Siebzig Jahre. Erinnerungen aus meinem Leben. Von Eduard Devrient
Vor sechs Jahren hatten wir in der zweiten Nummer unseres Mitteilungsblattes dieses autobiographische Buch als Beispiel für das genannt, was wir im Archiv und in der Bibliothek des Centro DIHA sammeln. Damals zitierten wir ein Ereignis aus dem Leben des Autors, als er an der Grabung eines Brunnens teilnahm, denn damals waren die Windmühlen noch nicht eingeführt, die das Wasser mittels Bohrung aus der Erde saugten. Devrient kam ganz jung gegen 1890 nach Argentinien und erzählt sein Leben bis zu seinem siebzigsten Geburtstag Ende der 1930er Jahre.
Dieses Buch ist nun auf Bitten einer Wissenschaftlerin aus Córdoba von einer Mitarbeiterin des Centro DIHA übersetzt worden und soll in unserer Webseite veröffentlicht werden, sobald man wieder die ISBN-Nummern beantragen kann. Wir zeigen hier einen Passus aus dem Text über eine der Europareisen des Autors, der thematisch an die derzeitigen Erlebnisse mit dem Coronavirus anklingt.
„Um den alten Baustil der alten Häuser in Florenz zu verstehen, muss man sich in die Zeit der Streitigkeiten zwischen Ghibellinen und Guelfen versetzen. In Florenz stehen nicht weniger als 70 befestigte Häuser, und sie alle haben Fenster erst bei 10 Meter Höhe, so dass der untere Teil der Gebäude kahl und unheimlich wirkt und einem Gefängnis ähnelt. An den Mauern sind Ringe angebracht, an denen die streitlustigen Bürger ihre Pferde anbinden konnten. Leonardo da Vinci, Michelangelo und Savonarola begegnen uns im Geiste auf den Straßen und in den Museen. Es ist gut, die Geschichte nachzuschlagen, um alles zu verstehen, und es lohnt sich. Überall Erinnerungen an vergangene Zeiten. Die handgreiflichste ist vielleicht die Totengräber-Innung. Als die Pest in Florenz wütete, die Leichname auf der Straße verfaulten und alles verpesteten, bildete sich eine Sekte von barmherzigen Brüdern, die es auf sich nahmen, die Leichen zu bestatten. Sie hatten, um sich vor Ansteckung zu schützen, schwarze Masken vor und trugen eine hohe rote Mütze und einen schwarzen Kaftan. Die Regierung belohnte den Orden durch Privilegien, und noch heute versehen sie ihren barmherzigen Dienst in ihrer Tracht. Solch ein Begräbnis, mit Fackeln, ist uns in schauerlicher Erinnerung. Auch Taufen sahen wir und konnten uns als Protestanten über die Gebräuche der katholischen Kirche nicht genug wundern.“(S. 75-76) . (Aus Mitteilungsblatt VII / 4-2020)
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