Im Gespräch mit der deutschen Regisseurin Luise Donschen
Von Catharina Luisa Deege
Was haben Jon Malkovich, ein Ornithologe und Domina Undine de Rivière gemeinsam? Sie alle sind zu sehen in „Casanovagen“. Die Berlinerin Luise Donschen erforschte das Phänomen des weiblichen Begehrens und der Ambivalenz der Geschlechter über mehrere Jahre filmisch, entstanden ist dabei ihr erster Langfilm - ab dem 15. April kostenlos zu sehen auf www.vivamoscultura.buenosaires.gob.ar.
Buenos Aires/Berlin (AT) - Ein Flamingo spaziert langsam und stolz ins Bild. Nach einigen Sekunden pirschen sich Fotografen heran, Touristinnen zücken ihre Kameras. Zu schön, zu prächtig wirkt der mit rosa Federn und Goldnähten verzierte Menschenvogel, um ihn nicht für die Ewigkeit festzuhalten. Regisseurin Luise Donschen sagt zu der Anfangsszene, man erahne durch diese, wie ihr Film „funktioneren könnte“.
Was alles hinter „Casanovagen“ steckt, das muss Donschen ganz genau wissen. Nicht nur als Regisseurin arbeitete sie insgesamt fünf Jahre an dem Langfilm - sie war auch für das Drehbuch, die Produktion, den Schnitt zuständig und stand sogar selbst vor der Kamera. Gefilmt wurde von Helena Wittmann, einer damaligen Studienkollegin der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK), deren Film „Ada Kaleh“ bereits im ersten Teil des virtuellen Filmfests „Kollektive Konstellationen: Der neue unabhängige Film aus Hamburg“ zu sehen ist.
„‚Casanovagen‘ ist ein Film, dem man sicherlich anmerkt, dass er von vielen Frauen gemacht wurde“, erklärt Donschen per Videogespräch. In dem Langfilm geht es um Verführung. Was erzeugt Begierde? Ist es Schönheit? Macht? Und kann das ganze biologisch erklärt werden? „Ich bin natürlich sehr stark dem gefolgt was mich selber anspricht, was meiner eigenen Sinnlichkeit entspricht, und ich bin eben als Frau sozialisiert“, antwortet die Absolventin der HFBK auf die Frage, ob es sich denn um einen feministischen Film handle. Der Titel der schon beim 33. Mar del Plata International Filmfestival ausgezeichneten Arbeit ist auffällig und wirkt fast provokativ.
Sie verneint die Frage jedoch und erklärt, dass sie mit dem Projekt primär keinem politischen Auftrag gefolgt sei. „Die Idee dahinter war das Ausgehen von diesem Casanovagen, das habe ich mir ja nicht ausgedacht“, betont die gebürtige Berlinerin und führt fort: „Das haben die Ornithologen im Max-Planck-Institut erforscht, mit großer Ernsthaftigkeit.“ Inspiriert wurde sie also von dem sogenannten Fremdgeh-Gen, welches bei männlichen sowie weiblichen Singvögeln entdeckt wurde. Donschen wollte wissen: Wer ist denn nun der Casanova hinter diesem Gen? Und tauchte dazu in verschiedene Welten ein.
Der 67-Minuten-Film liegt irgendwo zwischen Dokumentation und Drama. „Es ist kein Dokumentarfilm im Sinne einer klassischen Beobachtung“, so die 38-Jährige. In den dokumentarischen Situationen gäbe es häufig jemanden, der sich inszeniert, auch wenn die Anteile „sehr unterschiedlich im Grad der Fiktionalisierung“ seien. Besonders naturbelassen gerieten die Szenen im Max-Planck-Institut: „Die Finken springen halt wie sie springen und der Forscher dazu redet wie er redet“, erinnert sich die Filmemacherin an die Dreharbeiten.
Das 2018 veröffentliche Werk ist Luise Donschens erster Langfilm. „Ich habe natürlich trotzdem ein Stück weit so gearbeitet, als würde ich viele Kurzfilme machen“, erzählt die Regisseurin. Es wurde gedreht, davon ausgehend etwas geschrieben, überarbeitet, wieder gedreht, ein Teil geschnitten: „Es war eine sehr kleinteilige Arbeit, die Sachen miteinander verweben zu können, ohne sie zu sehr in einen Zusammenhang zu zwängen.“
Den Verwebungen in „Casanovagen“ lebt kein gewöhnlicher Handlungsstrang inne. „Es gibt wahrscheinlich immer mal wieder Momente des Wunderns“, gesteht die studierte Germanistin und Ethnologin. Dem Zuschauenden wird jedoch durch lange Sequenzen Zeit gegeben, sich an die jeweiligen Protagonisten und neuen Eindrücke jeder Szene zu gewöhnen. Einer Donschens „Grundgenüsse am Kino“ sei das Beobachten. „Gerade wenn man nicht so stark eingreift, brauchen bestimmte Sachen Zeit, um sich entwickeln zu können.“
Knapp zehn Jahre nach ihrem Abschluss an der HFBK, in der Luise Donschen von 2010 bis 2017 selbst als künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war, arbeitet die Filmemacherin an neuen Projekten. Ein Kurzfilm steht kurz vor der Veröffentlichung, außerdem schreibt sie an einem neuen Drehbuch. Wir bleiben gespannt, welche Anregungen die Regisseurin als nächstes parat hält. Und wenn die Dreharbeiten wieder fünf Jahre andauern, dann ist jetzt zumindest eines gewiss: Das Warten lohnt sich.
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