Von Juan E. Alemann
Die allermeisten Familien leben ganz oder zum größten Teil vom Arbeitseinkommen des Mannes, eventuell auch dem der Frau. Von einer Rente können nur Pensionäre und Hinterbliebenenrenter leben, die entweder zwei Renten (Mann und Frau) beziehen oder eine höhere Pension erhalten.Viele arbeiten auch, um es zu einem Einkommen zu bringen, mit dem sie auskommen können. Und dann kommt noch eine relativ dünne Schicht von Personen hinzu, die von ihrem Kapitaleinkommen leben, sei es, dass sie Mieten oder Pachten kassieren, Dividenden oder Gewinne von Unternehmen beziehen, oder direkt vom Kapital leben.
Vollbeschäftigung muss das oberste Ziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik sein. Das bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit nicht über 4 Prozent liegen sollte, die die sogenannte friktionelle Arbeitslosigkeit darstellen, die aus denen besteht, die ihre erste Arbeit suchen, ihren Arbeitsplatz wechseln oder nicht die Art Arbeit finden, die sie suchen. In Argentinien bestand in der Nachkriegszeit meistens dieser Zustand. Aber seit über 30 Jahren eben nicht mehr.
Das Statistische Amt (INDEC) gibt die Arbeitslosigkeit mit leicht über 10 Prozent an. Doch in Wirklichkeit sind es über 20 Prozent - und das ist eine soziale Katastrophe. Die offizielle Statistik schließt diejenigen aus, die zwar keine bezahlte Arbeit haben und eine benötigen, sich aber nicht um diese bemühen, das heißt, sich bei Anzeigen von Unternehmen nicht melden, weil sie es für sinnlos halten, stundenlang Schlange zu stehen und dann doch keine Arbeit erhalten. Sie hoffen auf einen Arbeitsplatz über Freunde und Verwandte.
Auch muss man einen großen Teil der Selbstständigen hinzuzählen., die gegenwärtig kaum beschäftigt sind. Und schließlich muss noch darauf hingewiesen werden, dass der Koeffizient der aktiven Bevölkerung von nur 46,3 Prozent anormal niedrig ist und auch eine verkappte Arbeitslosigkeit zum Ausdruck bringt. Der Koeffizient müsste um gut fünf Prozentpunkte höher sein.
Die Statistik beruht auf einer Umfrage bei etwa 10.000 Familien in 31 städtischen Gebieten, die dann auf die gesamte Bevölkerung hochgerechnet werden. Doch eine Hochrechnung von eins auf 1000 ist statistisch nicht zulässig. Außerdem sind die Verhältnisse in ländlichen Gebieten ganz anders, mit vielen Menschen, die gelegentlich kaum arbeiten und periodisch sehr viel, und auch mit viel Arbeit in eigenen Gemüsegärten, Hühnerzucht und dergleichen, die nicht berechnet wird.
Wenn man in Einzelheiten geht, muss auch die Langzeitarbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Das INDEC hat jetzt begonnen, diejenigen zu erfassen, die über sechs Monate arbeitslos sind, was stark zugenommen hat. Aber diejenigen, die über ein und zwei Jahre arbeitslos sind, die das kritische Problem darstellen, werden nicht gezählt. Ebenfalls wäre es von Interesse zu wissen, wie es bei Akademikern aussieht. Denn hier ist die Arbeitslosigkeit bei den meisten Berufen sehr hoch, weil ständig mehr Menschen ausgebildet werden, als sie benötigt werden. Viele Arbeitslose dieser Schicht schließen sich der “Cámpora” an, um im Staat angestellt zu werden. Beiläufig bemerkt: Eigentlich sind über eine Million überflüssige Staatsangestellte im Wesen Arbeitslose, die eine Subvention erhalten.
Die Arbeitslosigkeit ist hier schlimmer als in den Vereinigten Staaten, Europa, Japan und anderen Ländern, in denen die Menschen über finanzielle Reserven verfügen, was in Argentinien nicht der Fall ist. Die Arbeitslosen überleben dank Solidarität, also Unterstützung von Familienangehörigen und Freunden. Auch sorgt die Regierung mit den umfangreichen Ernährungsprogrammen dafür, dass viele zumindest nicht verhungern. Schließlich kommen viele durch nicht erfasste Schwarzarbeit über die Runden. (jea)
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