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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Auswanderung

Von Juan E. Alemann

Argentinien war in früheren Zeiten ein Einwanderungsland. Das ist es noch immer: aber statt Europäer, die eine bestimmte Kultur mitbringen, kommen sie jetzt aus lateinamerikanischen Staaten. Es sind meistens arme Menschen, die die Elendsviertel füllen. Gleichzeitig wandern gut ausgebildete Argentinier aus, nach den Vereinigten Staaten und europäischen Staaten. Es ist ein schlechtes Geschäft für das Land, das in diesen jungen Leuten viel in Erziehung investiert hat. In den letzten Jahren kommen auch Venezolaner ins Land, von denen viele eine gute Ausbildung haben, Die meisten würden in ihre Heimat zurückkehren, wenn dort wieder vernünftige Zustände hergestellt würden.

Der Wunsch, auszuwandern, ist bei jungen Menschen, vor allem Akademikern, in den letzten Jahren stark gestiegen. Bei Umfragen äußern sich die meisten in diesem Sinn. In der Tat sind die Möglichkeiten für frisch promovierte Akademiker in fast allen Berufen, mit Ausnahme der Informatiker, eine Anstellung zu erhalten, sehr gering. Das liegt nicht nur daran, dass die Wirtschaft seit einem Jahrzehnt stagniert, sondern auch an der übermäßig hohen Zahl der Absolventen. Es besteht ein Überschuss bei fast allen akademischen Berufen. Buchhalter, Anwälte, Ökonomen, Ingenieure u.a. müssen sich oft begnügen, Arbeiten zu verrichten, die sie ohne ihr akademisches Studium genau so gut durchführen könnten.

Schon über zwei Millionen Argentinier leben im Ausland, besonders in den Vereinigten Staaten und Spanien. Mit den Familien, die sie inzwischen gebildet haben, sind es gut doppelt so viele. Hinzu kommen jetzt noch reiche Menschen, die ihren Wohnort nach Uruguay oder sonst wohin verlegen, um der erdrückenden Steuerlast Argentiniens zu entgehen. Letztes Jahr waren es schon fast 12.000, acht Mal viel wie drei Jahre zuvor. Wenn jetzt auch erfolgreiche Unternehmer auswandern, bedeutet das, dass sie auch geneigt sind, in anderen Ländern statt in Argentinien zu investieren, so dass sie hier auch keine Arbeitsplätze schaffen.

Die Regierung hat nicht die geringste Ahnung, wie sie an das Problem herangehen soll. Sie müsste sich zunächst bemühen, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, auch qualifizierte. Das erfordert eine Reform der Arbeitsgesetzgebung, die heute bei Einstellung von Arbeitnehmern das Unternehmen mit dem Risiko einer eventuell hohen Entlassungsentschädigung belastet. Um die Anstellung junger Menschen zu fördern, sollten auch die hohen Soziallasten in den ersten Jahren stark verringert werden.

Die Arbeitswelt erfährt gegenwärtig im Rahmen der technologischen Revolution eine tiefgreifende Änderung. Die Produktionsprozesse werden automatisiert oder dank Informatik mit weniger menschlicher Arbeit vollzogen. Das bedeutet, dass relativ weniger ungelernte Arbeiter nachgefragt werden und hingegen mehr gelernte. Das bezieht sich mehr auf Techniker aller Art als auf Akademiker, betrifft aber auch diese. Wenn jetzt besonders diese Leute auswandern und ungelernte Arbeitskräfte einwandern, dann geht dies in genau die gegenteilige Richtung, die die Wirtschaft anpeilt.

Für junge Menschen, die sich als selbständige Unternehmer betätigen wollen, ist die Lage besonders schwierig. Sie müssen einmal über Kapitalgeber verfügen, die sie meistens nicht haben. Vom Bankkredit sind sie ausgeschlossen, und beim Wucherkredit binden sie sich von vorneherein einen Strick um den Hals. Außerdem sind die Amtswege zwecks formeller Eintragung eines neuen Unternehmens so kompliziert und umfangreich, dass sie von vorneherein ein Hindernis darstellen. Für neu gegründete Unternehmen muss es Ausnahmeregelungen geben.

Offensichtlich befasst sich niemand in der Regierung mit den hier aufgeführten Problemen. Und auch sonst, wird zwar auf die Probleme hingewiesen, aber es werden keine Lösungen vorgeschlagen.

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