Das schmutzige Geschäft um „El Cerrejón“
Albania (dpa/wvg) - El Cerrejón gleicht einer Mondlandschaft. Auf rund 690 Quadratkilometern, fast die Fläche von Hamburg, fressen sich im Norden von Kolumbien Bagger durch den größten Steinkohletagebau Lateinamerikas. 23,4 Millionen Tonnen Kohle förderte die Mine des Schweizer Konzerns Glencore im vergangenen Jahr. Die gesamte Menge geht in den Export - künftig vielleicht auch vermehrt nach Deutschland.
Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die EU einen Importstopp für Kohle aus Russland verhängt, nun sucht die Bundesregierung auf der ganzen Welt nach Alternativen. Trotz des Ausbaus von Wind- und Solarenergie hat Steinkohle in Deutschland noch immer einen Anteil von neun Prozent an der gesamten Stromerzeugung. Kolumbien war 2021 das viertwichtigste Herkunftsland für Kohle in Deutschland. Gut 2,3 Millionen Tonnen Steinkohle kamen insgesamt von dort.
Vor kurzem telefonierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) deshalb mit dem kolumbianischen Präsidenten Iván Duque. Kolumbien prüfe die Möglichkeit, die Kohle-Exporte nach Deutschland zu erhöhen, hieß es in einer Mitteilung des Präsidialamtes des südamerikanischen Landes.
Seit Jahresanfang sind die Importe aus dem südamerikanischen Land bereits stark gestiegen. In den ersten drei Monaten belief sich die Importmenge aus Kolumbien auf 1,1 Millionen Tonnen, wie der Verein der Kohlenimporteure berichtet - 62 Prozent mehr als im Vorjahr.
Eine Erhöhung der Importmengen könnte die Bundesregierung jedoch vor ein moralisches Dilemma stellen. Indigene und Aktivisten im Department La Guajira klagen immer wieder über Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards rund um El Cerrejón. „Ohne Zweifel wird die Entscheidung der deutschen Regierung negative Folgen für die Rechte der indigenen und bäuerlichen Gemeinschaften von La Guajira haben“, sagt die Koordinatorin des Menschenrechtsprogramms der Nichtregierungsorganisation Cinep, Jenny Paola Ortiz.
Viele Indigene mussten wegen der sich ausbreitenden Mine schon ihre Heimatorte verlassen. In der Halbwüste von Guajira verbraucht sie täglich 24 Millionen Liter Wasser - genug, um 150.000 Menschen zu versorgen. 17 Flüsse und Bäche sind bereits verschwunden, rund 30 wurden umgeleitet. Das jüngste Beispiel: 2016 veränderte Cerrejón den Lauf des Bachs Bruno, damit die Mine vergrößert und die Förderung erhöht werden konnte.
„Der Bach Bruno ist eine der wenigen Wasserquellen, die den Indigenen bleibt“, sagt Luís Misael Socarrás vom indigenen Volk der Wayuu. „Ihn umzuleiten, bedeutet den Tod für Hunderte Menschen.“ Der Bach Bruno ist zudem ein heiliger Ort für afro-kolumbianische und indigene Gemeinschaften.
Die Wayuu-Anführerin Laura Brito sieht auch die Verbraucher in Europa in der Verantwortung. „Die internationale Gemeinschaft sollte darüber nachdenken, woher die Kohle kommt, mit der ihre Häuser beleuchtet und geheizt werden“, sagt sie. Angesichts der Menschenrechtsverletzungen rund um die Mine spricht Cinep-Koordinatorin Ortiz von „blutiger Kohle“. Cerrejón weist die Vorwürfe zurück und verweist auf seine Maßnahmen zum Wasser- und Luftmanagement und zur Einhaltung der Menschenrechte.
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