Von Juan E. Alemann
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Argentinien und China sind in den letzten Jahren enger geworden. Es fehlt nur wenig, damit China auch den Mercosur als wichtigsten Handelspartner verdrängt. In den ersten acht Monaten 2020 lag China bei den argentinischen Exporten mit u$s 4,02 Mrd. an zweiter Stelle nach dem Mercosur mit u$s 5,95 Mrd., und bei den Importen waren es u$s 5,05 Mrd., gegen fast u$s 7 Mrd. Doch die steigende Tendenz deutet darauf hin, dass China bald an erster Stelle liegen dürfte. Und das ist kein Zufall. Im August hatte China schon einen Anteil von 12,2% an den Exporten und 21,1% an den Importen.
Die Regierung will diese Tendenz auch auch dazu einsetzten, um die Bedeutung des Dollars bei Außenhandelsgeschäften zu verringern, indem Importe aus China direkt in Yuan bezahlt werden, ohne über den Dollar zu gehen. Dabei werden auch Bankprovisionen gespart. Das Swap-Abkommen mit China erleichtert dies. Im Rahmen der Ankündigungen vom Donnerstag der Vorwoche hat die ZB angekündigt, dass der Devisenterminmarkt MAE (Mercado Abierto Eletrónicos) auch Termingeschäfte in Yuan durchführen werde, bei denen auch die Möglichkeit bestehen soll, die Mittel des Swap-Abkommens einzusetzen, um diesen Markt zu regulieren. Das hat eine indirekte Wirkung auf den Dollarterminmarkt.
Sojabohne, und auch Sojaöl und Sojamehl, sind die wichtigsten Exportprodukte des Landes. Dies geschah erst ab 1995, als die genetisch veränderte Sojabohne zugelassen wurde, die gegenüber dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat resistent ist. Das Problem der Sojabohne besteht darin, dass die Pflanze schlecht gegen das Unkraut konkurriert, das gleichzeitig auf den Feldern wächst. Die Vernichtung des Unkrauts mit traditionellen Mitteln ist mühselig und teuer. Dieses Problem wurde mit dem Glyphosat gelöst, dessen Einsatz die Kosten stark gesenkt hat und somit den Sojaanbau sehr rentabel gemacht hat, was wiederum zu einer starken Expansion des Anbaus geführt hat. Gleichzeitig wurde die genetisch veränderte Sojabohne entwickelt, die gegen Glyphosat resistent ist. Die Rentabilität ist dadurch so stark gestiegen, dass die Sojabohne zumindest in der zentralen Pampa-Gegend einen Exportzoll von 33% verträgt, mehr als doppelt so viel wie der, der für andere Kulturen gilt. Würde der Exportzoll von Sojabohne, dem von Weizen und Mais angeglichen, dann würde noch mehr Sojabohne gesät, besonders in Grenzgebieten, wo die Erträge niedriger sind und das Klima instabiler ist. Da diese Differenzierung der Exportzölle wirtschaftlicher Unfug ist, weil sie falsche Signale setzt, kann man davon ausgehen, dass dies gelegentlich korrigiert wird. Argentinien konveniert es, den landwirtschaftlichen Boden für das einzusetzen, das am meisten Exportdollar schafft. Damit die Landwirte in diesem Sinn handeln, darf es keine Diskriminierung unter den einzelnen Kulturen geben. Mit einer noch größeren Produktion von Sojabohne würde auch die Bedeutung von China als Handelspartner steigen.
China importiert große Mengen Sojabohne, und auch Sojaöl und Sojamehl, als Futter für den hohen Schweinebestand, der nach der Pest, die vor einigen Jahren auftrat, stark gesunken war und jetzt wieder aufgebaut wird. Ebenfalls wird Sojabohne als menschliche Nahrung eingesetzt, zum Teil als Speiseöl und zum Teil als Sojamehl, das zu einem normalen Nahrungsmittel verarbeitet wird. China kauft Sojabohne von Brasilien, den USA und Argentinien. China hat den wirtschaftlichen Einbruch überwunden, den das Covid-19 herbeigeführt hat, und wächst wieder, was auch höhere Käufe von Sojabohne in Aussicht stellt.
Aber China importiert auch andere landwirtschaftliche Produkte aus Argentinien in großen und zunehmenden Mengen, an erster Stelle Rindfleisch, bei dem es jetzt mit Abstand der wichtigste Käufer ist. Jetzt kommt noch Schweinefleisch hinzu, wobei China auch die Erweiterung der argentinischen Produktion durch Errichtung neuer Betriebe mitfinanzieren will, eventuell auch durch direkte Beteiligungen. Argentinien kann die Schweinezucht beliebig ausdehnen, da sie wenig Land beansprucht. Es ist nur eine Frage des Einsatzes von Kapital.
