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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Auf dem Weg zu einem Abkommen mit dem IWF

Von Juan E. Alemann

Die Wahlen vom 14. November haben, wie von der Regierung erwartet, keine große Aufruhr gebracht, weil sie in großen Zügen das Ergebnis der PASO-Wahl bestätigt haben. Dass der Präsident versucht hat, die Wahlschlappe anders darzustellen, und ihr den Charakter eines Sieges zu geben, gehört in das Gebiet der politischen Phantasien, und ist nicht ernst zu nehmen. Er weiß sehr gut, dass die Regierungskoalition landesweit über 8,86% weniger Stimmen als die Oppositionskoalition “Gemeinsam für den Wandel” hatte, 5,1 Mio. Stimmen weniger als bei den Präsidentenwahlen von 2015 aufwies, in 16 Provinzen (von insgesamt 24, mit der Bundeshauptstadt) und in 109 von insgesamt 135 Gemeinden der Provinz Buenos Aires die Wahl verloren hat. Und so weiter und so fort.

Allein, die von der Regierung verlorene Wahl war schließlich positiv für das Land, und besonders für die Regierung. Bei einer gewonnenen Wahl hätte die Regierung, und vor allem Cristina, auf dem bisherigen Kurs beharrt, der in einer totalen Katastrophe mündet. Jetzt wissen die Regierungspolitiker, dass sie sich den Fall gründlich überlegen müssen, und einen vernünftigen Weg begehen müssen, angefangen mit einem Abkommen mit dem IWF, um 2023 ein besseres Wahlergebnis zu erreichen. Das bisherige politische Hindernis für eine vernünftige Wirtschaftspolitik ist nicht mehr vorhanden. Die Demokratie, die als rationelles politisches System gedacht ist, hat dieses Mal so funktioniert, wie sie gedacht ist. Die Wähler haben einer irrationalen Wirtschaftspolitik, die sichtbar versagt hat, eine Absage erteilt. Damit sie jedoch einer vernünftigen Wirtschaftspolitk zustimmen, muss diese einmal effektiv eingeführt werden, und dann auch kurzfristig Erfolge aufweisen. Die Aufgabe, vor der die Regierung jetzt steht, ist gewiss nicht einfach, kann aber auch erfolgreich sein. Das beginnt mit dem Abkommen mit dem IWF.

Wirtschaftsminister Martín Guzmán arbeitet seit Monaten stillschweigend an einem Abkommen, und hat sich angeblich mit den Fachbeamten des Fonds über viele Aspekte geeinigt oder versprochen, ihren Wünschen so weit wie möglich entgegenzukommen. Er hat auch den Präsidenten überzeugt, dass ein neues Umschuldungsabkommen die Voraussetzung für alles andere ist. Denn ohne dies ist ein neuer Default unvermeidlich, der auch bedeutet, dass keine Kredite der Weltbank, der BID, der Andenköperschaft, der chinesischen Förderungsbank gewährt werden, und noch weniger Kredite für Finanzierung von Kapitalgüterlieferungen. Auch kurzfristige Kredite, die den Außenhandel finanzieren, würde es nicht mehr geben. Die Lage würde zu einem totalen Chaos entarten, dass die Regierung politisch kaum überstehen könnte.

Guzmán hat den Fondsbeamten erklärt, dass er die volle Unterstützung des Präsidenten habe. Doch sie fragen ihn, ob er auch mit der Zustimmung von Cristina zählt. Das war bis vor kurzem nicht sicher, soll aber jetzt der Fall sein. Cristina ist schließlich intelligent genug, um zu verstehen, was hier auf dem Spiel steht, nämlich letztlich auch ihre persönliche Machtstellung. Cristina äußerst sich hier, wie schon so oft, durch ihr Schweigen. Und auch durch die Anweisung an die Senatoren und Deputierten, die auf sie hören, dass sie das Projekt eines Abkommens im Kongress behandeln und im Prinzip Guzmán unterstützen. Zunächst haben ihre Leute im Kongress auch geschwiegen, und keinen Protest geäußert, wie es bis vor Kurzem noch der Fall war.

Auch der Fonds will das Abkommen so bald wie möglich abschließen, so dass die Gefahr eines neuen Defaults abgeschafft wird. Der Fonds, der schließlich immer helfen will, Krisen zu überwinden, handelt auch jetzt in diesem Sinn. Doch das bedeutet nicht, dass er einer Politik zustimmt, die die Lage noch weiter verschlimmert. Irgendwann kommt der Moment, in dem es auch für den Fonds heißt, ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende.

