Arbeitgeber und Opposition
kritisieren Neuregelung als zu großzügig
Berlin (dpa/ka) - Die deutsche Regierung hat die Einführung eines Bürgergelds zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen beschlossen. Zum 1. Januar soll das Bürgergeld das unbeliebte Hartz IV für die mehr als fünf Millionen Betroffenen in seiner heutigen Form ablösen. Die Regelsätze der Grundsicherung sollen dabei deutlich steigen. So sollen Alleinstehende 502 Euro im Monat erhalten und Jugendliche 420 Euro. Heute erhalten Alleinstehende 449 Euro im Monat. Hinzu kommen die Kosten für Miete und Heizung. Arbeitgeber und konservative Opposition halten die Neuregelung für zu großzügig.
Arbeitssuchende sollen in den Jobcentern künftig weniger Druck ausgesetzt werden, sofort jede erdenkliche Stelle anzunehmen. Die Weiterbildung soll gestärkt werden. In den ersten beiden Jahren des Hilfebezugs sollen künftig auch Ersparnisse bis zu 60.000 Euro unangetastet bleiben. Im ersten halben Jahr sollen zudem keine Sanktionen verhängt werden können, wenn etwa ein Jobangebot abgelehnt wird. Mit dem Kabinettsbeschluss vom Mittwoch ist der Weg für die parlamentarischen Beratungen der Sozialreform frei. Bundestag und Bundesrat müssen dem Gesetz noch zustimmen.
Die „Hartz-IV“-Hilfen für Langzeitarbeitslose waren 2005 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführt worden. Damals wurde die vorherige Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zum neuen „Arbeitslosengeld 2“ zusammengelegt. Für viele Hilfebezieher bedeutete das eine massive Verschlechterung. „Hartz IV“ gilt als einer der Gründe für die Niederlage Schröders bei der Bundestagswahl 2005 und das Erstarken der Linkspartei in Deutschland.
Während der Sozialverband Deutschland (SoVD) die nun beschlossene Erhöhung der Hilfen angesichts der hohen Inflation immer noch für zu gering hält, fürchten Arbeitgeber, dass das Bürgergeld Arbeitslose davon abhalten könnte, niedrig bezahlte Stellen anzunehmen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hatte das Bürgergeld am Dienstag eine „fatale Wegmarke“ genannt. „Es ist kein Zeichen von Fairness und Respekt gegenüber den arbeitenden Menschen“, sagte Dulger in Berlin. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer hatte vor Demotivation bei denjenigen gewarnt, die für wenig Geld regulär arbeiten. Viele fragten sich, warum sie morgens um 7 Uhr schon arbeiten sollten, wenn Bürgergeld-Bezieher fast genauso viel Geld bekämen.
Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sieht im Regierungskonzept einen Fehlanreiz im Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit. „Der Grundsatz des Forderns und Förderns wird durch das Bürgergeld weiter eingeschränkt“, sagte der christsoziale Spitzenpolitiker der „Augsburger Allgemeinen“.
Vertreter von SPD und Grünen haben Kritik an dem geplanten Bürgergeld zurückgewiesen. „Offenbar hat man den Schuss bei einigen Arbeitgebervertretern und in der Union noch nicht gehört“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Statt weiter das Lied von angeblich zu hohen Regelsätzen zu trällern, die Arbeit unattraktiv machen würden, sollten die Arbeitgeber endlich ihrer Verantwortung nachkommen und durch eine viel stärkere Tarifbindung attraktivere Beschäftigungsbedingungen schaffen.“
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte der „Rheinischen Post“ mit Blick auf die Unionskritik, wenn CDU und CSU wieder einmal versuchten, soziale Absicherung von Menschen und Fachkräftemangel gegeneinander auszuspielen, dann verkenne dies die Zeichen der Zeit. „Dem Fachkräftemangel begegnen wir nur mit besseren Arbeitsbedingungen in Branchen wie der Pflege, mit Fortbildung und Qualifizierung, einer besseren Vereinbarkeit und insbesondere mit einer Reform der Fachkräfteeinwanderung.“
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