Von Juan E. Alemann
Sowohl in der Wirtschaftswelt, wie in der Gesellschaft im Allgemeinen, besteht eine ausgeprägte pessimistische Stimmung, obwohl für ganz 2021 eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes von 8% erwartet wird, mit der der Rückgang des Vorjahres, von angeblich 10%, weitgehend aufgeholt würde. Es wird jedoch nicht erwartet, dass der Aufschwung, der nach Aufhebung der pandemiebedingten Restriktionen eintrat, unmittelbar andauert. Die Regierung will dies forcieren, mit allerlei Geldgeschenken, die jedoch auf eine hohe Geldschöpfung hinauslaufen, die schließlich platzt, also in einer Hyperinflationswelle endet, oder sehr harte Maßnahmen erfordert, die die Konjunktur stark bremsen. Und das wissen auch die Unternehmer.
In letzter Zeit treten noch mehr Probleme auf. Die Zahlungsbilanz wird von der ZB mit großer Vorsicht verwaltet, was bedeutet, dass immer mehr Importe und deren Zahlungen hinausgeschoben werden. Bei Konsumgütern spielt dies keine Rolle, wobei es in bestimmten Fällen, besonders in der Textilindustrie und der von Sportschuhen, die lokale Produktion begünstigt hat, was so weit geht, dass geschlossene Fabriken wieder in Betrieb genommen wurden. Dass importierte Modelle von Automobilen fehlen ist unbedeutend. Dabei werden schließlich mehr lokal erzeugte Modelle verkauft. Aber es tauchen immer mehr Fälle auf, in denen importierte Teile fehlen, die bei einem Fabrikationsprozess unerlässlich sind, und somit die Produktion unterbrochen werden muss. In einigen Fällen kann dies durch lokal gefertigte Produkte gelöst werden, aber in den meisten eben nicht. Vor allem bei elektronischen Komponenten nicht. Diese sind gegenwärtig auch weltweit knapp.
Ebenfalls wird jetzt eine Dürreperiode erwartet, nachdem das Phänomen benannt “La niña” im Sommer wieder eintritt. Es handelt sich um die warme Pazifikströmung, die sich jetzt von der südamerikanischen Küste entfernt. Wenn sie sich nähert, spricht man von einem Phänomen “El niño” (weil es angeblich zu Weihnachten eintritt und mit der Geburt von Jesus Christus zusammenfällt). Dann gibt es mehr Verdunstung auf dem Pazifik, und der Wind bringt dann die Wolken über die Kordillere nach Argentinien, wo dies zu mehr Regen führt. Jetzt kommen keine Regenwolken. Gewiss: die neue Technologie, mit direkter Aussaat (also ohne zu pflügen) beschränkt die Wirkung der Dürre, ebenso wie die Verwendung von Saatgut, das weniger unter Dürren leidet. Aber 20 Mio. Tonnen kostet die Dürre bestimmt, allerdings bei einer Gesamternte von Getreide und Ölsaat, die sonst über 150 Mio. Tonnen liegen würde, was einen absoluten Rekord darstellen würde. Der phänomenale technologische Fortschritt bei der Landwirtschaft dauert an, trotz der Bemühung der Regierung, ihn zu bremsen.
Gleichzeitig scheint auch die Periode der hohen internationalen Preise von Sojabohne und Mais zu Ende zu gehen. Der Preis liegt schon um gut 25% unter dem Höchstpunkt, den er vor einen Wochen erreicht hatte. China bremst die Konjunktur, um einen Inflationssprung zu vermeiden und die pandemiebedingte Geldschöpfung zu neutralisieren. Und das führt zu geringeren Käufen von Sojabohne und Mais, voraussichtlich auch von Rindfleisch u.a. argentinischen Produkten. Ebenfalls wirkt die Zinserhöhung, die in den Vereinigten Staaten zu erwarten ist, negativ für Argentinien, aber im Grunde nur wenig, weil Argentinien ohnehin keine Auslandskredite aufnehmen kann. Und nicht zuletzt ist weltweit mit einer Verteuerung der Energie zu rechnen, die schon beim Gas stark aufgetreten ist. Das wirkt rezessiv.
Die Regierung versteht es nicht, positive Signale zu geben. Das bezieht sich auf Taten und nicht auf das dumme Geschwätz des Präsidenten und der Regierungspolitiker. In letzter Zeit ist schließlich die Diskussion über die Entlassungsentschädigung doch aufgekommen. Gegenwärtig besteht die einzig kurzfristig effektive Möglichkeit der Schaffung von Arbeitsplätzen darin, die potentiell instabilen Stellen zu besetzen. Doch die hohe Entlassungsentschädigung hemmt die Unternehmen, diese Stellen zu besetzen, weil die Rechnung dann im Fall der Entlassung nicht aufgeht. Sie verzichten lieber auf eine höhere Produktion, oder sie kommen mit Überstunden aus, was die schlechtere Lösung ist. Zunächst müsste die Periode ohne Entlassungsentschädigung von gegenwärtig 3 Monaten auf 2 Jahre verlängert werden. Das steht jedoch nicht einmal zur Diskussion.
