Franziska Giffey ist am Ziel / Nach hartem Wahlkampf ist die 43-Jährige nun Regierungschefin
Berlin (dpa/mc) - Die SPD-Politikerin Franziska Giffey ist neue Regierende Bürgermeisterin von Berlin. Die 43-Jährige erhielt am Dienstag im Abgeordnetenhaus der deutschen Hauptstadt 84 von 139 Stimmen und führt nun einen rot-grün-roten Senat.
Die frühere Bundesfamilienministerin löst ihren Parteifreund Michael Müller ab, der nach sieben Jahren im Roten Rathaus nicht erneut antrat und in den Bundestag wechselte. Die rot-grün-rote Koalition hat 92 Sitze im Abgeordnetenhaus. Damit fehlten Giffey etliche Stimmen aus dem eigenen Lager. Nötig waren 74 Stimmen.
Nach ihrer Wahl wurde Giffey vereidigt. Anschließend übernahm sie die Amtsgeschäfte im Rathaus und ernannte die zehn Senatorinnen und Senatoren. Danach wurden diese im Abgeordnetenhaus vereidigt. Der Senat ist die Regierung Berlins.
Die SPD stellt vier Senatsmitglieder. Der bisherige Innensenator Andreas Geisel ist künftig für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen verantwortlich. Seine Nachfolgerin im Innenressort wird die stellvertretende Landesvorsitzende Iris Spranger. Der frühere Präsident der Handwerkskammer Berlin, Stephan Schwarz, ist für das Wirtschaftsressort, die Schulleiterin Astrid-Sabine Busse für das Bildungsressort verantwortlich.
Bei den Grünen übernimmt Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Daniel Wesener ist Finanzsenator, die bisherige Gesundheitsdezernentin in Kassel, Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft und Gesundheit. Bei den Linken bleibt Klaus Lederer Kultursenator. Die frühere Bundesvorsitzende Katja Kipping übernimmt Integration, Arbeit und Soziales, die Hochschulprofessorin Lena Kreck das Justizressort.
Mit sieben Frauen und vier Männern ist der Senat so weiblich wie noch nie. Am frühen Abend traf sich die Regierungsmannschaft zu ihrer ersten Sitzung.
SPD, Grüne und Linke regieren in Berlin bereits seit 2016 gemeinsam, im neuen Senat überwiegen indes neue Gesichter. Der Koalitionsvertrag für die kommenden fünf Jahre war am 29. November vorgestellt worden. Anschließend hatten Parteitage von SPD und Grünen mit großer Mehrheit zugestimmt, die Linken sagten bei einem Mitgliederentscheid "Ja"
Berlin hat nun erstmals eine Regierende Bürgermeisterin - und zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung 1990 ein aus der DDR stammendes Stadtoberhaupt. Giffey, die aus Frankfurt an der Oder stammt, ist Mutter eines zwölfjährigen Sohnes. Sie hat sich in Berlin bereits als Kommunalpolitikerin einen Namen gemacht. Im Stadtbezirk Neukölln war sie von 2010 an Stadträtin und wurde 2015 Bürgermeisterin. Neukölln mit seinen 325.000 Einwohnern gilt als schwer regierbarer Problembezirk. 2018 wurde sie Bundesfamilienministerin. Im Mai dieses Jahres trat sie im Zuge einer Plagiatsaffäre, die sie den Doktortitel kostete, als Ministerin zurück.
Die Berliner Spitzenkandidatur, die sie zu dem Zeitpunkt schon innehatte, behielt sie. Im Wahlkampf warb sie unter dem Motto „5 Bs für Berlin“ um Stimmen. Die Abkürzung steht für „Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit“.
Berlin ist ein eigenes Bundesland und mit 3,7 Millionen Einwohnern die mit Abstand größte Stadt in Deutschland. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es vorübergehend schon einmal eine Frau an der Spitze der Stadt gegeben, Louise Schroeder (SPD), die das Amt von 1947 bis 1948 aber nur kommissarisch führte.