Guzmán arbeitet intensiv an einem Programm, das im Wesen eine schrittweise Verringerung des primären Haushaltsdefizits binnen vier Jahren vorsieht, bis ein Minimum erreicht wird, das sich mit Geldschöpfung finanzieren lässt. So weit bekannt wurde, geht Guzmán dabei vornehmlich von einer Erhöhung der Einnahmen aus, die das Wachstum der Wirtschaft herbeiführen soll. Er soll angeblich auf die Wirkung der schon angekündigten Förderungsprogramme hinweisen, nämlich die für Erdöl und Gas, für die Industrie auf landwirtschaftlicher Basis, für die Bevorzugung lokaler Unternehmen bei staatlichen Käufen, und für die Informatiktechnologie. Ob das den Fonds überzeugt, ist fraglich, umso mehr als diese einzelnen Förderungsmaßnahmen eine sehr beschränkte Wirkung haben. Eine echte Wachstumspolitik beruht auf einem allgemeinen Konzept und nicht auf einer Politik für einzelne Bereiche.

Abgesehen davon besteht der Fonds auf einer starken Senkung des primären Defizits schon im Jahr 2022, und nicht nur schrittweise binnen vier Jahren, eben weil die Möglichkeit, es zu finanzieren, sehr beschränkt ist. Aber politisch ist es bei der Darstellung von Guzmán einfacher, vom Kongress die Zustimmung für das Abkommen zu erhalten, wenn er dieses Thema in den Hintergrund schiebt.

Ein Streitpunkt, der dabei schon aufgekommen ist, besteht im Umfang der öffentlichen Investitionen, die die Regierung dieses Jahr stark erhöht hat. Der Minister für öffentliche Bauten, Gabriel Katopodis, wies darauf hin, dass diese Investitionen 2019, unter Macri, nur 1,1% des Bruttoinlandsproduktes erreicht hätten, während die gegenwärtige Regierung sie 2021 auf 2,2% des BIP erhöht habe und 2022 2,4% anpeile. Das ist jedoch nur möglich, wenn diese Investitionen von der Weltbank, der BID oder sonst wie langfristig finanziert werden. Doch das ist nur in geringem Ausmaß vorgesehen. Argentinien könnte bestimmt mehr Kredite dieser Art erhalten, müsste sich aber ernsthaft darum bemühen, was voraussetzt, dass zunächst gründliche Studien gemacht und dann vorgelegt werden. Das ist jedoch nicht der Fall.

Katopodis wäre gut beraten, wenn er sich überlegt, welche Staatsbauten Priorität haben und welche hinausgeschoben werden können. Denn sie müssen global verringert werden, etwa auf die Hälfte, was einen Prozentpunkt des BIP ausmacht. Aber für die Regierung sind diese Investitionen ein wesentlicher Teil der Wachstumspolitik. Bei einigen Objekten mag dies objektiv stimmen, aber bei vielen anderen nicht.

Guzmán hat die Ausgaben bisher real verringert, aber ohne die Ausgabenstruktur zu verändern und unnötige oder wenig sinnvolle Ausgaben abzuschaffen. Er hat die reale Verringerung erreicht indem Gehälter der Staatsangestellten und Pensionen und Hinterbliebenenrenten hinter der Inflation zurückblieben. Doch das kann kaum fortgesetzt werden. Im Gegenteil ist zu erwarten, dass der Verlust jetzt teilweise aufgeholt wird.

Es ist anzunehmen, dass der Wirtschaftsminister sich von seinen Karrierefachleuten über die Möglichkeiten, Ausgaben zu streichen oder zu kürzen, unterrichtet hat, dies dann dem Fonds mitteilt, aber es der Öffentlichkeit zunächst verheimlicht. Dieses Verhalten dürfte auch Cristina befriedigen, der es schließlich darauf ankommt, dass das Abkommen mit dem Fonds sie nicht desavouiert. Denn auch sie hat stets die These vertreten, die Schulden des argentinischen Staates müssen mit Wachstum und nicht mit einem Opfer der Bevölkerung (das “ajuste”, also Anpassung, benannt wird) gezahlt werden. Wobei sie auch mit dem Gedanken gespielt hat, die Schuld überhaupt nicht zu bezahlen. Es ist schon ein Fortschritt, dass sie diese Phantasie aufgegeben hat. Frage. Hat sie es wirklich?

