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Cristina Kirchner gibt Alberto Fernández eine Chance

Von Juan E. Alemann

Der lange Brief der Vizepräsidentin Cristina Kirchner, in dem sie Stellung zur kritischen Lage bezieht, hat begreiflicherweise großes Aufsehen erregt. Grundsätzlich handelt es sich darum, dass die argentinische Wirtschaft eine besonders tiefe Krise durchmacht, für die sie keine Verantwortung übernehmen will. Deshalb betont sie, dass der Präsident regiert und voll entscheidet, und nicht sie. Objektiv stimmt dies nicht. Sie hat nicht nur unzählige Entscheidungen der Regierung durchgesetzt, bei denen Präsident Alberto Fernández nur gehorsam mitwirkte, sondern sie überschattet die Regierung ideologisch, wie es in letzter Zeit besonders deutlich in den Landbesetzungen zum Ausdruck gekommen ist, die die Regierung unterschwellig unterstützt hat. Ob sich dies jetzt ändert, wird sich noch zeigen müssen.

Die bestehende Vertrauenskrise, die in den Mittelpunkt der Krise gestellt wird, beruht im Wesen darauf, dass man dieser Regierung nicht traut, weil sie sich nicht energisch für die Verfassung und das marktwirtschaftliche System ausspricht. Der lange Schatten von Venezuela wirkt auch auf Argentinien. Chávez und Maduro wollten die Krise, die dort besteht, bestimmt nicht, aber sie haben sie mit Verstaatlichungen am laufenden Band, einer irrationalen Wirtschaftspolitik und einer unternehmerfeindlichen Haltung herbeigeführt. Die kubanische Revolution geschah auf einmal, die venezolanische schrittweise, und in Argentinien vermittelt die Regierung den Eindruck, dass es in kleineren Schritten, aber in die gleiche Richtung geht. Doch für Cristina besteht die Schuld an der Krise bei Macri und dem Antiperonismus, was eine Phantasie ist, die jedoch von der Erkenntnis des Problems ablenkt, und somit die Lösung erschwert, eventuell sogar unmöglich macht. Cristina hat die Krise politisiert und, wie üblich, als eine Schuldfrage aufgefasst. Schlimm!

Dass sie jetzt Präsident Fernández die volle Verantwortung übertragen hat, bedeutet, dass sie ihn zum Sündenbock gemacht hat. Die politische Verantwortung für den Zusammenbruch, den sie voraussieht, soll er und nicht sie tragen. Das könnte auch bedeuten, dass die tiefe Krise AF zwingt, zurückzutreten, und sie dann die Präsidentschaft übernimmt. Denn bei der bisher bestehenden Lage, besteht für sie die Gefahr, dass die Krise auch sie in den Abgrund reißt und es zu einer Regierung wie 2002/02 kommt, in der das Parlament einen Präsidenten wählt (damals entfiel die Wahl auf Eduardo Duhalde), der sich bemüht die verfahrene Lage einzurenken, und dann Wahlen einberuft. In früheren Zeiten hätten die Militärs die Macht übernommen. Doch das ist jetzt nicht möglich, da die Streitkräfte ein Schattendasein führen und sich hüten werden, die Verantwortung für eine so tiefe Krise zu übernehmen, deren Überwindung harte Maßnahmen erfordert. Cristina hat jetzt mit Alberto das gleiche getan, was dieser mit Wirtschaftsminister Guzmán verfügt hat, dem er die volle Verantwortung für die wirtschaftspolitischen Entscheidungen übertragen hat, und ihn somit auch zum Sündenbock gemacht hat.

Doch der Präsident hätte jetzt theoretisch eine Chance, um die verfahrene Lage einzurenken. Er müsste effektiv und nicht nur formell die volle Macht übernehmen, was bedeutet, dass er sich als erstes unmissverständlich für die Verfassung einsetzen und kategorisch gegen die Landbesetzungen Stellung beziehen muss. Dann muss er auf wirtschaftspolitischem Gebiet vernünftig handeln und verstehen, dass er die Privatunternehmen unterstützen und nicht behindern muss. Einige wenige klare Signale in dieser Richtung dürften schon eine große Wirkung haben. Cristina sagte u.a., dass einige hohe Beamte, also Minister und Staatssekretäre nicht taugen. Das könnte AF beim Schopf fassen, um einige, die Cristina faktisch ernannt hat, zu entlassen, wie zum Beispiel die Sicherheitsministerin Sabina Frederic, die von Sicherheit keine Ahnung hat und ideologisch falsch liegt. Auch die hohen Beamten, die bei der Besetzung des Landbetriebens von Etchevehere mitgemacht haben, müssten sofort entlassen werden.

