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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Das explosive Defizit der Staatsfinanzen

Von Juan E. Alemann

Das Defizit der Staatsfinanzen wird entweder mit Verschuldung oder mit Geldschöpfung gedeckt. Argentinien hat zunächst keine Möglichkeit der zusätzlichen Verschuldung. Der internationale Finanzmarkt ist für das Land gesperrt, und die internationalen Kreditanstalten (Weltbank, BID, Andenköperschaft und die chinesische Förderungsbank) erteilen keine Kredite, bis das Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds über die Umschuldung der u$s 45 Mrd. unterzeichnet ist. Somit kommen zum Defizit, das ohnehin schon besteht, Zahlungen von Amortisationen bestehender Kredite hinzu, was den Fall noch kritischer macht.

Das Wirtschaftsministerium weist stets darauf hin, dass das primäre Defizit in diesem Jahr eingedämmt wurde und im ganzen Jahr 2021geringer als 2020 ausfallen werde. Das ist möglich, aber gewiss nicht sicher. Doch außerdem müssen Zinsen hinzugezählt werden, die auch bezahlt werden müssen. Schließlich sei noch daran erinnert, dass bei dieser Rechnung der Abzug des Zentralbankgewinnes durch das Schatzamt als echte Einnahme gebucht wird, obwohl es sich um einen reinen Buchgewinn handelt, der sich bei der Abwertung ergibt, die den Pesobetrag der ZB-Reserven entsprechend in die Höhe treibt. Tatsache ist, dass die ZB die Überweisung des Gewinnes mit Geldschöpfung finanziert.

Bei der Finanzierung durch Leliq hat die ZB diese Titel zunehmend bei den Banken untergebracht, und ihnen erlaubt, den größten Teil als Pflichtreserven zu buchen. Das stellt eine Zwangszeichnung staatlicher Papiere durch die Banken dar. Sofern die Banken die Pflichtreserven dafür einsetzen, entsteht indirekt eine monetäre Expansion. Aber wenn die Banken zur Zeichnung der Leliq durch hohe Zinsen verleitet werden, die auch zum ZB-Defizit hinzukommen, dann wirkt sich dies einmal allgemein auf den Zinssatz aus, aber außerdem verringert sich dabei der Betrag, der den Banken für Kredite an den privaten Bereich zur Verfügung steht. Das hat schon dazu geführt, dass der gesamte Bankkredit auf ca. 8% des BIP gesunken ist, während es mindestens 50% sein sollten, wie er bei vergleichbaren Ländern der Fall ist, und es auch in Argentinien in früheren Zeiten, als das Land eine stabile Währung hatte, war. Dieser geringe Umfang der Bankkredite wirkt störend auf die Wirtschaft, wobei viele Unternehmen sich gezwungen sehen, auf den Wucherkredit überzugehen, um ihr Arbeitskapital zu finanzieren. Dieser Kredit, zu Zinsen von über 100%, dürfte einen Umfang haben, der über dem Bankkredit liegt. Das hat außerdem eine inflationäre Wirkung: die Kleinunternehmen, die sich auf diese Weise finanzieren, sehen sich gezwungen, diese Wucherzinsen auf die Preise abzuwälzen.

Der Ökonom Roberto Cachanosky addiert zum Defizit, den das Schatzamt ausweist noch den der Zentralbank hinzu, und weist darauf hin, dass der IWF bisher Defizite der Zentralbanken nicht zum Defizit des Schatzamtes addiert habe, aber jetzt seine Meinung geändert habe, nachdem dieses Defizit das gleiche Finanzierungsproblem stellt. Das Schatzamt finanziert sich über Schatzscheine verschiedener Art, und die ZB über Leliq und passive Swaps. Der Unterschied ist nur formell.