Es ist statt dessen die Initiative aufgekommen, die Entlassungsentschädigung abzuschaffen, und einen Fonds zu schaffen, wie er in der Bauwirtschaft seit 1967 schon besteht, mit dem den Entlassenen eine Entschädigung gezahlt wird. Der Deputierte Martín Lousteau (JxC) hat schon ein Gesetzesprojekt eingereicht, das sofort von Ökonomen Ricardo López Murphy kritisiert wurde. Doch im Prinzip hat Lousteau recht: denn der Beitrag für den Fonds würde geringer sein als die Reserve für Entlassungen, weil er sich auf den Koeffizienten stützt, der sich aus der Zahl der jährlich Entlassenen auf die der Beschäftigen stützt, außerdem würden dann auch Arbeitnehmer die Entschädigung erhalten, die sie gegenwärtig nicht beziehen, weil ihre Unternehmen pleite gegangen sind. Bei den über 25.000 Kleinbetrieben, de in den letzten zwei Jahren geschlossen haben, sind die Arbeitnehmer fast immer leer ausgegangen. Man könnte auch an ein gemischtes System denken, bei dem die Unternehmen einen geringen Teil der Entschädigung zahlen, und der Fonds den größeren. Die Diskussion findet im privaten Bereich statt, obwohl sich der Regierung hier eine gute Gelegenheit für ein Gesetzesprojekt bietet, mit dem sie mehrere Probleme auf einmal lösen würde. Stattdessen hat die Regierung das absurde Projekt im Kongress eingebracht, über das wir unten berichten. Kann man sich dann wundern, das die Unternehmer pessimistisch sind? Diesen Leuten fällt überhaupt nichts vernünftiges ein, um effektiv an die Krisenerscheinungen heranzugehen.
Allein, das bei weitem wichtigste Problem besteht im Abschluss des Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds. Wirtschaftsminister Martín Guzmán und ZB-Päsident Miguel Pesce befinden sich in Washington, wo sie mit den IWF-Fachleuten verhandeln. Vorläufig kommt die Regierung über die Runden, weil die zusätzlichen Sonderziehungsrechte in Höhe von u$s 4,3 Mrd. ausreichen, um die Zahlung zu leisten, die noch in diesem Jahr fällig wird. Und wahrscheinlich würde der Fonds auch zu einer Hinausschiebung der nächsten Zahlungen zustimmen, eventuell mit einem kurzfristigen Abkommen, um einen Default zu vermeiden. Doch es geht nicht nur um dieses Problem. Ein Abkommen betrachtet die Unternehmerwelt, hier und im Ausland, als unerlässlich, um die Aussicht auf einen Default abzuschaffen, der sonst früher oder später als unvermeidlich erscheint. Das hemmt auch internationale Geschäfte, bei denen es eventuell auch um Auslandskredite geht.
Die Blitzreise von Kabinettschef Juan Luis Manzur nach New York und Washington hat eine große Bedeutung. Einmal gibt er dabei Guzmán Rückendeckung, indem er dem Fonds klarmacht, dass die Regierung geschlossen hinter Guzmán seht. Das war bisher infolge der Querschüsse von Cristina und Máximo nicht so sicher. Aber außerdem zeigt Manzur mit der Reise unmissverständlich, dass Argentinien auf der Seite der Vereinigten Staaten steht und nicht für Venezuela, Kuba und Nicaragua eintritt. Ohne die Unterstützung der USA und der EU hat das argentinische Wirtschaftsproblem keine Lösung, wobei es allerdings damit bei weitem nicht ausreicht.
Angeblich will Guzmán das Abkommen im Januar 2022 abschließen, was bedeutet, dass er schon jetzt intensiv verhandeln muss, so dass im Dezember nur noch wenige Punkte offen bleiben. Dabei kommt es weniger auf einen Zahlungskalender an, den Argentinien erfüllen kann, als auf konkreten Maßnahmen, die der Fonds fordert, die auf lokaler politischer Ebene konfliktiv sind. Das primäre Defizit muss drastisch gesenkt werden. Eigentlich dürfte es kein Gesamtdefizit geben, und es müsste sogar ein Überschuss erwirtschaftet werden, mit dem die bestehende Schuld gegenüber dem IWF und den Investmentfonds schrittweise abgebaut wird. Doch auch ohne dies müssten als Erstes die Tarife öffentlicher Dienst, angefangen mit dem Stromtarif, stark angehoben werden. Und dann müssten die einzelnen Ausgabenbereiche gründlich durchkämmt werden (was die Fondsbeamten wahrscheinlich schon weitgehend getan haben), um Ausgaben zu streichen.
Eine reale Senkung der Staatsausgaben um 20% sollte einfach sein. Man sollte mit der Schliessung des Kohlebergwerkes Río Turbio beginnen, das überhaupt keinen vernünftigen Sinn hat und enorme Subventionen benötigt. Aber man muss auch die Aufwendungen für öffentliche Investitionen senken, sofern sie nicht durch Kredite der Weltbank, der BID, der Andenkörperschaft, sowie chinesischer u.a. Banken finanziert werden. Bei einer Prüfung durch Fachleute könnten die einzelnen Projekte ohne weiteres verbessert und verbilligt werden. Es gibt gewiss viel zu tun, um die Staatsstruktur zu sanieren. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, und das dürfte Minister Guzmán auch bewusst sein. Aber er braucht Rückendeckung, die ihm Präsident Fernández bisher nur zögernd gab, weil Cristina immer dazwischenfunkte. Kabinettschef Manzur, der neue starke Mann der Regierung, dürfte jetzt Guzmán voll unterstützen.
Beiläufig bemerkt: Cristina hat sich vor kurzem mit zwei angesehenen Ökonomen unterhalten, die ihr bestimmt guten Rat gegeben und sie auf die Gefahr und die Folgen eines Zusammenbruchs aufmerksam gemacht haben dürften, der auch sie betrifft. Die Namen wurden bisher geheim gehalten, dürften aber gelegentlich bekannt werden. Es ist auf alle Fälle ein wichtiger Fortschritt, dass sie die Halbstarken und die Marxisten, die sie umgeben, dieses Mal beiseitegelassen hat. Denn es deutet darauf hin, dass sie den Ernst der Stunde begriffen hat.
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