Dann kommen noch andere Produkte hinzu, wie Weizen, Mais und viele andere. Ein Land mit 1,4 Mrd. Einwohnern, die in den letzten Jahrzehnten viel wohlhabender geworden sind, bietet viele Exportmöglichkeiten. Die möglichen zusätzlichen Exporte sind jedoch nicht einfach und erfordern viel Arbeit. Es ist kein einfacher Markt. Die bilaterale Handelsbilanz mit China weist für Argentinien ein Defizit auf, das auf Dauer nicht tragbar ist. In diesem Sinn will China jetzt Argentinien beim Zugang zum chinesischen Markt angeblich helfen. Denn der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen umfasst beide Richtungen des Außenhandels. Obwohl Präsident Alberto Fernández in der Vorwoche 40 Minuten lag mit Xi Jinping telefoniert hat, wird er im November 2020 nicht anlässlich der Handelsmesse von Shanghai anwesend sein wird, wie es geplant war, Außenminister Felipe Solá soll ihn vertreten. Dennoch hat China Argentinien einen Ehrenpavillon zugeteilt. Das wird als Signal für die Absicht gedeutet, engere Beziehungen herzustellen Ein weiteres Signal der Annäherung ist die Lieferung von 460 Tonnen chinesischem Material für die Bekämpfung des Covid-19, das dringend benötigt wurde, darunter künstliche Beatmungsgeräte u.a. 35 Flüge von Aerolíneas Argentinas haben einen großen Teil befördert.
China ist in den letzten Jahrzehnten auch als großer Lieferant von Argentinien aufgetreten. Das bezieht sich nicht nur auf allerlei dauerhafte Konsumgüter, wie Bekleidungstücke und Sportschuhe u.a., sondern auch auf Maschinen. China konkurriert hier mit Deutschland auf der Basis viel niedrigerer Preise. Uns ist ein Fall bekannt, in dem der chinesische Preis ein Viertel des deutschen betrug, und der Qualitätsunterschied dies in keiner Weise rechtfertigte. Die deutschen Maschinen weisen meistens eine viel fortgeschrittenere Technologie und bessere Qualität auf, sind auch automatischer und erfordern weniger Arbeitskraft. Das spielt jedoch bei argentinischen Löhnen keine so große Rolle.
Zur Zeit der Regierung von Cristina Kirchner, als nach dem Unfall am Bahnhof Once beschlossen wurde, die Eisenbahnen der Bundeshauptstadt und Umgebung zu erneuern, wurden chinesische Züge gekauft, was durch eine großzügige Finanzierung möglich wurde. China hat hier einen Markt für Eisenbahnmaterial geschaffen, das Argentinien weiter benötigt. Danach hat sich China auch am Bau der Wasserkraftwerke in Santa Cruz beteiligt, wieder mit einer bedeutenden Finanzierung. Und schließlich hat China auch angeboten, Kernkraftwerke mit Finanzierung zu errichten, was jedoch bisher nicht zustande gekommen ist, wahrscheinlich, weil die Energie, die sie erzeugen sollen, viel zu teuer ist, und Argentinien sauberen Energieformen Vorrang gibt, besonders Windenergie. China ist auch an Objekten dieser Art, und besonders an Solarenergie in Argentinien sehr aktiv. Im Bergbau ist China sehr stark in Argentinien eingestiegen. Heute ist China mit Abstand der größte ausländische Investor in Argentinien.
Jetzt bietet sich für China eine einzigartige Gelegenheit, weiter in Argentinien vorzudringen. Die Vereinigten Staaten, die Europäische Union u.a. Staaten, sind gegenwärtig kaum bereit, neue Kredite an Argentinien zu erteilen, nachdem das Land finanziell so schlecht benotet wird. Doch China denkt anders, nämlich langfristig, und kann diese Lage ausnutzen, um bei großen öffentlichen Investitionen, eventuell auch privaten, stark vorzudringen. Es geht für China darum, fest in Argentinien Fuß zu fassen, und das Risiko, dass dabei eingegangen wird, muss eben in Kauf genommen werden. Diese Lage muss die argentinische Regierung zu nutzen wissen, als Teil der Politik der Überwindung der bestehenden Krise. In diesem Sinn hat sich Argentinien unlängst schon der Asiatischen Bank für Infrastrukturinvestitionen angeschlossen. Eventuell führt dies auch dazu, dass andere Länder weniger streng bei der Gewährung von Krediten sind, um Argentinien als Exportmarkt nicht ganz an China abzutreten.
Abschließend sei noch daran erinnert, dass Argentinien zur Zeit der Regierung von Cristina Kirchner, China erlaubt hat, eine Anlage in Neuquén zu errichten, die für Raumstudien dient. China brauchte aus technischen Gründen eine Anlage in der südlichen Hemisphäre als Komplement der eigenen im Land. Auch diese bedeutende Anlage, an deren Errichtung Argentinien mit Arbeitskräften und Zulieferanten beteiligt war, gehört zum Aufbau enger Beziehungen zwischen China und Argentinien.
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