Paul Zechs Trennung vom Argentinischen Tageblatt
Im November 1935, rund ein Vierteljahr nach seiner vom Argentinischen Tageblatt finanzierten dreimonatigen Reise nach dem Norden Argentiniens, attackiert Zech in dieser Zeitung die „Schwarze Front“, eine Vereinigung dissidenter Nazis, angeführt von Otto Strasser, einem früheren Mitglied der SPD und danach der NSDAP. Sie gibt eine Kampfschrift gleichen Namens heraus und ist seit Jahresfrist in Südamerika aktiv. Ein Aufmarsch ihrer Mitglieder in Buenos Aires erregt den Zorn des Emigranten Zech. Dem macht er sich mit einem Artikel im Argentinischen Tageblatt Luft, dessen Überschrift „Halte wach den Hass!“ er sich von einem Gedicht Walter Hasenclevers ausgeborgt hat. Es dürfe, so seine Forderung, keine wie immer geartete Zusammenarbeit mit den Nazis geben. Die Ablehnung Hitlers durch die Schwarze Front ändere nichts an deren faschistischem Gedankengut. Der weit verbreiteten Auffassung, „dass nur der Krieg den braunen Budenzauber ins Jenseits befördern könne“, hält er - vier Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs - entgegen: „Wen trifft dieser Schrecken aller Schrecken? [...] alle die Gerechten, die Unschuldigen, die Frauen und Kinder...die werden die Asche sein, die der Krieg zerstäubt. Die werden ausgelöscht aus dem Leben.“ Mit diesem Beitrag endet Zechs Tätigkeit für Ernesto Alemann, den Herausgeber des Tageblattes. Die Gründe hierfür sind nicht so eindeutig auszumachen, wie das bei früheren Streitigkeiten zwischen dem Autor und seinen Verlegern der Fall gewesen ist. Mehrere Mitarbeiter der Redaktion berichten von eigenen Auseinandersetzungen mit dem Chef und schildern ihn als kühl berechnenden Unternehmer. Der Künstler Clement Moreau lastet ihm an: „Die Zeitung, wie die Pestalozzi-Schule existierten für ihn aus geschäftlichen Erwägungen. Klappte jedoch das Geschäft, so ließ er auch politisch mit sich reden.“ Das ist bei Zechs Angriff auf die Schwarze Front nicht der Fall. Alemann will es mit Strassers Leuten nicht verderben. Zech bringt der Verlust dieser Publikationsmöglichkeit um den größten Teil seiner bisherigen Leserschaft. Alemann zeigt auch keine Neigung mehr, Verse seines ehemaligen Mitarbeiters gesammelt als Broschüre herauszugeben, da sich dessen vor Jahresfrist [1933] erschienene Publikation Bäume am Río de la Plata schlecht verkauft. Alfred Hübner. Der voranstehende Artikel ist ein Auszug aus dem demnächst erscheinenden Buch Alfred Hübners Die Leben des Paul Zech. Eine Biographie. Heidelberg: Morio Verlag 2021 (Auszug: Seite 542). Die letzten 300 berichtenden Seiten dieses Buches –es ist mit Quellenangaben und bibliographischen Listen insgesamt 900 Seiten stark– beschreiben das Leben Zechs in Buenos Aires (1933-1946). Die Darstellungen Hübners über das Umfeld des Dichters Paul Zech in Buenos Aires und seine Rolle als Kulturvermittler (ab S. 494) sind eingehend recherchiert, lassen viele Namen von vergessenen Intellektuellen jener, auch in Buenos Aires für die Deutschen dunklen, fünfzehn Jahre neu aufleuchten und wecken die Neugier der Leser und Leserinnen. Zweifellos läuten sie eine neue Phase der Forschungen zum Thema Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Argentinien ein.
RR
(Aus Mitteilungsblatt VIII/7-2021)
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