Brasilianischer Staatschef in Corona-Krise unter Druck
Brasília (dpa) - Angesichts zunehmender Kritik wegen des fehlenden Krisenmanagements in der Corona-Pandemie hat der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die Spitzen von sechs Ministerien neu besetzt. Die umfangreiche Kabinettsumbildung wurde im Amtsblatt am Dienstag offiziell gemacht.
Demnach gehören zu den Abgängen Außenminister Ernesto Araújo und Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva. Auf sie folgen der Karrierediplomat Carlos Alberto Franco França und der General Walter Souza Braga Netto, bisher "Chefe da Casa Civil", vergleichbar mit dem Kanzleramtschef.
Der Umfang der Umbildung kam für viele Beobachter überraschend: Weder Bolsonaro noch die meisten Minister hatten darauf Hinweise gegeben. Nur der Abschied von Außenminister Araújo hatte sich zuletzt angedeutet.
Araújo, der zum ideologischen Flügel der Regierung des Rechtspopulisten Bolsonaro zählt, war vor allem nach einem Treffen mit den Präsidenten von Senat und Kongress in der vergangenen Woche unter Druck geraten. Am Dienstag vergangener Woche hatte Brasilien erstmals über 3000 Corona-Tote in 24 Stunden registriert. Am Mittwoch überschritt das größte Land in Lateinamerika die Marke von 300.000 Corona-Toten insgesamt.
Dem Außenminister wurde vorgeworfen, Brasilien auf der internationalen Bühne isoliert und das Land in eine schlechte Position gebracht zu haben, um Impfstoffe zu erwerben. So zettelte Araújo Überwerfungen mit wichtigen Handelspartnern wie China an - das Land, von dem Brasilien Arzneistoff für die Produktion von Corona-Impfstoff importiert.
Bolsonaro nahm den erzwungenen Rücktritt seines Außenministers quasi zum Anlass für einen größeren Umbau. Und dafür, um zum einem dem "Centrão" - kleine und kleinste Parteien, die ihre Unterstützung gegen Ämter und Posten tauschen - Zugeständnisse zu machen.
Im Wahlkampf hatte er versprochen, nicht vor der "alten Politik" des "dort zu nehmen, hier zu geben" zu kapitulieren. Doch der Präsident der Abgeordnetenkammer, Arthur Lira, der auch Chef des "Centrão" ist, hatte den Ton - auch mit Blick auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten - in der in Brasilien außer Kontrolle geratenen Corona-Pandemie verschärft.
Zum anderen will Bolsonaro laut Stimmen aus dem politischen Brasília mehr Einfluss auf das Militär bekommen. Der damalige Verteidigungsminister Azevedo hatte sich demnach geweigert, die Politik Bolsonaros zu unterstützen.
Der Präsident soll in der vergangenen Woche erneut haben durchblicken lassen, dass er die Unterstützung des Militärs wollte, um wegen des Lockdowns, den Bundesstaaten und Städte ausgerufen hatten, Notstandsmaßnahmen zu verhängen. Einen Lockdown lehnt Bolsonaro aus wirtschaftlichen Gründen ab. Die Spitzen von Armee, Luftwaffe und Marine trafen sich Medienberichten zufolge am Dienstag mit dem neuen Verteidigungsminister Braga Netto. Es wurde spekuliert, dass sie in der Gefolgschaft von Azevedo ihren Rücktritt anbieten.
Kommentare