Von Juan E. Alemann
Präsident Alberto Fernández hat eine einmalige Gelegenheit verpasst, um der Welt zu zeigen, wo Argentinien steht. Statt den russischen Angriff auf die Ukraine unmissverständlich zu verurteilen, wie es andere Staatschefs getan haben, darunter auch der gewählte chilenische Präsident Gabriel Boric, hat er nur milde Kritik geäußert. Gewiss muss es peinlich für ihn gewesen sein, kurz vorher Putin besucht und ihm eine Annäherung vorgeschlagen zu haben, “um die Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten und dem IWF zu schwächen”. Einfach absurd! Das klare Dokument der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA), das Russland verurteilt, hat Argentinien nicht unterzeichnet. Cristina hat sich erst geäußert, als der Krieg schon in vollem Gang war, formell für die Ukraine Stellung bezogen, aber den russischen Überfall nicht kritisiert. Sie hat Putin geschont. Schlimm!
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Argentinien und Russland sind nicht so bedeutend, als dass eine Störung eine effektive Wirkung hätte. Russland steht bei den argentinischen Exporten etwa an zehnter Stelle, und kauft Rindfleisch, Äpfel, Birnen, Zitronen und Nüsse, sowie noch einzelne andere Produkte. Die argentinischen Importe aus Russland sind unbedeutend und lassen sich durch Lieferungen anderer Länder ohne weiteres ersetzen. 2020 hat Russland Argentinien mit Impfstoff gegen das Corona-Virus in großen Mengen versorgt. Aber das war ein covidbedingter Zufall, wobei die argentinische Regierung Importe eines besseren Impfstoffes aus den USA aus ideologischen Gründen behinderte.
Was Investitionen und Kredite betrifft, so hat die russische Regierung viel versprochen, aber nichts erfüllt. 2015 hatte eine russische Firma die Ausschreibung für das Wasserkraftwerk Chihuidos (von 700 MW) am oberen Lauf des Limay-Flusses, in Neuquén gewonnen und die Finanzierung versprochen, sich aber zwei Jahre später zurückgezogen, bevor die Arbeiten begonnen wurden. Und jetzt, da die russische Wirtschaft stark unter dem Krieg mit der Ukraine leiden wird, ist noch weniger zu erwarten, dass Russland Infrastrukturprojekte in Argentinien finanziert.
Russland ist ein großer Weizenexporteur und konkurriert mit Argentinien. Mit der Ukraine beträgt der Anteil am Weltexport etwa ein Drittel. Die Sowjetunion war hingegen ein großer Weizenimporteur und Hauptkunde von Argentinien, weil die staatliche Landwirtschaft versagt hatte. Für Argentinien war es damals besonders wichtig, einen Kunden für den schwer verkäuflichen Weizen zu haben. Deshalb waren die Beziehungen zur Sowjetunion auch unter der Militärregierung, die offen antikommunistisch war, sehr gut. Heute liefert Argentinien den Weizen hauptsächlich nach dem fernen Osten. China u.a Staaten kaufen Weizen in großen Mengen. Es bestehen keine realpolitischen Gründe für enge Beziehungen zu Russland. Wenn jetzt dieses Land, und auch die Ukraine, als Folge des Krieges bei ihren Weizenexporten behindert sind, so ist das gut für Argentinien.
Man sollte sich bei Russland nicht täuschen. Das Land ist gebietsmäßig sehr groß, ist aber kein moderner Industriestaat. Der wirtschaftliche Rückstand, den die Sowjetunion aufwies, ist noch nicht überwunden. Russland exportiert vorwiegend Erdöl und Gas, und ohne dies könnte das Land den Importbedarf der Industrie nicht decken. Russland ist nicht China, das inzwischen den Status einer fortgeschrittenen Wirtschaft erreicht hat und zum bedeutendsten argentinischen Handelspartner neben dem Mercosur-Partner Brasilien aufgestiegen ist. Auf Russland kann Argentinien verzichten, auf China nicht.
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