top of page
  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Berufsbildung im digitalen Zeitalter

Informationsveranstaltung in der Deutschen Botschaft

Von Marcus Christoph

Buenos Aires (AT) - Wie gestalten wir die Berufsausbildung im digitalen Zeitalter? Um diese Frage ging es am Dienstag bei einer Infoveranstaltung in der Deutschen Botschaft, zu der die deutsche Auslandsvertretung gemeinsam mit der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) eingeladen hatte. Die gut besuchte Gesprächsrunde fand im Rahmen der Reihe „Foro Futuro“ (Zukunftsforum) statt. Einer der Teilnehmer war Jens Brandenburg (FDP), seines Zeichens parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Der deutsche Botschafter Ulrich Sante betonte, dass Deutschland und Argentinien vor großen Herausforderungen stünden. Die von ständigem Wandel geprägte Arbeitswelt verlange nach einer dynamischen Ausbildung. Davon hänge letztlich die Produktivität ab.

Im Blickpunkt war das in Deutschland mit Erfolg praktizierte Modell der Dualen Ausbildung, für das man sich zusehends auch in Argentinien interessiert. Wie Co-Gastgeber Lars-André Richter, der Leiter des hiesigen FNF-Büros, darlegte, verdanke die deutsche Ausbildung ihre „gute Reputation“ eben diesem Konzept, welches berufliche Formation parallel in Berufsschule und Betrieb vorsieht.

Den Ball nahm Federico Schroer, der Vizepräsident der deutsch-argentinischen Handelskammer (AHK), auf. Die Mischung aus Theorie und Praxis könne helfen, die Kluft zwischen Ausbildung und Arbeitswelt zu überwinden, die Argentinien zu beklagen sei. Derzeit sei es hierzulande schwierig, qualifiziertes Personal und Talente zu finden. Die AHK unterstütze Bemühungen, ein Gesetz für Duale Ausbildung in Argentinien auf den Weg zu bringen. Ein Leuchtturmprojekt ist hier das Berufsbildungszentrum der Deutschen Schule in Villa Ballester, wo seit Jahren schon das Duale Ausbildungssystem praktiziert wird.

Es folgte eine Podiumsdiskussion, die von der bekannten TV-Moderatorin Luciana Geuna („Telenoche“) geleitet wurde. Staatssekretär Jens Brandenburg nannte die digitale Ausbildung als „Schlüssel für die Zukunft“. Er widersprach der Auffassung, dass die Digitalisierung zu weniger Arbeitsplätzen führe. Das Gegenteil sei richtig. In Deutschland habe der Fachkräftemangel eher zugenommen. Auch Brandenburg wertete die Duale Ausbildung als Erfolgsmodell, das der Jugendarbeitslosigkeit entgegenwirke und für erfolgreiche Absolventen eine recht hohe Arbeitsplatzsicherheit biete. Allerdings müsse sich auch die Ausbildung in Deutschland für die Digitalisierung fit machen. Neu entstehende Berufe müssten schneller anerkannt, die digitale Ausstattung der Schulen und Betriebe verbessert und die Lehrkräfte fortwährend weitergebildet werden.

Auch in Deutschland gebe es Probleme: So erwähnte Brandenburg die derzeit mehr als 2 Millionen jungen Menschen, die weder einen beruflichen noch einen akademischen Abschluss besitzen. Um dem entgegenzuwirken, soll im Dezember eine „Exzellenzinitiative“ starten. Diese hat zum Ziel, mehr junge Menschen in die berufliche Bildung zu integrieren. Der Staatssekretär sprach sich des Weiteren für mehr internationalen Austausch in der Ausbildung aus.

Ebenfalls aus Deutschland nach Buenos Aires gekommen war Niclaus Bergmann, der Geschäftsführer der Sparkassenstiftung für internationale Kooperation. Er berichtete von der 200-jährigen Geschichte der Sparkasse und der Herausforderung, die Balance zu schaffen zwischen Bankgeschäft und dem sozialen Auftrag, überall in Deutschland Menschen den Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. Konkurrenzfähig bleiben könne das Unternehmen nur durch gute Ausbildung. Auch Bergmann empfahl das Duale Ausbildungssystem, mit dem man gute Erfahrung gemacht habe. Ein zertifizierter Berufsabschluss sei kompatibel und eine Garantie für einen sicheren Arbeitsplatz. Zudem binde es junge Menschen an den Betrieb.

