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Alles nur ein Albtraum?

Filmkritik zu „El prófugo“ von Natalia Meta

Von Catharina Luisa Deege

Érica Rivas
Érica Rivas spielt Inés in „El prófugo“. (Foto: Bárbara Álvarez)

Buenos Aires (AT) - Inés hat unerwünschten Besuch. Wenn sie die Augen schließt, dann wird es unheimlich - Albträume suchen sie heim. Sie vermutet, dass dafür besonders die Pillen, die sie schluckt, verantwortlich sind, kommt jedoch trotzdem nicht von ihnen los. Die junge Synchronsprecherin versucht, ihr Leben in Buenos Aires zwischen Wahnvorstellungen und schlaflosen Nächten weiterzuleben, bis ein „Eindringling“ an Überhand gewinnt und die Synchronsprecherin komplett aus der Bahn reißt.

Wenn „El prófugo“ (deutsch: Der Eindringling) von Natalia Meta losgeht, erscheint einem die Handlung relativ schlicht. Inés (Érica Rivas) und ihr Beziehungspartner Leopoldo (Daniel Hendler) fliegen in den Urlaub, nach Mexiko. Die Dialoge sind wenig überzeugend, man könnte sagen: Seifenoper-Niveau. An der mexikanischen Küste kommt der Film langsam in die Gänge, als Leopoldo auf einmal leblos auf der Wasserfläche des Hotelpools schwimmt. Inés kreischt, und der Schrei gibt das Startzeichen für das außergewöhnliche Soundbett (Ton: Guido Berenblum, Musik: Luciano Azzigotti) des anderthalbstündigen Thrillers.

Als Synchronsprecherin und Chorsängerin spielt alles, was mit Klängen verwandt ist, keine unwichtige Rolle im Leben der Protagonistin. Meta nutzt mysteriös auftretende Geräusche als Symbol für die schlechte mentale Verfassung von Inés. Da „El prófugo“ jedoch kein einfaches Drama ist, kommt es zu surrealen Wendungen. Als Zuschauer*in empfiehlt es sich, den Versuch abzulegen, Einbildung von Wirklichkeit zu trennen und sich auf den Wahnsinn einzulassen - erst dann genießt man das audiovisuelle Erlebnis intensivst.

Die argentinische Drehbuchautorin und Regisseurin Natalia Meta schafft es, einerseits mit Chorgesängen, Orgel und Horrorfilm-Einblendungen eine mysteriöse Stimmung zu kreieren. Andererseits tragen die brillanten Schauspieler*innen zur unheimlichen Athmosphäre bei. Cecilia Roth, Pedro Almodóvars liebste Argentinierin, überzeugt in der Rolle von Inés Mutter. Roths Figur löst geradezu Grusel aus, Marta wirkt liebevoll und unheimlich zugleich.

Ein riesiger - wenn nicht sogar der größte - Applaus geht an den Argentinier Nahuel Pérez Biscayart. Er verkörpert Alberto, den mysteriösen Organisten, der kurz nach dem Unfall von Leopoldo in Inés‘ Leben eintritt. Nur selten findet man einen Schauspieler, der derartig zart und hochprofessionell performt. Seine Teilhabe an internationalen Produktionen wie in dem Zweite Weltkriegsdrama „Persischstunden“ (2020) und dem französischen Film „120 BPM“ (2017) überrascht also wenig. In „El prófugo“ tanzt und verführt Pérez Biscayart, und entschleunigt mit seiner amüsanten Art glücklicherweise das etwas übersteigerte Schauspiel Rivas‘.

Das Drehbuch des Langfilms, der auf der Berlinale 2020 seine Weltpremiere feierte, ist frei nach dem Roman „El mal menor“ von C.E. Feiling geschrieben. Nun soll die argentinisch-mexikanische Koproduktion Argentinien bei den Academy Awards repräsentieren. Hochkarätig an dem Film ist so ziemlich alles, was sich von den ausgelutschten Horrorfilm-Szenen unterscheidet: das Spiel mit ungewöhnlichen Sounds, das Surreale und die charmante Komik, die dem Thriller innewohnt. Besonders das Ende des Films bleibt einem noch eine Weile im Kopf; genauer gesagt im Ohr. „El prófugo“ ist definitiv ein sehenswertes Kinoerlebnis - mit dem Oscar könnte es allerdings schwierig werden.

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