Cachanosky gelangt bei seiner Rechnung auf ein Gesamtdefizit von 11% des Bruttoinlandsproduktes. Wir kommen auf irgendwo zwischen 12% und 15%, einmal weil Cachanosky die Abhebung des ZB-Gewinnes nicht als Verschuldung, also Defizitfinanzierung, betrachtet. Und dann kommen noch verkappte Defizite hinzu, wie das von CAMMESA, dem Betreiber des Stromverteilungssystems, dem das Schatzamt viel Geld schuldet, das CAMMESA zum großen Teil den Betreibern von Kraftwerken und des Stromvertriebes schuldet. Schließlich kommen noch kurzfristige Staatsschulden an Lieferanten u.a. hinzu, die in letzter Zeit gestiegen sind. Zumindest die Zunahme sollte dem Defizit hinzugefügt werden. Und nicht zuletzt kommt ein potentielles Defizit hinzu, jedes Mal wenn Argentinien beim Weltbankschiedsgericht ICSID oder der US-Justiz einen Prozess verliert und zur Zahlung eines relativ hohen Betrages verurteilt wird.

Schließlich muss man noch Provinzdefizite hinzurechnen, denn die Gliedstaaten sind im Wesen nur Teile des argentinischen Staates als Gesamtheit. Sofern der Bundesstaat die Defizite der Provinzen finanziert, kommt dieses Defizit in dem nationalen zum Ausdruck. Doch wenn die Provinzen Titel ausgeben und sich auf diese Weise verschulden, dann muss man diese Verschuldung zu der nationalen hinzuzählen. Die Provinzen haben keine Möglichkeit der Geldschöpfung. Doch 2002 hatten sie einen Trick erfunden, der der Geldschöpfung ähnlich war: die Ausgabe kurzfristiger übertragbarer provinzieller Titel. Das hat den Provinzregierungen erlaubt, Titel lokal unterzubringen. Gelegentlich wurden dann all diese Titel ausgezahlt und das System nicht weiter zugelassen. Es ist gewiss nicht ausgeschlossen, dass es wiederkommt. In der Not frisst der Teufel Fliegen.

Diese Lage ist explosiv, abgesehen davon, dass sie die konjunkturelle Erholung hemmt. Bei der zunehmenden Geldschöpfung ist eine Stabilisierung unmöglich, und auch eine Verringerung der Inflationsrate sehr schwierig. Das nimmt ein böses Ende, lies Hyperinflation.

Der IWF weiß all das, was wir hier aufführen, viel besser als wir. Er lässt sich durch die kreative Buchhaltung des Staates und den Täuschungsmanövern der verantwortlichen Regierungsbeamten nichts vormachen. Die einzige Lösung besteht in einer drastischen Senkung der Staatsausgaben. Wenn keine konkreten Sparmaßnahmen durchgeführt werden, wird der Fall schließlich durch Hyperinflation gelöst, bei der Gehälter im öffentlichen Bereich, so wie Pensionen und Renten real drastisch sinken. Das wäre auf Dauer jedoch nicht haltbar, so dass dabei die konkreten Ausgabensenkungen nur hinausgeschoben werden.

Unter den aufgeführten Umständen kann das Abkommen mit dem IWF nicht bis Ende März warten, wie es angeblich vorgesehen ist. Es muss spätestens im Dezember 2021 abgeschlossen werden, wobei auch konkrete Sparmaßnahmen sofort getroffen werden müssen, damit das Abkommen glaubhaft ist und nicht kurzfristig platzt. Das bedeutet, dass schon jetzt intensiv an einem Sparprogramm gearbeitet werden muss. Die Beamten der Budgetabteilung des Schatzamtes wissen besser als wir, wo und wie gespart werden kann. Auch wenn keine Nullbudgetmethodologie angewendet wird, müssen deren Prinzipien angewendet werden, was bedeutet, dass die Ausgaben sorgfältig durchkämmt werden, und Sparmöglichkeiten aufgedeckt und durchgeführt werden. Und das muss den vollen politischen Rückhalt des Präsidenten haben.


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