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Auf den Arm genommen

Steiner & Madlaina vereinen Satire und Folk-Pop

Von Catharina Luisa Deege

Steiner - Madlaina
Das Duo singt in „Wünsch mir Glück“ vom Jungsein, Sexismus und der Schweiz. (Foto: Instagram)

Buenos Aires (AT) - Sie sind Schweizerinnen, sie sind jung, und sie haben was zu sagen; oder besser gesagt zu singen. Nora Steiner und Madlaina Pollina haben sich in ihrem zweiten Studioalbum etwas getraut. Mit politischer Message und viel Sarkasmus begegnet das Zürcher Duo der zeitgenössischen Gesellschaft und zeigt deren Schwächen im rockigen Folk-Pop auf.

Ein Aufnäher, auf dem „Wünsch mir Glück“ steht, ziert das Albumcover. Dazu das Foto einer Frau ohne Schneidezahn, die etwas unbedarft in die Luft starrt. Der Song „Es geht mir gut“ leitet fast unerträglich fröhlich das zweite Album der Musikerinnen ein. Das „unerträglich“ kommt nicht von ungefähr - der übertriebene „Feelgood“-Klang ist volle Absicht. Dieser beißt sich nämlich mit dem Liedtext: „Ich will nichts tun, nicht denken und nicht reden / Mich nicht mal mehr bewegen / Und ich weiß Glück hält nicht für immer / Diese Welt wird immer schlimmer.“ Zusammen mit einem luftig-leichten Schlagzeug, ständiger Dur-Gitarrenstimme und einem eintönigen, vor sich hin dudelnden Chor im Hintergrund Ironie pur.

Diese zieht sich durch das komplette Album, und trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - ist jede einzelne Songtextzeile volle Kanne politisch und ernst gemeint. In „Heile Welt“ beziehen sich Steiner & Madlaina unverkennbar auf ihre Heimat: „Damit unsere heile Welt noch eine Weile hält / Halten wir uns raus, nur so fühl‘n wir uns zuhaus‘ / Aber uns ist keiner bös, die neutrale Schweiz ist ein Paradies / Wir steh‘n gut da beim Rest der Welt, denn bei uns liegt die Antwort.“

Wäre die 24-jährige Madlaina Pollina keine Sängerin, würde sie gerne als Deutschlehrerin arbeiten. Das hat sie in einem Interview beim News-Kanal „Lookatchunk“ verraten. Ihre Finesse für die deutsche Sprache macht sich durch Wortspiele und Doppeldeutigkeiten bemerkbar. Diese schmücken so gut wie jeden Text des Albums.

Ein Lied fällt besonders auf, nicht unbedingt wegen des Textes, sondern weil es musikalisch stark vom friedlichen Folk-Pop abweicht. „Wenn ich ein Junge wäre (Ich will nicht lächeln)“ erinnert an rotzigen 90er-Girlbandrock. Eine hektische E-Gitarre, frecher Sprechgesang und die rebellische Attitüde überraschen bei Steiner & Madlaina zwar nicht, allerdings wirkt das Lied im Gesamtkontext ein wenig unpassend und fast schon „nervig“. Irgendwie ergibt jedoch genau das Sinn. Es geht in dem Lied um Stereotypen, denen Frauen in der heutigen Gesellschaft immer noch begegnen müssen. „Ich muss nichts beweisen, kenn‘ mich auch mit Technik aus / Ich weiß ganz genau, was ich nicht will und was ich brauch‘“, heißt es in der zweiten Strophe. Die 26-jährige Sängerin Nora Steiner sagte in einem Interview des Schweizer Senders SRF 3 zum Schreibprozess: „Das ist aus einer inneren Wut entstanden. Ich hatte mega viel Energie und war wirklich einfach so: Es nervt mich alles so fest, ich kotze es jetzt aufs Papier.“

Steiner & Madlaina singen gegen das System, sind sich aber auch gewiss, dass sie Teil davon sind. Sie predigen keinen Männerhass, benutzen die toxische Männlichkeit jedoch gerne als Gegenstand ihrer musikalischen Gesellschaftssatire, wie in „Ciao Bella“ und „Casanova“.

Auf Hochdeutsch haben die beiden Frauen, die gemeinsam in einer Zürcher Wohnung leben, ihr Herz auch in ihrem zweiten Musikalbum ausgeschüttet. „Wünsch mir Glück“ ist kein Pandemie-Album. Es nimmt unsere gute, alte Normalität mit all ihren Missverhältnissen unter die Lupe.

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