Cristina weist in ihrem Brief auch auf das Problem auf dem Devisenmarkt hin. Sie erkennt klar, dass die Lage mit einem Schwarzkurs, der über doppelt so hoch wie der offizielle liegt, schwerwiegende Probleme schafft und unhaltbar ist. Sie erkennt, das Argentinien faktisch ein bimonetäres System hat, und das ist schon ein gedanklicher Fortschritt. Denn Präsident Fernández und Wirtschaftsminister Guzmán haben dies noch nicht verstanden, und bestehen darauf, den Schwarzkurs zu ignorieren, oder die Händler mit der Polizei zu verfolgen, in Erwartung, dass er sinkt und dann Bedeutung verliert.

Doch Cristina weiß auch nicht, was man konkret tun sollte. Und in diesem Sinn schlägt sie ein soziales Abkommen vor, an dem Gewerkschafter, Unternehmer, auch Medien u.a. beteiligt sind, die dann vorschlagen sollen, was zu tun ist. In der Tat würde die Einberufung von Vertretern dieser sozialen Gruppen nur eine große Diskussion herbeiführen, bei der allerlei Gemeinplätze geäußert werden und viel um den heißen Brei geredet, aber nichts Konkretes empfohlen wird. Die Regierung muss einen gut ausgearbeiteten Vorschlag machen (etwa wie wir ihn an dieser Stelle vor einem Monat gemacht haben), und ihn dann vorlegen, wobei die einzelnen Gruppen jedoch schon bevor sie ihre Arbeit aufnehmen, unter Druck gestellt werden müssen. Perón machte es schließlich auch so: er ließ alle sprechen und sagte schließlich, man habe sich geeinigt. Also seinem Vorschlag zugestimmt. Dieses System wird allgemein weitgehend verwendet.

Die einzige Lösung für eine bimonetäre Wirtschaft wie die argentinische, besteht einmal in der Legalisierung des freien Kurses, dann in der Zulassung des Dollar als Währung, nicht nur für Fristdepositen, sondern auch für Girodepositen und Kredite für interne Geschäfte. Das muss von gezielten Weißwaschungen begleitet werden, damit die schwarzen Dollarbestände auf den weißen Kreislauf übergehen. Dabei kann man auch erreichen, dass der freie Kurs nur um 20% bis 30% über dem offiziellen liegt, womit ein großer Teil der Probleme verschwinden, die gegenwärtig bestehen. Die Regierung hat das Thema jedoch offensichtlich nicht verstanden; denn beim Gesetzesprojekt über Förderung der Bauwirtschaft sollen Weißwaschungen mit bis zu 25% besteuert werden. Das würde sie beschränken und dem Sinn derselben widersprechen.

Minister Guzmán hat eine kleinliche Mentalität. So wie er bei der Senkung der Exportsteuer auf Sojabohne zu wenig geboten hat, dass die Maßnahme keine Wirkung hatte, will er es jetzt auch bei der Weißwaschung für die Bauwirtschaft machen. Die Wende zu einer neuen Wirtschaftspolitik, mit der die Krise überwunden werden kann, erfordert klare Maßnahmen, die die Wirtschaftswelt veranlasst, entsprechend zu handeln. Bei den Exportzöllen müsste zunächst das Prinzip gelten, dass für alle Arten von Getreide und Ölsaat der gleiche Zollsatz gilt, damit der Landwirt entscheidet, was ihm konveniert, was dann auch das sein würde, was dem Land am meisten Devisen einbringt. Und Weißwaschungen müssen großzügig sein.

Präsident Alberto Fernández hat jetzt eine letzte Chance, die Lage einzurenken. Er muss die Äußerung von Cristina, dass er und nur er entscheidet, wörtlich auffassen, und Cristina stets daran erinnern, wenn sie versucht, doch zu entscheiden. Denn sie wird dies nicht lassen können, einmal, weil es in ihrer Natur liegt, dann weil sie eine große effektive Macht hat, die nicht so sehr auf der hohen Zahl von Wählern beruht, die sie unterstützen, wie auf dem vielen Geld, über das sei frei verfügt, das sie ständig für Politik einsetzt, und schließlich, weil die Ideologen, die sie politisch begleiten, ihr dumme Gedanken in den Kopf setzen und sich mit Händen und Füssen gegen das Konzept wehren, auf dem die neue Wirtschaftspolitik fußen muss. Für Fernández ist es eine Frage der Überzeugung und des Charakters. Wenn er selber nicht von der vollen Geltung des Eigentumsrechts, von den Grundprinzipien der Marktwirtschaft und einem entsprechenden Staatskonzept überzeugt ist, kann er auch keine Politik durchführen, mit der die Krise überwunden wird.

Eine weitere Frage, die in diesem Zusammenhang aufkommt, bezieht sich auf die Menschen, die für diese neue Wirtschaftspolitik verantwortlich sein sollen. Dass Guzmán, Pesce u.a. nicht weitermachen, wird allgemein als selbstverständlich angenommen. Aber wer kommt an ihre Stelle? Menem hat dieses Problem seinerzeit mit Cavallo gelöst, der seine Mitarbeiter in der Mediterranea-Stiftung, die er leitete, mit in die Regierung genommen hat, und sich als Minister von Format entpuppte. Jetzt steht nichts dergleichen in Aussicht.

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