Kalte Krieger am Río de la Plata
Die beiden deutschen Staaten und die argentinische Militärdiktatur
Angela Abmeier. Kalte Krieger am Río de la Plata. Die beiden deutschen Staaten und die argentinische Militärdiktatur. Düsseldorf: Droste Verlag, 2017. (Veröffentlichte Doktorarbeit. Schriften des Bundesarchivs.)
In vorliegender Dissertation werden die diplomatischen Papiere aufgearbeitet, die während der Militärdiktatur zwischen den deutschen Botschaften (BRD und DDR) und den Dienststellen in Deutschland gewechselt wurden, sowie die entsprechenden Informationen vor Ort, unter Nutzung einer weit gefassten Bibliographie und der Presse.
In den zentralen Kapiteln wird der Verlauf der Beziehungen 1976-1983 in vier Zweijahresabläufen abgehandelt, in denen jeweils die politischen, die wirtschaftlichen und die Fragen der Menschenrechte für die Bundesrepublik und –der Sache nach weniger umfangreich– gesondert die Beziehungen der DDR zu Argentinien analysiert werden. Die Menschenrechtsfragen waren für die DDR nicht relevant, wurden aber in der Bundesrepublik diskutiert. Hier das Fazit Abmeiers: “Während die Bundesregierung sich in der ersten Phase der Diktatur nahezu ausschließlich für deutsche Opfer der Diktatur einsetzte, wandelte sich ihr Engagement in der zweiten Phase zu einer humanitären Aktion auch für argentinische Gefangene. Das bilaterale Verhältnis verschlechterte sich aufgrund der Menschenrechtssituation, weil die Bundesregierung zunehmend enttäuscht über das fehlende Entgegenkommen der argentinischen Seite war und ihren Gesprächspartnern im Falle der Verschwundenen ein Nichtwissen nicht länger abnahm. Erst in der dritten Phase der Diktatur, als die repressivste Zeit bereits vorbei war, äußerten Vertreter der Bundesregierung –wenngleich noch immer verhalten– öffentlich Kritik, weil sie vom Tod aller deutschen Verschwundenen ausgingen und aufgrund der festgefahrenen Situation der nur noch wenigen deutschen Gefangenen nichts verlieren zu können glaubten. Auf in Aussicht gestellte Verbesserungen des Verhältnisses, wenn deutsche Gefangene freigelassen oder die Schicksale der deutschen Verschwundenen aufgeklärt würden, ging die argentinische Regierung nicht ein. Im letzten Abschnitt der Diktatur beobachtete die Botschaft eine zunehmende Polarisierung innerhalb der Bevölkerung in der Frage der Aufklärung des Schicksals der Verschwundenen und befürchtete, dass die argentinischen Militärs aus Angst vor Aufdeckung der Verbrechen eine Demokratisierung verzögern oder gar verhindern könnten. Sie schwieg daher zunehmend zu diesem Thema.
Für die sukzessive Verschlechterung des bilateralen politischen Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und Argentinien waren die Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegen deutsche Staatsbürger, ursächlich. Auf die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen hatte dies jedoch keine Auswirkungen.” (p. 522) Fast alle deutschen und deutschstämmigen Opfer sind 1976-77 entführt worden. In der zweiten Phase kam die Frage nach argentinischen Asylbewerbern hinzu, wobei die Aufnahmemöglichkeiten (nicht nur in Deutschland) zehnmal höher waren, als die Menge der wirklich Aufgenommen. Hier steht Deutschland mit 37 aufgenommenen Bewerbern (plus Familien) im Mittelfeld. Man betrieb “stille Diplomatie”, auch als in der Phase drei die Verschwundenen schon als tot galten. Als die Menschenrechtsfragen in Argentinien in der vierten Phase in den Vordergrund gerieten, blieb die westdeutsche Diplomatie trotz Drängens der deutschen öffentlichen Meinung bei ihrer Zurückhaltung, um nicht die Empfindlichkeit des Gastlandes zu reizen.
Dem Buch hätte im Text eine Straffung wohl getan. Aber es werden klare Linien gezogen und eingehend und überzeugend belegt, sehr wichtig bei diesem heiklem Thema.
RR
(Das Buch ist im Centro DIHA zugänglich - Aus Mitteilungsblatt VIII/10-2021)
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