Von Juan E. Alemann
Kabinettschef Santiago Cafiero hat begonnen, das Gesetzesprojekt über den Staatshaushalt für das Jahr 2021 auszuarbeiten, und zu diesem Zweck hat er schon ein erstes Gespräch mit Wirtschaftsminister Martín Guzmán, Schatzsekretär Raul Rigo, seiner Staatssekretärin Cecilia Todesca u.a. aufgenommen. Laut Gesetz muss die Regierung das Projekt vor dem 15. September dieses Jahres im Kongress einreichen, was ihm über zwei Monate gibt, was in der gegenwärtigen Situation nicht viel ist. Denn es handelt sich dieses Mal nicht um die übliche Routinearbeit, sondern um grundsätzliche Entscheidungen, die die Staatsstruktur betreffen. Man kann davon ausgehen, dass die Budgetabteilung des Schatzamtes schon Vorarbeit geleistet hat, so dass für den Kabinettschef selber, und selbstverständlich auch für den Präsidenten, nur die politischen Entscheidungen verbleiben.
Die Regierung hat dem Kongress schon eine Denkschrift von 50 Seiten übergeben, in dem sie sich auf die Wirtschaftspolitik für 2021 bezieht. Dabei wird mit einer Kritik an der Macri-Regierung begonnen, und danach auf allerlei Gemeinplätze übergegangen: Konsolidierung eines Modells der wirtschaftlichen Entwicklung, das inklusiv und dauerhaft sei; Förderung eines strukturellen Wandels, bei dem die Produktionsmatrix und die Schaffung von Mehrwert geändert werden; Erhöhung der Beschäftigung, Förderung des Einschlusses und Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten. Von Inflation, Wachstumsprognose, Staatsfinanzen, Defizit und Geldschöpfung ist überhaupt nicht die Rede. Die Verfasser dieses Schreibens schweben in den Wolken.
Für das Jahr 2020 gibt es kein Haushaltsgesetz, so dass auf der Basis des Gesetzes von 2019 gearbeitet wird. Doch abgesehen davon, dass wie üblich eine viel höhere Inflation eingetreten ist, als die, mit der das Budget berechnet wurde, hat die Regierung von Alberto Fernández einmal eine sehr expansive (und teure) Sozialpolitik eingeleitet, und dann ist die Pandemie hinzugekommen, die alles über den Haufen geworfen hat. Schließlich muss noch die Umschuldungsverhandlung abgeschlossen werden, um über Zahlen über Schuldenamortisation und Zinsen zu verfügen.
Somit wird im staatlichen Bereich ausgegeben, was notwendig ist, und formell wird dies dann durch Notstandsdekret legalisiert. Das wurde von der Opposition beanstandet, die darauf hinwies, dass die Macri-Regierung schon termingemäß ein Budget für 2020 vorgelegt habe, das im Kongress nicht behandelt worden sei, wobei in sechs Monaten gewiss auf dieser Basis ein neues Projekt hätte eingereicht werden können, was die Regierung versäumt hat. Indessen ist es für die Regierung in dieser tiefen Krise, die die Wirtschaft grundsätzlich verändert hat, einfacher, auszugeben was man als notwendig hält, ohne an eine Grenze gebunden zu sein.
Das Budget 2021 stellt ein gigantisches Problem, und es ist gut, dass man sich jetzt schon überlegt, wie man es bewältigt. Dieses Jahr schließt der Staat mit einem hohen Defizit: etwa 7 Punkte des BIP beim primären Defizit, und dann noch nahe an die 10%, wenn man Zinsen hinzuzählt. Als Ausnahme kann man dies hinnehmen; aber 2021 muss das Defizit spürbar verringert werden, und das ist alles andere als einfach. Denn einmal werden die Steuereinnahmen auch nächstes Jahr unter der tiefen Rezession leiden, die dieses Jahr eingetreten ist, und dann kann (und will) die Regierung die neuen Sozialausgaben nicht rückgängig machen.
Das Budget 2021 steht unter dem Zwang einer drastischen Ausgabenverringerung. Das ist sehr schwierig, und endet erfahrungsgemäß mit einer realen Abnahme der Beamtengehälter. Rein technisch sollte als erstes ein indexiertes Budget aufgestellt werden, also mit Werten vom letzten Quartal 2020, und einer Berichtigung gemäß dem Index der Konsumentenpreise alle drei Monate. Dann könnte man bei den einzelnen Bereichen die Ausgaben wirklich drücken, während es mit dem bestehenden System so ist, dass die Verantwortlichen eine Inflation einberechnen, die auf alle Fälle sehr hoch ist, wenn möglich sogar höher, als sie effektiv ausfällt. Und dabei verliert man bei der Analyse der einzelnen Ausgabenposten die Möglichkeit einer objektiven Beurteilung.
Darüber hinaus besteht die einzige Möglichkeit der Verringerung der Staatsausgaben in der Anwendung der Nullbudgetierung, die darin besteht, dass man nicht wie traditionell von den Ausgaben des Vorjahres ausgeht (und dabei unnötige Ausgaben wiederholt), sondern die Ausgaben in jedem Einzelbereich von Null an neu aufbaut. Die Technologie für dies, die in den USA entwickelt, aber nur ausnahmsweise angewendet wurde, auch in Spanien in Ausnahmefällen, ist sehr komplex und erfordert die Mitwirkung von Fachleuten, die einmal in Argentinien nicht vorhanden sind, und dann von der Bürokratie abgelehnt werden. Doch was man in der Praxis tun kann, ist eine Anwendung dieser Methodologie, ohne es zu sagen. Das heißt, man muss die Ausgaben in jedem Einzelbereich durchkämmen, und überflüssige Ausgaben, die überall sofort aufkommen, streichen. Dabei sollten Kenner der Materie mitwirken, eventuell erfahrene Beamten der Budgetabteilung, die sich in Ruhestand befinden, und auch private Wirtschaftler, die sich mit dem Thema befasst haben.
In einigen konkreten Fällen müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden, an erster Stelle beim Kohlenbergwerk Río Turbio, in der Provinz Santa Cruz, das eine minderwertige Kohle erzeugt, die nur mit hohem Verlust verkauft werden kann, und außerdem hohe Investitionen erfordert, um überhaupt produktionsfähig zu sein. Das Werk muss geschlossen und die Arbeiter entlassen und entschädigt werden. Schluss damit.
Schließlich müssen Staatsinvestitionen stark beschränkt werden. Es wäre methodologisch positiv, wenn man die Investitionen von den laufenden Ausgaben trennen und dann versuchen würde so viele davon wie möglich mit Krediten internationaler Finanzanstalten zu finanzieren, eventuell auch mit Bankkrediten für Lieferanten der Kapitalgüter, die in den einzelnen Projekten eingesetzt werden. Dabei sollte die in Deutschland bestehende Regel eingeführt werden, dass das Defizit des Staatshaushaltes den für Investitionen bestimmten Betrag nicht übersteigen darf.
Das finanzielle Schlamassel von 2020 kann eventuell mit Geldschöpfung finanziert werden, ohne dabei die Inflation stark in die Höhe zu treiben. Doch 2021 lässt sich das kaum wiederholen. Ohne Zugang zum internationalen Finanzmarkt (abgesehen von den genannten Krediten) und ohne die Möglichkeit, weiter in so hohem Umfang zur Geldschöpfung zu greifen wie dieses Jahr, stellt das Budget 2021 die Regierung vor eine Aufgabe, die enorm schwierig aber unumgänglich ist. Sonst kommt es zu einer Krise, die schlimmer als all vorangehenden sein könnte.
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