Zwei Werke von Osvaldo Bayer
1- Aufsätze und Dokumente zu seiner Geschichte / Rebeldía y Esperanza. Documentos. Grupo Editorial Zeta S.A. (1993). 430 páginas
Osvaldo Bayer (1927-2018) gebürtig in Esperanza, Provinz Santa Fe (Argentinien), studierte 1952-1956 Geschichte in Hamburg. Er wurde ein intellektueller politisch engagierter Journalist, der sich selbst als “Anarchist und unbedingter Pazifist” bezeichnete. Während der Regierung von Héctor Cámpora und der dritten Präsidentschaft Juan Domingo Peróns, Anfang der 70er Jahre, war er seiner Publikationen wegen der Zensur und Drohungen und Verfolgungen ausgesetzt. Schließlich, nach der ersten Vorführung 1974 des Films Patagonien im Aufruhr*, dessen Libretto er mit Héctor Olivera verfasst hatte, flüchtete er in die Deutsche Botschaft, von wo er von dem Kulturattaché und dessen Frau “unter Lebensgefahr” (p. 112) zum Flughafen Ezeiza gefahren wurde, und ging von dort nach Deutschland ins Exil. Dort lebte er bis 1983, als die argentinische Demokratie nach der langen Diktatur wieder auflebte.
In dem Buch finden sich Essays und nachdenkliche Texte sowie Polemiken mit Álvaro Abós, Rodolfo Terragno und Ernesto Sábato zu den Themen politischer Opportunismus und die Verantwortung der Intellektuellen, das Exil, das Erinnern, die Militärs, die Gewaltsamkeit, die Konsumgesellschaft usw. Wie es im Klappentext steht, behandelt das Buch “die Geschichte der Zweifel einer Generation, die ihre Augen gegenüber der Wirklichkeit Argentiniens während der ersten Regierung Peróns geöffnet hat und deren Zeit mit der Ära Menem abschließt, in der der Peronismus leidet und ausstirbt”.
Das Buch betrifft nicht nur Argentinien sondern auch Deutschland, das Bayer, wie viele andere politische Exilanten, aufgenommen hatte. In dem ihm aber 1979 auch Folgendes zustieß: er war vom Außenamt zu dem Internationalen Lateinamerika-Kolloquium mit dem Thema “Das Bild der Bundesrepublik in den Augen eines lateinamerikanischen Exilanten” eingeladen, wurde aber wieder ausgeladen, nachdem er seinen Vortrag den Organisatoren vorgelegt hatte. Es ging um den Kontrast zwischen den Bundestags- und Regierungsangehörigen, die das argentinische Militärregime unterstützten und geschäftlich nutzten, und denjenigen im Volk, die nach den Verschwundenen zu suchen verlangten. Das Deutschland des “Nunca Más”, das der Menschlichkeit und das Deutschland der Realpolitik. “Für Bayer besteht die Hoffnung in den ‘Söhnen des Volkes’, die in kurzen Lebensabrissen von Träumern und Utopisten in die Zukunft weisen.” (So der Klappentext).
2- Spanische Faksimilausgabe von Osvaldo Bayers Zeitschrift “Der Funke. Gegen den Großgrundbesitz-Gegen den Hunger-Gegen die Rechtlosigkeit”. Edición facsimilar. Curadores de la obra: Bruno Nápoli y Mariano Pennisi. Vicente López, Buenos Aires: Editores Ignorantes. 2017. 93 páginas.
Nach seiner Rückkehr aus Deutschland ließ sich Osvaldo Bayer 1958 als Redakteur an der dortigen Lokalzeitung in Esquel, Provinz Chubut, nieder. Er hielt sich nicht lange auf dem Posten, weil er das dortige Establishment angriff, zu dem auch der Zeitungseigner, Luis Feldman Josin, gehörte. Er gründete deshalb im Dezember 1958 eine Zeitschrift, “La Chispa” (Der Funke, russisch Iskra). Der Name ist bezeichnend, denn diesen Namen hatten die russischen Revolutionäre im Exil für ihre Veröffentlichungen verwendet. Man sieht schon an den Untertiteln der Zeitung, dass sie Angriffen auf die Politiker in Esquel und auf die Regierung Frondizi gewidmet ist. Es sind nur 8 Nummern davon erschienen und Bayer wurde mit seiner Familie im April 1959 aus Esquel ausgewiesen. Die Erfahrungen in Patagonien sind für die Ausrichtung von Bayers späteren Arbeiten über die Vorfälle und die Geschichte Patagoniens wichtig geworden.
RL
(*) Der Film Aufstand in Patagonien erhielt auf der Berlinale 1974 den Silbernen Bären. Er verfilmt die zwei ersten Bände von Bayers vierbändigem Werk mit dem Titel Die Rächer des tragischen Patagoniens, auf Deutsch Aufstand in Patagonien.
Aus Mitteilungsblatt VIII/11-2021
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