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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Aus den Regalen des Centro DIHA


Herbstlektüre: Ein autobiographisches Buch von Martín Hary: C’est le pays du bon Dieu. [El país de Tata Dios] 1881-2016. Buenos Aires: Ediciones Maihuensch 2018. (en español) Das fünfte Buch von Martin Hary ist aus mehreren Gründen außergewöhnlich. Der Erzähler zitiert auf den ersten Seiten eine kurze Autobiographie seines Urgroßvaters Charles Alphonse Hary, der 1881 nach Argentinien einwanderte, und längere Erzählungen seines Großvaters Paul, seines Onkels Paul und seines Vaters Ernesto Hary. Diese vom Autor ab und zu kommentierten Texte bilden die erste Hälfte des Buches. Die zweite Hälfte befasst sich mit seiner eigenen Kindheit und Jugend, mit Menschen, die ihn beeinflusst haben und mit Freunden.

Er hat an der Norteschule (damals Teil der Goetheschule) in einem deutschen Umfeld die Sekundarstufe durchlaufen, und dabei einige Freunde fürs Leben gewonnen. Harys Interesse für Geschichte und Politik und sein selbstverständlicher Zugang zur europäischen Kultur prägen die Erlebnisse dieser Autobiographie. Martin Hary hat väterlicherseits französische Großeltern, Paul und Pauline Hary, und seine Mutter war eine ganz besondere Frau: Inge (Jovita) Epp.

Zwei Immigranten aus der Familie des Autors wurden zu wichtigen Persönlichkeiten in Argentinien. Paul Hary (1875-1956) war ein bekannter Architekt. Neben vielen Herrschaftshäusern in Buenos Aires hat er den Palacio Errazuriz (heute Museum für Dekorative Kunst) und das Zollgebäude entworfen. Er kam aus einer lange in der Normandie auf dem Lande ansässigen Familie, und das Landleben lockte auch den Architekten und seine Söhne, Martins Vater und seinen Onkel Paul. Sie zogen nach dem Studium auf Ländereien, die der erfolgreiche Architekt in der Provinz Buenos Aires erworben hatte. Beide bewirtschafteten das Land und modernisierten die Produktion. Auf einer Europareise 1932 lernte Ernesto Hary auf dem Schiff zwei Tänzerinnen der Folies Bergères in Paris kennen, die nach Frankreich zurückreisten. Es waren die “Schwestern Epp”, zwei Tänzerinnen aus dem niederen Adel, die aus Österreich stammten und in München aufgewachsen waren. Die eine, Inge, heiratete er wenig später und nahm sie auf seine estancia La Galia bei Necochea mit. Ein Onkel der Schwestern war der bekannte Franz von Epp, ein bayerischer Nationalist. Nachdem er eine Rolle in den paramilitärischen Gruppen gespielt hatte, die Hitler zur Macht verhalfen, wurde er 1943 als Dissident von den Nazis gefangengesetzt. Er starb kurz nach Kriegsende.

Die Harys pflegten den Kontakt mit den französischen Vettern weiter, und die deutschen Verwandten fanden in der Nachkriegszeit in Argentinien Asyl. Auf diese Weise wuchs der Junge Martin im Kontakt mit seinem Großvater August Epp auf.

Inge lebte auf dem Kamp und hatte zwei Kinder. Während des Krieges begann sie ihre Sehnsucht nach der fernen Heimat und nach dem Stadtleben in Romanen zu behandeln, deren Handlung in Argentinien sich auf Immigranten konzentriert. Sie hat sieben erfolgreiche Romane in deutschen Verlagen veröffentlicht und wurde unter dem Namen Jovita Epp eine der bedeutendsten Autorinnen der deutsch-argentinischen Literatur. In Martin Harys Buch finden sich zwei Passagen aus ihren Romanen, die ihre Sehnsüchte zeigen. Trotz seines deutlichen Interesses an der internationalen und argentinischen Politik erwähnt der Autor nicht, dass seine Mutter in dem Buch Santa Maria der guten Lüfte (München/Zürich: Piper 1978) als erste Stimme in Argentinien von der Verfolgung der Guerrilla durch die Militärregierung Kunde gab.

Aus Mitteilungsblatt VI/2-2019


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