Am 11. März hat der 35-jährige Gabriel Boric die Präsidentschaft von Chile angetreten. Er kommt mit der Absicht, eine neue Sozialpolitik einzuführen, die von einem großen Teil der Bevölkerung, besonders Jugendlichen, die mit Straßenkundgebungen dafür eingetreten sind, seit langem gefordert wird. Die Frage ist, wie weit dies mit wirtschaftlichem Wachstum vereinbar ist, wie es seit Jahren besteht, so dass das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf jetzt über dem argentinischen liegt, nachdem es vor einigen Jahrzehnten kaum die Hälfe erreichte.
Chile hatte schon vor der militärischen Übernahme im Jahr 1973, die General Augusto Pinochet zum Präsidenten machte, eine sozialistische Regierung, mit Salvador Allende als Präsident. In Chile hatte die kommunistische Partei traditionell großes Gewicht, und ihr Einfluss war auch in der Regierung von Allende sehr stark. Die Wirtschaft geriet damals in zunehmende Schwierigkeiten, was mit zur Stimmung führte, die in der militärischen Übernahme endete.
Pinochet führte auf wirtschaftlichem Gebiet ein sehr orthodoxe Wirtschaftspolitik ein, mit Marktwirtschaft, Privatisierungen, geordneten Staatsfinanzen und Öffnung der Wirtschaft. Chile gliederte sich damals zunehmend in die Weltwirtschaft ein, und zahlte dabei den Preis, dass lokale Industriebetriebe aufgeben mussten. Aber der Saldo war sehr positiv.
Diese liberale und rationelle Wirtschaftspolitik wurde im Wesen von den demokratischen Präsidenten, die Pinochet folgten, beibehalten. Aylwin, Frei u.a., und später auch die mehr linksstehende Bachelet, und dann auch der konservative Piñera, hielten grundsätzlich am Kurs von Pinochet fest, und waren dabei erfolgreich. Aber die Sozialpolitik blieb dabei zurück, und das will Boric jetzt aufholen.
Es geht ihm konkret um unentgeltliche Gesundheitsbetreuung für die, die nicht zahlen können, um unentgeltlichen Zugang zu Hochschulen, um höhere Pensionen und um eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden. Um all das zu zahlen soll das Steuersystem viel progressiver gestaltet werden, so dass die Oberschicht die Zeche bezahlt. Das bedeutet auch eine höhere Steuerbelastung für große und mittlere Unternehmen, die sich negativ auf Investitionen auswirkt. Umsonst ist die Sozialpolitik eben nicht.
Dieser Reformwille fällt mit einer problemgeladenen Periode zusammen. Chile importiert das ganze Erdöl, das es verbraucht, und wird somit von der Ölhausse stark betroffen. Ebenfalls importiert es Gas, wo das Problem noch viel akuter auftritt. Und dann kommen noch andere inflationäre Impulse auf das Land zu. Ob sich der Kupferpreis weiter hoch hält, ist bei der schwierigen Lage der Weltwirtschaft nicht sicher. Kupfer ist das Hauptexportprodukt und hat einen wesentlichen Einfluss auf die Konjunktur.
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