Es sollte nicht so schwer sein, ein Wachstum von ca. 5% jährlich zu erreichen. Denn im letzten Jahrzehnt, in dem per Saldo das BIP praktisch unverändert geblieben und pro Kopf der Bevölkerung gesunken ist, wurde auch investiert, der Wirtschaft viel neue Technologie einverleibt und es wurden viele Initiativen in Gang gesetzt, die zu höherer Wirtschaftlichkeit beitragen. Der Wachstumsimpuls der technologischen Revolution sollte nicht bagatellisiert werden. Es sollte somit zunächst genügen, die zahlreichen angesammelten Wachstumsimpulse in geordnete Bahnen zu lenken, um zu erreichen, dass das BIP auf Jahre hinaus zunimmt. Und wenn noch Auslandsinvestitionen hinzukommen, umso besser. Aber diese als Bedingung für das unmittelbare Wachstum aufzustellen, wie es allgemein dargestellt wird, ist ein Fehler, und zeugt von Unkenntnis der argentinischen Wirtschaftsrealität. Man sollte nicht vergessen, dass das BIP-Wachstum, in Argentinien und auf der ganzen Welt, zu über der Hälfte auf nicht materiellen Faktoren beruht: technologischer Fortschritt, effizienzbedingte Änderungen, Rationalisierungen, Ausbildung u.a. Argentinien hat hier den Vorteil, dass das Ausbildungsniveau großer Teile der Bevölkerung es erlaubt, die technologische Revolution unserer Zeit sofort voll aufzunehmen.

Selbstverständlich erfordert Wachstum auch, dass die Inflationsrate sinkt. In den vier Jahren des offiziellen Programms sollte sie schließlich einstellig sein. Doch auf diesem Gebiet hat die Regierung nur vage Vorstellungen, die keinen Erfolg verheißen. Dass die Inflation besonders die Armen schädigt, wie es allgemein dargestellt wird, ist im Grund weniger wichtig als die Tatsache, dass die Inflation ein Störungsfaktor erster Ordnung für die Wirtschaft ist, und Wachstum behindert. Ebenfalls erfordert dies eine rationelle und sehr strenge Zahlungsbilanzpolitik, damit der Wechselkurs nicht davonspringt und die Differenz zum freien Kurs stark sinkt. Angeblich tritt Guzmán für eine Kursspaltung ein, wie wir sie an dieser Stelle befürworten. Doch das ist schließlich der einfachere Teil des Programms. Hingegen sind Reformen des Arbeitsrechts, die zur Schaffung von Arbeitsplätzen unerlässlich sind, politisch schwieriger, wobei der Eindruck besteht, dass Guzmán, und noch weniger der Präsident, auf diesem Gebiet klare Gedanken haben. Hoffentlich irren wir uns. Das Abkommen mit dem Fonds ist eine gute Gelegenheit, um die Grundlagen für eine Reform des Arbeitsrechts einzuschmuggeln.

Guzmán will angeblich das Abkommen mit dem Fonds kurzfristig abschließen, wenn möglich schon im Dezember. Das bedeutet, dass er bei der Redigierung des Abkommens schon weit fortgeschritten ist, und auch die Zustimmung von Cristina erhalten hat. Wenn sie ihren Senatoren und Abgeordneten den Befehl erteilt, das Projekt von Guzmán voll zu unterstützen, dann gibt es kaum noch Diskussion. Es besteht jedoch die Gefahr, dass dies nicht mehr gut funktioniert wie bisher, eben weil sie mit den Wahlen einen erheblichen Machtverlust erlitten hat. Man kann somit viel hin und her spekulieren, doch schließlich kommt es darauf an, dass der Präsident seine volle Macht zeigt, wie sie ihm die Verfassung zuteilt, und auch, dass er die Zustimmung der Opposition erhält, was u.a. bedeutet, dass er Macri nicht mehr für alle bestehenden Übel verantwortlich macht, und ihn Ruhe lässt. Er sollte sich an die Worte von Präsident Nicolás Avellaneda erinnern (1874/80), der sagte, es gäbe interne Differenzen, aber gegenüber dem Ausland habe Argentinien nur einem Namen und eine Ehre.


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