Jetztzeit - Lebenserinnerungen zur Migration der Siemsen
Berlin: Selbstverlag 2021, 92 pp.
In Berlin gab es im November letzten Jahres eine Ausstellung mit diesem Titel über die Migrationen der Familie Siemsen. Eine bedeutsame Geschichte, sowohl für Deutschland als auch für das südliche Südamerika.
Die Publikation von Ezequiel Monteros und Sandra Feferbaum-Siemsen besteht aus Fotos der Exponate, zwei Interviews und ein paar kürzeren Texten von Anne Saint-Sauveur und Gerd Eisenberg, die in einem der beiden Interviews ihre Sachkunde beweisen und die Methodologie der Exilforschung erklären. Das zweite Interview ist von 1992. Eisenberg hat damals Pieter Siemsen, den Sohn von August Siemsen und Großvater von Sandra Feferbaum-Siemsen, interviewt, der wie sein Vater nach Deutschland zurückgekehrt war und sich in der DDR dann doch nicht so glatt einleben konnte wie erwartet. Das Thema des Auswanderns, des damit kontrastierenden Exils und des Zurückwanderns steht im Mittelpunkt. Außerdem werden die Lebensgeschichten der fünf Geschwister Siemsen in der Generation Augusts behandelt, die während der Weimarer Republik die Sozialistische Partei mitbestimmt haben, besonders August Siemsen selbst und seine Schwester Anna, deren Geschichten ausführlicher dargestellt sind als die der drei anderen.
Das Buch enthält eine Reihe von Fotografien der wichtigsten Publikationen dieser Familie, vor allem natürlich von dem in Buenos Aires von August Siemsen redigierten und von Clement Moreaux ausdrucksvoll illustrierten Das andere Deutschland und dem von seinem Sohn herausgegebenen Blatt Heute und Morgen. Daneben gibt es viele Familienphotos und Portraits, auch von Mitstreitern dieser sozialistisch eingestellten Familie. Das Bildmaterial wurde teils einfach abfotografiert, teils grafisch verändert, und stellt durch diese Veränderungen die zerrissene und unsichere Welt dar, in die die Migration das Individuum stößt.
Exil in Argentinien, Remigration der verschiedenen Generationen nach Deutschland und deren diverse Reaktionen… Wie könnte man hier eine ähnliche Ausstellung planen, ausgehend von einer solchen Bildauswahl? Bei August Siemsen ist klar: sein ganzes Leben war nach Deutschland ausgerichtet. Aber warum wieder weggehen von Buenos Aires, wenn man sich, wie Pieter Siemsen, eigentlich als Südamerikaner fühlt? Und was ist mit den Töchtern Pieters, die mit ihrer Mutter in Buenos Aires geblieben sind? Und was treibt Sandra wirklich nach Deutschland? Sie hat dort die Dokumente ihrer Vorfahren gefunden, das fasziniert… aber war das das Ziel ihrer Reise?
Es wäre schön, wenn in Buenos Aires ein ähnliches Projekt zustande käme, mit klugen Ausführungen und Reden, und guten Fragen aus dem Publikum. Fragen, die durch Kontakt mit den Familienmitgliedern sicherlich Antworten finden.
(Aus Mitteilungsblatt IX/5-2022)
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