirtschaft als weitaus größtes Erdölunternehmen eine bedeutende Rolle. Ursprünglich, in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, wurde YPF als Staatsbetrieb geschaffen, um die lokalen Erdölvorkommen auszubeuten. Damals war das importierte Erdöl viel billiger, weil es noch keine OPEC gab und besonders Saudi Arabien sehr niedrige Kosten hatte, weil die Lager groß sind und nicht tief liegen, wobei sich der Preis an die Kosten hielt. YPF wurde nach und nach mit hohen staatlichen Beiträgen erweitert, mit einer Monopolstellung (mit unbedeutenden Ausnahmen), und mit Importbeschränkungen geschützt.
Perón hatte in seiner zweiten Regierung, ab 1952, bemerkt, dass YPF nicht in der Lage war, den Bedarf zu decken, obwohl bekannt war, das es Erdöl und Gas im Überfluss gab. YPF hatte weder die finanziellen Mittel, noch die Technologie und die Unternehmensstruktur. um einen Sprung bei der Förderung und Raffinierung zu erreichen. Angesichts dieser Lage, die zu hohen Erdölimporten führte und ein Zahlungsbilanzproblem schuf, hatte Perón 1954/55 einen Vorvertrag mit einer Tochtergesellschaft der Standard Oil abgeschlossen, die California Argentina hieß, die eine Konzession für das ganze Gebiet der Provinz Santa Cruz erhalten sollte. Doch Konzessionen waren damals verpönt, und Perón stieß auf allgemeinen Widerstand, besonders von seinen eigenen Leuten. Er hatte eben Nationalismus gepredigt und zahlreiche Unternehmen verstaatlicht, die öffentliche Dienste betrieben, und konnte danach nicht über seinen eigenen Schatten springen. Perón wurde 1955 durch eine Revolution abgesetzt, und die neue Regierung schritt auf diesem Gebiet nicht fort. Erst Präsident Arturo Frondizi, der 1958 antrat, fand eine Lösung. Er zog ausländische Erdölunternehmen mit besonderen Verträgen an, die keine Konzessionen waren, sondern im Wesen Lieferverträge an YPF. Sie mussten Erdöl auf bekannten Lagern ausbeuten und es zu einem vorbestimmten Preis an YPF liefern. Das hat gut funktioniert, so dass 1961 die Selbstversorgung mit Erdöl erreicht wurde. Diese Verträge wurden dann 1963 von Präsident Arturo Illia (UCR) wegen politischer Vorurteile annulliert, aber 1966 nach der militärischen Regierungsübernahme, mit General Juan Carlos Onganía als Präsident, wieder in Kraft gesetzt, nachdem klar geworden war, dass die Annullierung grober Unfug war. Später wurden den Privatunternehmen, die Lieferverträge mit YPF hatten, Konzessionen vergeben, was bedeutet, dass sie das volle Bergbaurisiko und auch das Marktrisiko tragen, und eine Gebühr an die Regierung zahlen, die seit Jahren an die Provinzen geht. Und schließlich wurde YPF den anderen Unternehmen gleichgestellt, und muss sich auch um Konzessionen bewerben.
1993 wurde YPF privatisiert, eine Arbeit, die der damalige Präsident des Unternehmens, José Estenssoro, meisterhaft vollzog. Er hatte schon vor der Privatisierung die Belegschaft von 52.000 Personen auf 6.000 verringert, bei gleichzeitiger Produktionserhöhung. Diese Privatisierung, bei der YPF in eine AG umgewandelt wurde und das Kapital zerstreut wurde, war sehr erfolgreich: die Produktion von Erdöl und Gas stieg, die Reserven nahmen zu, und YPF wuchs und modernisierte sich. Die Belegschaft stieg dann auf etwa 10.000 Personen, was mit der Expansion und Übernahme petrochemischer Anlagen zusammenhängt. Später übernahm YPF die US-Firma Maxus, und wurde dabei international tätig. Es war jedoch eine Fehlinvestition, die YPF finanziell schwächte.
1998, nachdem Estenssoro schon 1995 bei einem Flugunfall umgekommen war, wurde YPF an die spanische Repsol verkauft, was völlig unverständlich war und danach nur Probleme geschaffen hat. Es fällt auf, dass im Parlament niemand protestiert hat, auch oppositionelle Abgeordnete und Senatoren nicht. Denn die Privatisierung, bei der das Unternehmen in argentinischen Händen bleibt, ist eine Sache, und der Verkauf an eine spanische Firma etwas ganz anderes. Wo ist der Nationalstolz der lokalen Politiker geblieben? Böse Zungen meinen, dass ein Schmiergeld von u$s 200 Mio. gezahlt worden sei, dass unter den Parlamentariern aufgeteilt wurde. Das wäre auf alle Fälle eine gute Erklärung für dieses Geschäft, das dem Land nichts gebracht hat.
Repsol merkte nach und nach, dass diese Übernahme ein schlechtes Geschäft war, da die Erdölwirtschaft in Argentinien ab 2001 keine internationalen Preise mehr genoss und das Unternehmen von politischen Entscheidungen abhing. Schließlich hat die Regierung von Cristina Kirchner 2012 ein Aktienpaket von Repsol übernommen, das 51% des Kapitals ausmacht und dem Staat somit die volle Entscheidungsgewalt überträgt. Der damalige Wirtschaftsminister Axel Kicillof, erklärte zunächst, Repsol habe keinen Anspruch auf Zahlung, weil Repsol das eingesetzte Kapital schon mit verschiedenen Manövern zurückgezogen habe. Doch danach einigte er sich mit Repsol auf eine Sofortzahlung von u$s 5 Mrd., zu der noch Schuldscheine hinzukamen. Wie dieser Wert ermittelt wurde, wurde nie erklärt. Denn Repsol hatte effektiv schon einen großen Teil des investierten Kapitals durch Ausschüttung von Bardividenden für den gesamten Gewinn, und auch durch Übertragung von Auslandsaktiven an Repsol zurückgezogen. Ebenfalls hat Repsol, das in Spanien nur den “downstream” betrieb (Raffinerien und Tankstellen) von YPF Technologie und Fachleute auf dem Gebiet des “upstreams” übernommen (Forschung, Förderung und Transport).
Es ist unerklärlich, dass der Staat 2012 nicht das gesamte Aktienpaket von Repsol und auch das Paket von 25% des Kapitals von Eskenazi übernommen hat. Sebastián Eskenazi, der Néstor Kirchner nahe gestanden hatte, hätte wohl unter Druck gesetzt werden können, so dass er die Aktien, die ihm in der Praxis geschenkt wurden, zurückgegeben hätte. Das hätte den bösen Prozess vermieden, der jetzt in New York läuft (Wir berichteten am 22.1.21).
Ohnehin ist eine Aktiengesellschaft wie diese, mit dem Staat als Mehrheitsaktionär, für private Aktionäre eine fragwürdige Anlage, weil das Unternehmen von politischen Entscheidungen abhängt, und das Interesse der Aktionäre bei Seite lässt. Für den Staat ist ein niedriger Preis von Benzin und Dieselöl wichtig, ebenfalls Investitionen, um die Produktion zu erhöhen, für das Unternehmen jedoch der Gewinn, und für die privaten Aktionäre die Dividende.
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