Von Juan E. Alemann
Bei der Förderung von Erdöl und Gas steht Argentinien vor einer eigenartigen Situation: während die traditionellen Lager sich erschöpfen und eine abnehmende Produktion ergeben, nimmt die Förderung im Gebiet von Vaca Muerta stark zu. Doch hier handelt es sich um sogenanntes “Shale-Oil und Gas”, das mit dem Gestein verbunden ist und 3.000 Meter tief liegt, so dass unterirdische kontrollierte Explosionen notwendig sind, um Öl und Gas freizusetzen. Die Technologie für dies ist bekannt, so dass dies technisch kein Problem darstellt. Aber die Produktionskosten sind dabei wesentlich höher als bei traditionellen Vorkommen.
Die zunehmende Beteiligung von Vaca Muerta an der landesweiten Förderung von Erdöl und Gas treibt deren durchschnittliche realen Kosten in die Höhe, was bedeutet, dass entweder Benzin, Dieselöl, Kerosin und Schmierstoffe real teurer werden, also die Preise über dem allgemeinen Niveau zunehmen, oder der Staat die Steuern auf diese Produkte senkt und dabei Einnahmen verliert. Die Brennstoffsteuern sind in Argentinien viel höher als in anderen Ländern. In den USA gibt es keine Benzinsteuer.
Abgesehen vom Kostenproblem, sind auch die Investitionen bei Shale-Oil & Gas viel höher als bei konventionellen Lagern. Allerdings muss man dabei die konventionellen Lager ausnehmen, die 4.000 Meter und mehr tief liegen, und auch die Lager auf dem Meeresgrund. Das bedeutet, dass auch bei der konventionellen Förderung von Erdöl und -gas eine reale Erhöhung der Kosten und Investitionen eintritt, wenn man auf die Ausbeutung dieser Lager übergeht.
Die Erdölproduktion erreichte 1998 einen Rekordstand von 830.000 Barrel täglich, 40% über der gegenwärtigen Förderung. 2004 erreichte die Gasförderung einen Rekord von 145 Mio. Cbm täglich, 10% mehr als jetzt. In Vaca Muerta werden gegenwärtig ca. 200.000 Barrel Erdöl pro Tag gefördert, fast 40% der gesamten Erdölförderung des Landes. Beim Gas lag die Förderung in Vaca Muerta im August um 31% über dem gleichen Vorjahresmonat, während die landesweite Gasförderung in dieser Periode nur um 7,9% zunahm, was bedeutet, dass die Förderung in konventionellen Lagern abgenommen hat.
In der Periode mit mildem Klima, von Oktober bis April, besteht Überschuss an Gas, und eventuell auch an Erdöl. Das stellt kein Problem dar, da Gas nach Chile exportiert werden kann. Eine Gasleitung zu diesem Zweck wurde schon in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts gelegt. Unter der Macri-Regierung wurde auch ein Schiff verpflichtet, das das Gas in Flüssiggas verwandelt, so dass es in diesem Zustand nach Brasilien u.a. Ländern exportiert werden kann. Das Schiff ist jetzt nicht mehr da, und soll auch nicht wieder verpflichtet werden, angeblich weil dieser Export ein Verlustgeschäft ist.
Aber in der Periode mit kaltem Klima, von Mai bis September, wenn der interne Gaskonsum stark zunimmt, reicht die gegenwärtige Produktion nicht aus, wobei auch der Gasimport aus Bolivien die Lücke nicht deckt, sofern er nicht erhöht wird. Es müsste somit wieder verflüssigtes Gas per Schiff importiert werden, das viel teurer ist, wobei für 2022 mit einem Preissprung gerechnet wird, nachdem die Frachttarife für den Überseeverkehr allgemein stark gestiegen sind. Angesichts dieser Aussicht will die Regierung die Förderung von Erdöl und Gas in Vaca Muerta weiter fördern, was im Wesen bedeutet, dass den Produzenten ein hoher Preis (höher als jetzt, auch in Dollar) gesichert wird, und ihnen steuerliche Vorteile gewährt werden, wie es im Gesetzesprojekt vorgesehen ist, das die Regierung unlängst im Kongress eingebracht hat. Was die Gaswirtschaft betrifft, so müssen noch Gasleitungen gelegt werden, um bestehende Engpässe zu überwinden. Das erhöht den Investitionsbedarf.
Zu der ohnehin schon komplexen Problematik der Erdöl- und Gaswirtschaft kommt jetzt noch die Verpflichtung hinzu, die auch Argentinien eingegangen ist, die Emission von Treibhausgasen (CO2) etappenweise stark zu verringern. Das läuft auf einen geringeren Konsum von Erdöl und Gas hinaus, besonders weil Kraftwerke, die Gas und Erdöl verbrennen, durch sogenannte “saubere” Anlagen ersetzt werden.
In Argentinien besteht noch die Möglichkeit, mehrere große Wasserkraftwerke zu errichten, zu denen viele kleine hinzukommen. Doch grundsätzlich handelt es sich jetzt um Wind- und Sonnenanlagen. Argentinien hat auch hier Expansionsmöglichkeiten wie kein anderes Land der Welt. Denn in Patagonien weht stets ein starker Wind, besonders in bestimmten sogenannten Windkorridoren. In anderen Gegenden scheint die Sonne das ganze Jahr sehr stark, so dass immer mehr Solaranlagen errichtet werden, zum Teil auf den Dächern der Häuser. Es verbleibt noch die Frage der Kernkraftwerke, die gelegentlich als solche beanstandet werden, aber keine schädliche Wirkung auf die Umwelt haben. Aber die Investition pro KW ist dabei sehr hoch. Kernkraftwerke sind in den letzten Jahrzehnten real teurer, aber auch viel sicherer geworden. Der Unfall in Tschernobyl (1986) war ein Wendepunkt, denn er trat nur ein, weil das Kraftwerk schlecht gebaut war. Und der Unfall in Fukushima, Japan, hat gezeigt, dass man keine Kernkraftwerke in Erdbebengebiete errichten soll.
Das Energieproblem läuft auf alle Fälle auf einen hohen Investitionsbedarf und höhere reale Kosten hinaus, und das stellt die Regierung vor ein kompliziertes Problem, zumal der Stromtarif gegenwärtig nur einen Bruchteil der Kosten deckt, und dies in Zukunft noch dramatischer wird. Dabei stellt sich auch die Frage, ob es vernünftig ist, weiter so viel in die Förderung von Erdöl und Gas zu investieren, das in Zukunft weniger verwendet wird.
Um die notwendigen Energieinvestitionen finanzieren zu können, muss Argentinien den internationalen Kapital- und Kreditmarkt beanspruchen. Das setzt an erster Stelle die baldige Regelung der Schuld mit dem IWF voraus. Und dann muss man an Kredite denken, die Windkraftanlagen, Sonnenanlagen, Wasserkraftwerke und Atomkraftwerke finanzieren. Ohne dies geht die Rechnung finanziell nicht auf.
Commentaires