Von Juan E. Alemann
In der Vorwoche wurden der ehemalige Präsident Carlos Menem (1989-99) und sein Wirtschaftsminister Domingo Cavallo (1991-96) von einem Gericht zu Strafen von über drei Jahren verurteilt, weil sie im Dezember 1991 das große Gelände im Stadtteil Palermo, bei der Plaza Italia, angeblich zu einem Schleuderpreis und ohne legale Grundlage an den landwirtschaftlichen Verband “Sociedad Rural Argentina” verkauft hatten. Es ist ein erstaunliches Urteil, nicht nur weil es über 27 Jahre nach dem angeblich strafbaren Tatbestand kommt, sondern weil es grundsätzlich falsch begründet ist. Menem und Cavallo werden jetzt Berufung einlegen.
Fangen wir von vorne an. Der traditionelle landwirtschaftliche Verband “Sociedad Rural Argentina” (SRA) hatte bis 1991 eine Konzession für dieses Gelände, war also Mieter und nicht Besitzer. Dort wurde seit Jahrzehnten die jährliche landwirtschaftliche Ausstellung durchgeführt, dessen Kern die Auktionen von Stieren der einzelnen Rassen war. Nach und nach kamen dann auch die anderen Bereiche der Landwirtschaft hinzu und ganz besonders die Industrie der landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte.
Die SRA wurde 1866 gegründet, und befasste sich zunächst darum, die britischen Rinderrassen, also Shorton, Hereford und Aberdeen Angus, einzuführen. Die lokalen Rinder, die von denen stammten, die die Spanier nach Argentinien brachten, waren stark verwildert. Es waren hohe und starke Tiere, mit großen Hörnern, die jedoch bezüglich Fleischproduktion wenig ergiebig waren. Die britischen Rassen hingegen kennzeichnen sich durch eine schnelle und hohe Gewichtszunahme und qualitativ hochwertiges Fleisch. Die SRA hat sich somit um den technologischen Fortschritt der Rinderzucht gekümmert, und war dabei sehr erfolgreich.
Der Verband bestand ursprünglich weitgehend aus Großgrundbesitzern, weshalb er als Vertretung der lokalen Aristokratie galt, die Perón “Oligarchie” nannte. Inzwischen hat sich der Landbesitz stark aufgeteilt und viele neue Besitzer sind aufgekommen. Die alten Großgrundbesitzer sind fast alle verschwunden. Die US-Zeitschrift “Forbes” schließt in ihre Liste der reichsten Argentinier keinen einzigen ein. Das hat sich auch auf die SRA ausgewirkt.
Zurück zum Gelände in Palermo. Da die SRA nicht Besitzer war, konnte sie auch nicht investieren, wie es notwendig war. Nach dem Kauf wurde das Gelände mit großen Räumen bebaut, die allerlei Ausstellungen beherbergen. Während früher nur die jährliche landwirtschaftliche Ausstellung stattfand, eventuell noch irgend eine andere, finden jetzt sehr viele Ausstellungen statt. Die landwirtschaftliche dauert etwa einen Monat. Hinzu kommen dann die Buchmesse, die Automobilausstellung und viele andere.
Als das Gelände im Zuge der Privatisierungspolitik von Menem verkauft wurde, wurde bestimmt, dass es nur für Ausstellungen eingesetzt werden könne. Das erklärt den Preis von u$s 30 Mio., der damals gezahlt wurde. Die u$s 130 Mio, die das Grundstück jetzt laut Urteil wert gewesen sein soll, ergeben sich nur bei freier Verwendung des Bodens, also grundsätzlich für Hochhäuser. Es war jedoch eine weise Entscheidung, die Stadt dort nicht weiter zu verbauen und ein Ausstellungsgelände zu schaffen. Das war eine politische Entscheidung, die als solche nicht anfechtbar ist. Die Bewertung erfolgte damals durch das staatliche Amt, das sich mit Immobilienbewertungen befasst.
Die SRA, die schließlich ein Verband ohne Vermögen ist, war auch bei den 30 Millionen Dollar finanziell überfordert, so dass sie einen Partner aufnehmen musste, der auch einen Teil der Zahlung übernahm. Deshalb heißt das Gelände “La Rural” und nicht “Sociedad Rural Argentina”.
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