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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Aufmüpfig

Von Pastorin Karin Krug

Jesus
Mit zahlreichen Gottesdiensten erinnern Christinnen und Christen an das Leiden und Sterben und an die Auferstehung Jesu. (Foto: dpa)

Ich finde, unsere religiösen Feste haben etwas Aufmüpfiges an sich. Sie erinnern uns daran, dass das, was in der Welt als absolute Wahrheit erscheint, keine letzte Gültigkeit hat. Unsere Feste sind ein Protest gegen alles, was wie ein unerbittlicher Umstand erscheint; gegen die Mächte des Bösen und der Bösen und gegen eine anscheinend hoffnungslose Realität.

Unsere jüdischen Geschwister feiern Pessach und erinnern von Generation zu Generation an die Befreiung aus der Sklaverei unter dem Pharao in Ägypten. Diese Befreiungsgeschichte fängt mit den wunderbaren Worten an: „Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinausführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt“ (Exodus 3).

Der HERR hat aber nicht nur damals und dort das Elend seines Volkes gesehen und das Klagen über ihre Bedränger gehört. Er tut es bis heute und wird es bis ans Ende der Zeit tun. Er ist ein aufmüpfiger Gott. Er erhebt Einspruch gegen alles Leid, das Menschen einander antun. Sein Protest scheint unterzugehen im Kriegsgeschrei und dem Donnern der Geschütze in der Ukraine. Trotzdem: Heute, an Ostern 2022 sagt Gott NEIN zu Gewalt und tausendfachem Tod. Und er sagt JA zum Leben. Sein Protest sollte ein Echo in den menschlichen Herzen finden.

Christen feiern Ostern und erinnern daran, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, weil Jesus Christus vom Tod auferstanden ist.

Ostern ist aber auch ein Fest, mit dem viele ihre Schwierigkeiten haben. Gott hat Jesus aus dem Tod auferweckt! Kann ich das wirklich glauben? Kann das wirklich wahr sein? Immer an Ostern denke ich an eine Frau, die mir nach einem Ostergottesdienst am Ausgang die Hand gab und sagte: „Sie ist so schön, die Ostergeschichte! Aber ist sie auch wahr? Am Ende müssen wir doch alle sterben. Wir werden geboren, um zu sterben.“ Ja, wir haben es nicht leicht mit Ostern. Wir haben die Zeugnisse der ersten Christen, doch sehen wie die Frauen am Grab und die Jünger in Galiläa können wir nichts. Oder vielleicht doch?

Wir sollten nicht nur beim Dogma stehenbleiben, wie es das Glaubensbekenntnis formuliert: „... am dritten Tage auferstanden von den Toten...“. Ein statischer Satz, wie dogmatische Sätze es eben sind. Die Aufmüpfigkeit von Ostern zeigt sich gerade darin, dass es von der Auferstehung Jesu her eine Erfahrung von Auferstehung gibt, die einbricht in unseren Alltag, die mitten in unserem Leben geschieht.

Es gibt ein wunderschönes Gedicht von Marie Luise Kaschnitz, das von dieser Auferstehung zum Leben im Leben spricht:


„Manchmal stehen wir auf

stehen wir zur Auferstehung auf

mitten am Tage

mit unserem lebendigen Haar

mit unserer atmenden Haut.

Nur das Gewohnte ist um uns.

....

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken

ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.

Und dennoch leicht

und dennoch unverwundbar

geordnet in geheimnisvolle Ordnung

vorweggenommen in ein Haus aus Licht.“


Diese Gedichtzeilen drücken eine existentielle Erfahrung aus, die ich kenne: die Erfahrung, aus Dunkelheit, Verzweiflung, Trauer, Angst oder Hoffnungslosigkeit unerwartet wieder "aufzustehen", mitten im Alltag und dem Gewohnten um mich herum für Momente aufgehoben zu sein in einer „geheimnisvollen Ordnung und einem Haus aus Licht“.

Man könnte es so sagen, dass die Auferstehung Jesu sich fortsetzt in unseren eigenen Auferstehungsgeschichten, in der aufmüpfigen Hoffnung, dass die Erfahrung eines gerechten und lebenspendenden Gottes stärker ist als die Erfahrung des Scheiterns, des Unrechts und des Todes, die wir täglich vor Augen haben. "Es ist die Veränderung, die sich in unserem Leben vollzieht, auf die es bei der Auferstehung Jesu ankommt", meint die deutsche Theologin Luise Schottroff, so wie die Auferstehung Jesu damals bei den Jüngerinnen und Jüngern Jesu Auferstehungerfahrungen in Gang gesetzt habe. Denn sie, die voller Angst geflüchtet waren und deren Hoffnung tot war, wurden zum Leben erweckt und mit der Aufgabe betraut, die Arbeit am Reich Gottes weiterzuführen.

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Sonst hätten Krankheit und Tod das letzte Wort über unser Leben. So aber glaube ich aufmüpfig an die Auferstehung und das ewige Leben. So weiß ich die Verstorbenen gut aufgehoben bei Gott. So gehe ich neu ins Leben mit Zuversicht und Hoffnung, die über das hinausreicht, was ich heute sehen und hören kann.

Das Grab sagt uns: wir werden geboren, um zu sterben. Aber Ostern sagt: Wir werden geboren, um zu leben und zu lieben.

Ich wünsche Ihnen allen frohe Auferstehung zum Leben im Leben!

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