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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

„Außergewöhnlicher Journalist und großherziger Freund“

Der ehemalige Tageblatt-Redakteur Jörg Wolfrum über Stefan Kuhn

Stefan
Jörg Wolfrum (l.) mit Stefan Kuhn im Jahr 2019. (Foto: Privat)

Buenos Aires (AT) - Allererstes Treffen, 1996. Man hatte, mit Herzklopfen, vorbeigeschaut beim Argentinischen Tageblatt, das damals in einem Stadtpalast mit repräsentativer, geschwungener Treppe logierte, Ecke Juncal und Arenales, hinter der Cancilleria, mondäner geht es kaum. Dann aber stand Stefan Kuhn vor dem Autor dieser Zeilen, und das Mondäne der Destination, der legendäre Ruf der Zeitung, der Hauch der Geschichte verschwand hinter die Menschlichkeit, die der Redaktionsleiter des Tageblatts vom ersten Moment an ausstrahlte.

Es war ein Vorfühlen gewesen vonseiten dieses Autors mit Blick auf eine mögliche Anstellung beim AT. Aber schon in dieser ersten Unterredung hatte sich Stefan Kuhn dem Interessenten gegenüber nicht als Redaktionsleiter einer legendären Zeitung präsentiert, sondern als sensibler Gesprächspartner.

Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Stefan Kuhn war als Chefredakteur und Blattmacher so brillant wie als Schreiber, ein intellektueller Kopf und herausragender Journalist, der, angesichts seiner, und das ist immer seltener zu finden, umfassenden (Aus-) undAllgemein-Bildung prädestiniert war, ein ganz spezielles Medium wie das Tageblatt zu leiten. Ein Medium, in dem nicht nur das große Ganze der Weltpolitik mit dem Wimmelbildartig-Lokalen zusammengeführt werden muss, sondern eines, in dem auch der Spagat des legendären „Hüben und Drüben“ zu meistern ist: Weltenerklärer zu sein und gleichermaßen auch Kommunikationsmedium der deutschsprachigen Exilgemeinschaften.

Das Tageblatt lebte von den profunden (welt-)politischen Analysen seines Redaktionsleiters genauso wie von dessen Kunst, die spezifischen Themen der verschiedenen Gemeinschaften nicht nur zu transportieren, sondern diese auch in den modernen Kontext der alten Heimat Schweiz, Österreich und Deutschland zu setzen.

Dabei drängte sich Kuhn trotz aller Brillanz nie auf. In sich ruhend, nahm er sich sowohl in der Außendarstellung als auch nach Innen bewusst zurück, das Laute war seine Sache nicht, die erste Reihe überließ er gerne anderen, er lenkte aus dem Hintergrund, so bestimmend wie zielsicher - und überaus empathisch, zu einer Zeit, als diese Vokabel noch längst nicht im allgemeinen Sprachgebrauch verankert war.

Der Mensch in der Kollegin, im Kollegen war ihm stets wichtiger als die Journalistin, der Journalist. Als Redaktionsleiter vermittelte Kuhn Generationen von journalistischem Nachwuchs nicht nur handwerkliches Rüstzeug, der musisch-humanistisch geprägte Schwabe schärfte Blick und Geist seiner Eleven, vermittelte sozialdemokratische und friedensbewegte Werte und damit auch Leitplanken für das Leben, hüben wie drüben. Kuhn war ein Anker, als Mensch, als Journalist.

Was bleibt, was mir zudem bleibt, ist neben der Erinnerung an einen außergewöhnlichen Journalisten aber vor allem die an einen treuen, bedingungslosen, großherzigen Freund. An so intensive wie schonungslose, doch gerade deshalb bereichernde persönliche Gespräche.

Stefan hatte Spaß am intellektuellen Diskurs wie am Schnack, auch das machte aus einem Abend nach Dienstschluss nicht selten einen, im Wortsinne, Feierabend. Und: Freund Stefan war immer, wirklich immer mit Rat und Tat zur Stelle. Danke für alles y hasta siempre, querido amigo Steff!!

Jörg Wolfrum arbeitete von 1998 bis 2004 als Redakteur für argentinische Politik und Sport beim Tageblatt. Heute ist er für das Fußballfachmagazin „Der Kicker“ tätig.


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