Die vor 30 Jahren gegründete Sparkassen-Stiftung ist heute in 30 Ländern aktiv, darunter auch in elf lateinamerikanischen. In einigen von diesen helfe man, die Duale Ausbildung im Bankenwesen auf den Weg zu bringen.

In Argentinien will die Stiftung helfen, jungen Menschen ein Basiswissen über finanzielle Zusammenhänge zu vermitteln und auch mittelständische Betriebe entsprechend zu schulen. Mit der Zentralbank sei ein entsprechenden Abkommen geschlossen worden. Auch wolle man dahin wirken, dass kleine und mittlere Unternehmen einen besseren Zugang zu Finanzdienstleitungen erhalten.

Auch argentinische Erfahrungen mit der Digitalisierung waren Thema. So berichtete Sebastián Fernández Silva, der Personalchef und Vizepräsident des Auktions- und Kleinanzeigenportal Mercado Libre, in Argentinien 10.500 Arbeitsplätze geschaffen zu haben. Das 1999 gegründete Unternehmen engagiere sich selbst bei der Qualifizierung seiner Mitarbeiter. Zudem sei man eine Allianz mit dem Ausbilder „Digital House“ eingegangen. Die Beschäftigten müssten aber die ständige Bereitschaft zum Lernen mitbringen. Neben der Vermittlung technischer Fähigkeit sei es wichtig, Arbeitskultur zu vermitteln, sagte Fernández Silva. Er beklagte, dass es in Argentinien derzeit einen Mangel an technisch-digital ausgebildeten Menschen gebe.

Für die staatliche Seite sprach zunächst María Soledad Acuña, die Bildungsministerin der Stadt Buenos Aires. Sie meinte, dass die Schule die Aufgabe habe, für die Arbeitswelt vorzubereiten. Dies sei in Argentinien allerdings keine allgemeine Überzeugung, sondern „ideologisch umstritten“. Acuña unterstrich die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens. Das Duale Aussbildungssystem könne Argentinien eine wertvolle Orientierung bieten; es fehle jedoch an politischem Willen. In der Stadt versuche man, die Sekundarstufe zu reformieren und die Schülerinnen und Schüler besser an die späteren Herausforderungen der Arbeitswelt heranzuführen. Neben digitaler Schulung nennt Acuña auch einen Ausbau des Englisch-Unterrichts, um international wettbewerbsfähig zu sein. Digitalisierung, die schon im Kindergarten beginne, aber auch Weiterbildungsangebote für Erwachsene sind ihre weitere Ansätze, um für die Zukunft besser aufgestellt zu sein.

Die Staatssekretärin für Bildung und Wissenschaft in Santa Fe, Marina Baima, berichtete von Maßnahmen in ihrer Provinz mit dem Ziel, die Menschen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie nannte hier mehrere Felder: Zum einen die Arbeit mit Schulkindern, beispielsweise mit Sommerferienlagern („Colonias“), die speziell auf technische Projekte ausgerichtet sind. Gezielte Förderung sollen auch digitale Entwickler und mittelständische Betriebe erhalten.

Botschafter Sante sieht Deutschland und Argentinien gleichermaßen gefordert, die technische Ausbildung - nicht nur Mechanik, sondern auch digitales Wissen - in den Vordergrund zu stellen.

Unterschiede zwischen den Ausbildungssystemen beider Länder bestünden bislang zum einen darin, dass die technische Bildung in Deutschland dichter an den Wirtschaftsbetrieben ausgerichtet sei. „Je näher am Unternehmen, desto besser für die Wirtschaft.“ Die technische Ausbildung in Deutschland sei zudem komplett von der Sekundarschule getrennt, erläutert der Botschafter. Zudem schließe die berufliche Ausbildung in Deutschland in der Regel mit einem kompatiblen Zertifikat ab. Beide Länder hätten gleichwohl ein erhebliches Interesse daran, den gegenseitigen Austausch zu intensivieren: „Wenn wir Argentinien als Modell dienen können, tun wir dies ausgesprochen gerne“, so der Diplomat zum Abschluss der Veranstaltung.



4 visualizaciones
bottom of page