Von Juan E. Alemann
Als die ehemalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner empfand, dass sie es allein nicht schaffen würde, ein drittes Mal gewählt zu werden, bot sie Alberto Fernández, ehemaliger Kabinettschef unter Néstor Kirchner und am Anfang ihrer Regierung, die Präsidentschaftskandidatur an. Normalerweise ernennt der Präsident den Vizepräsidenten und nicht umgekehrt. Das Experiment gelang, und sofort stellte sich die Frage, wer von beiden eigentlich regiert.
Formell war es selbstverständlich Alberto, aber bei grundsätzlichen Entscheidungen und Ernennung von Kabinettsmitgliedern u.a. hohen Beamten hatte ihre Meinung Vorrang. Das braucht nicht unbedingt zu einem Konflikt zu führen, vor allem wenn beide, Präsident und Vizepräsidentin rationell denken und sich an die Spielregeln halten, die in der modernen zivilisierten Welt gelten. Aber genau das war nicht der Fall. Präsident Fernández ist grundsätzlich ein Pragmatiker, mit einer oberflächlichen Vorstellung von Regierung und Gesellschaft, die von weitverbreiteten Vorurteilen geprägt ist und keine tiefe Überzeugung zum Ausdruck bringt. Bei Cristina hingegen kommt die revolutionäre Ideologie ihrer Studentenzeit, als sie den Montonero-Terroristen nahestand, und ihr soziales Ressentiment stets zum Ausdruck, auch wenn sich dies nicht mit ihrem persönlichen Reichtum und ihrem Lebensstil zusammenreimt,
Alberto hat sich zunächst bemüht, gut mit Cristina auszukommen. Es war gewiss nicht seine Schuld, wenn ihm dies nur halbwegs gelang. Er konnte ihr bei ihren wirklich bösen Prozessen nicht helfen, auch wenn er es versucht hat. Die Gewaltentrennung im Staatsgebilde verblieb dank der Opposition bestehen, und der Rechtsprofessor Fernández machte sich nur lächerlich, wenn er sie beiseitelassen wollte, um Cristina zu helfen.
Cristina bemerkte bald, dass diese gespaltene Staatsführung nicht gut funktionierte. Sie sagte, er sollte den Federhalter verwenden, also Gesetzesprojekte, Dekrete und Beschlüsse unterzeichnen, in denen eine aktive Regierung zum Ausdruck kommt. Sie sprach auch von Kabinettsmitgliedern, “die nicht funktionieren”, und forderte dabei mehr Schwung.
Doch im Grunde funktionierte diese doppelte Regierungsführung nicht. Cristina und Alberto distanzierten sich, sie nahm gelegentlich keine Telefonanrufe von ihm an, und das Ergebnis war eine schwache Regierung, die der Bevölkerung keine bessere Zukunft bieten konnte, nachdem sie mit der Gegenwart nicht zurecht kam. Als dann Wirtschaftsminister Martín Guzmán zurücktrat, während Cristina gerade eine Rede hielt, entbrannte eine tiefe Krise, mit der die Regierung erst einige Woche später fertig wurde, als Alberto und Cristina sich darin einigten, den bisherigen Präsidenten der Deputiertenkammer, Sergio Massa, als einem mächtigen Wirtschaftsminister zu ernennen, mit den bisherigen Ministerien für Landwirtschaft und Industrie als Sekretariate und einer Stellung, die faktisch fast der eines Premierministers entspricht.
Massa zeigte von Anfang an ein klares Machtbewusstsein und erreichte kleine Fortschritte. Es gelang ihm auch, die Ernennung von Gabriel Rubinstein als Vizeminister gegen das Veto von Cristina durchzusetzen. Präsident Fernández hat schließlich gemerkt, wie schwach in Wirklichkeit Cristina jetzt ist, wegen ihrer Prozesse und auch wegen der geschrumpften Anhängerschaft, die Umfragen zum Ausdruck bringen. Die drei Frauen, die der Präsident zu Ministern machte, hat er, und nur er, gewählt, ohne Cristina zu konsultieren. Jetzt ist er Präsident und Massa so etwas wie sein Premierminister. Cristina ist nur Vorsitzende des Senats. Und dieses Schema ist bestimmt viel besser als das vorangehende.
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