Die SPD hatte die Abgeordnetenhauswahl am 26. September gewonnen, wenn auch mit dem schlechtesten Ergebnis der Nachkriegsgeschichte (21,4 Prozent). Mit Giffeys Wahl werden nun drei der 16 deutschen Bundesländer von Frauen regiert. Ministerpräsidentinnen gab es bisher schon in Rheinland-Pfalz (Malu Dreyer, SPD) und Mecklenburg-Vorpommern (Manuela Schwesig, SPD). Unter den zehn größten deutschen Städten hat nur eine weitere eine Frau als Stadtoberhaupt (Henriette Reker, Köln, parteilos).
Berliner Bürgermeister
Buenos Aires (AT/mc) - In der Geschichte Berlins hat es häufiger Regierende Bürgermeister gegeben, die über die Stadtpolitik hinaus wirkten. In der unmittelbaren Nachkriegszeit war der Sozialdemokrat Ernst Reuter das politische Gesicht West-Berlins.
Als 1961 die Berliner Mauer gebaut wurde, stand Willy Brandt an der Spitze der West-Berliner Verwaltung. Der Lübecker wurde 1969 auch erster SPD-Kanzler der Nachkriegszeit. Ebenfalls bundespolitische Ambitionen hatte Richard von Weizsäcker. Der Christdemokrat regierte von 1981 bis 1984 im Schöneberger Rathaus, dem damaligen Sitz des Regierenden Bürgermeisters. Anschließend wurde er für zehn Jahre Bundespräsident.
Die längste Zeit auf dem Bürgermeistersessel verbrachte mit 15 Jahren und fünf Monaten Eberhard Diepgen (CDU), der 1984 auf v. Weizsäcker folgte. Ausgerechnet als die Mauer fiel, regierte indes der Sozialdemokrat Walter Momper, ehe Diepgen 1991 nach knapp zweijähriger Zeit in der Opposition für weitere zehn Jahre ins Bürgermeisteramt zurückkehrte. Den Rekord für die längste ununterbrochene Amtszeit hält Diepgens Nachfolger Klaus Wowereit, der von 2001 bis 2014 die Geschicke der deutschen Hauptstadt lenkte.
Votum für Merz
Berlin (dpa) - Der frühere Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, soll nach dem Willen der CDU-Mitglieder neuer Parteivorsitzender werden. Merz habe bei der Mitgliederbefragung mit 62,1 Prozent die notwendige absolute Mehrheit erhalten, teilte Generalsekretär Paul Ziemiak am Freitag in Berlin mit. Auf den Außenpolitiker Norbert Röttgen entfielen demnach 25,8 Prozent der Stimmen, auf den früheren Kanzleramtschef Helge Braun 12,1 Prozent. Die Beteiligung an der ersten Mitgliederbefragung in der Geschichte der CDU lag bei 66,02 Prozent.
Die knapp 400.000 Parteimitglieder konnten erstmals in der Geschichte der CDU eine Vorentscheidung über den Vorsitz treffen. Offiziell muss der neue Parteichef von den 1001 Delegierten bei einem digitalen Parteitag am 21./22. Januar gewählt werden. Es gilt als sicher, dass sich die Delegierten an das Votum der Mitglieder halten. Anschließend muss dieses noch per Briefwahl bestätigt werden.
Die Neuwahl der Parteispitze ist die Konsequenz aus dem Desaster der Union bei der Bundestagswahl am 26. September. CDU und CSU hatten damals ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 24,1 Prozent geholt und mussten den Gang in die Opposition antreten. Der als Kanzlerkandidat gescheiterte CDU-Chef Armin Laschet kündigte daraufhin seinen Rückzug an. Er ist jetzt einfacher Abgeordneter im Bundestag und dort Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.
Die CDU hat mit dem Ende der Ära Angela Merkel gleich mehrere Führungswechsel durchgemacht. Die damalige Bundeskanzlerin hatte Ende 2018 den Parteivorsitz nach 18 Jahren niedergelegt. Ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer warf 2020 das Handtuch. Ihr Nachfolger Laschet gab die Parteiführung ab, nachdem er als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl gescheitert war.
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