Kanzlerwahl in Nikolauswoche geplant
Berlin (dpa) - Der Zeitplan ist ehrgeizig: In der Woche vom 6. bis zum 10. Dezember wollen SPD, Grüne und FDP eine gemeinsame Bundesregierung bilden - mit einem Kanzler Olaf Scholz an der Spitze. Zum Auftakt ihrer Koalitionsverhandlungen am gestrigen Donnerstag benannten sie die Leiter von 22 Arbeitsgruppen, die die Details einer ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene festzurren sollen.
"Wir haben uns diesen ehrgeizigen Zeitplan gesetzt, weil wir der Meinung sind, dass Deutschland in diesem Jahr so schnell wie möglich eine stabile Regierung haben sollte", sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing. Er stellte die Verabredungen bei einem gemeinsamen Statement mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und dem Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner vor. "Aus vor Weihnachten ist die Nikolauswoche geworden", sagte Kellner. Bisher war erklärtes Ziel eine Regierungsbildung vor Weihnachten.
Bis Ende November soll nun ein Vertragswerk vorgelegt werden, in der Woche ab dem 6. Dezember der neue Bundeskanzler gewählt und die neue Regierung gebildet werden, wie die drei Politiker deutlich machten. Der bisherige Vizekanzler und Finanzminister Scholz würde dann zum Nachfolger von Angela Merkel (CDU), die 2005 zur Kanzlerin gewählt wurde. Die SPD war bei der Bundestagswahl Ende September stärkste Kraft geworden. Klingbeil sagte, am kommenden Mittwoch werde die Arbeit der einzelnen Arbeitsgruppen losgehen. Diese sollten bis zum 10. November - also binnen zwei Wochen - Positionen erarbeiten, die dann in die Hauptverhandlungsgruppen gehen sollten.
Wie oft sie sich in dieser Zeit treffen, bleibt ihnen dabei laut Grünen-Bundesgeschäftsführer Kellner selbst überlassen. Es gelte aber weiter: "Keine Wochenenden, keine Nachtsitzungen". An den Vereinbarungen im Sondierungspapier solle nicht mehr gerüttelt werden. "Da, wo wir Vereinbarungen getroffen haben, dann haben wir auch Vereinbarungen getroffen", sagte Kellner.
Mit Blick auf den Zeitplan sprach Kellner von einem komplexen Unterfangen. "Es wird sich sicherlich auch mal verknoten. Alles andere würde mich überraschen." Er sei aber sicher, dass die Koalitionsverhandlungen gelingen würden. Der Zeitplan stelle eine Zielmarke auf, diese sei aber auch nicht in Stein gemeißelt. Für die Grünen gebe es nun eine Chance, erstmals seit 16 Jahren in einer Bundesregierung zu sein und einen "neuen Aufbruch" zu gestalten.
Wissing sprach von einem straffen Zeitplan, verwies aber auch auf schlechte Erfahrungen bei den Jamaika-Verhandlungen im Jahr 2017. "Wir haben ja auch an anderer Stelle schon mal andere Erfahrungen gemacht: wenn man zu lange über die Dinge redet, werden die Probleme nicht kleiner, und die Hürden nicht kleiner", sagte er. "Die Sondierungen haben uns Mut gemacht. Wir haben Hürden aus dem Weg räumen können, die uns optimistisch und zuversichtlich jetzt in diese Phase der Koalitionsverhandlungen geführt haben." Bei einem Ergebnis sei die FDP "auch kurzfristig in der Lage, einen Sonderparteitag einzuberufen".
Ein erstes Treffen der Hauptverhandler auf dem Berliner Messegelände gestern sollte der Vernetzung dienen. Hochrangige Vertreter jeder Partei sollten mit den Leitern der Arbeitsgruppen zusammentreffen, die die Details eines Koalitionsvertrags aushandeln.
Als Knackpunkte bei der Suche nach einem Programm für eine Ampel-Koalition gelten vor allem Unterschiede in der Steuer- und Finanzpolitik sowie der richtige Weg zum Klimaschutz.
Nach der Bundestagswahl 2017 hatten die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung Monate gedauert. Nachdem Gespräche zwischen Union, Grünen und FDP gescheitert waren, kam es dann zur Bildung einer Koalition aus Union und SPD.
Merkel will "mehr Markt"
Brüssel (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in der Diskussion um dramatisch angestiegene Energiepreise in der EU für marktwirtschaftliche Lösungen plädiert. "Ich denke, dass wir besonnen reagieren sollten", sagte die Bundeskanzlerin gestern beim EU-Gipfel in Brüssel. Deutschland werde den Markt "nicht vollkommen ausschalten", sondern "für mehr Markt sorgen", sagte Merkel. Dazu könne man gegebenenfalls weitere soziale Stützungsmaßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel die Verbesserung des Wohngeldes, so die Kanzlerin.
Die Bundesregierung hatte bereits vor der aktuellen Debatte über Energiepreise Maßnahmen ergriffen, um Haushalte zu entlasten. Dazu gehört neben dem Wohngeld auch eine Senkung der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms aus staatlichen Mitteln und eine Erhöhung der Pendlerpauschale.
Die Kanzlerin betonte, dass man die gestiegenen Energiepreise klar von den Herausforderungen des Kampfs gegen den Klimawandel trennen müsse. ""Fit for 55" ist etwas anderes", sagte die Kanzlerin mit Blick auf das Gesetzespaket der Europäischen Kommission gegen den Klimawandel. Polen hatte zuvor unter anderem die EU-Klimapolitik für die hohen Preise verantwortlich gemacht.
Seit Monaten schnellen die Energiepreise - besonders für Gas - in die Höhe. Die EU-Länder wollen beim Gipfel Vorschläge der Kommission besprechen, um Verbraucher vor hohen Heiz- und Stromkosten zu schützen. Einige Staaten wie Spanien oder Frankreich fordern tiefergreifende Maßnahmen auf EU-Ebene, andere wie Luxemburg plädieren eher für nationale Notfallmaßnahmen.
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