Wo steht der Naturschutz heute?
Stockholm (dpa) - Seit mittlerweile fast 200 Wochen demonstriert Greta Thunberg jeden Freitag für mehr Klima- und Umweltschutz - eine lange Zeit, in der aus Sicht von Klimaschützern und -wissenschaftlern politisch viel zu wenig gehandelt worden ist. Noch viel länger ist es jedoch her, dass in Thunbergs Heimatstadt Stockholm erstmals auf einer UN-Konferenz über Umweltthemen gesprochen wurde. 1972 war das, und in den folgenden 50 Jahren wurde viel für die Umwelt getan - und viel zu Vieles versäumt. Die schwedische Hauptstadt lädt nun zur Umweltkonferenz Stockholm+50, auf der die Frage im Raum steht, wie das Tempo beim Kampf gegen die Erderwärmung, das rasante Artensterben und die Vermüllung des Planeten drastisch erhöht werden kann.
Seit gestern werden dafür mehr als zehn Staats- und Regierungschefs, gut 90 Ministerinnen und Minister sowie zahlreiche Vertreter der Zivilgesellschaft und aus dem Privatsektor in Stockholm erwartet. Aus Deutschland reisen unter anderem Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Klimaaktivistin Luisa Neubauer an, auch der US-Klimabeauftragte John Kerry kommt.
Gut sechs Monate sind seit der 26. Weltklimakonferenz von Glasgow (COP26) vergangen, in knapp sechs weiteren Monaten folgt im ägyptischen Scharm el Scheich die nächste. Angesichts von Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitskrise soll Stockholm+50 auf halbem Weg zwischen COP26 und COP27 eine Möglichkeit bieten, dringend notwendige Maßnahmen zu beschleunigen, um die Welt auf den Kurs der 2015 in Paris vereinbarten Klimaziele zu bringen - also die Erderhitzung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Das Motto der Konferenz: „Ein gesunder Planet für den Wohlstand aller - unsere Verantwortung, unsere Chance.“
Dabei soll nach dem Wunsch der Veranstalter der Geist von 1972 durch Stockholm wehen. Zugleich sollen 50 Jahre des globalen Einsatzes für die Umwelt gefeiert werden. Damals hatten sich Delegierte aus 122 Ländern in der Stadt zur ersten UN-Konferenz über die Umwelt des Menschen getroffen. Das Treffen gilt als so etwas wie die Geburtsstunde der globalen Umweltpolitik, es sorgte dafür, dass in der Folge in aller Welt Umweltministerien geschaffen und neue globale Umweltschutzabkommen geschlossen wurden. Darunter waren Schritte zur Heilung des Ozonlochs oder die Verbannung von Blei aus dem Benzin.
Der Weltklimarat IPCC hat jedoch unlängst einmal mehr klargemacht, dass das menschliche Handeln gegen den seit Jahrzehnten bekannten Klimawandel bei Weitem nicht ausreicht. Und nicht nur die Klimakrise tobt, auch das Artensterben beschleunigt sich, der Mensch lebt weiter nicht nachhaltig und produziert viel zu viel Müll. Man habe es somit mit einer dreifachen planetaren Krise zu tun, sagt die Exekutivdirektorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), Inger Andersen. Diese Krise werde von Jahrzehnten des nicht nachhaltigen Verbrauches von Ressourcen angetrieben, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre sei so hoch wie seit über zwei Millionen Jahren nicht mehr.
Ob Stockholm+50 an den globalen Problemen etwas ändern kann? Klimaschützer sind skeptisch. Greta Thunberg machte ihre Einstellung zur Konferenz vor wenigen Tagen in gewohnt klaren Worten deutlich: „Es gibt nichts zu feiern“, sagte die Stockholmerin während ihres freitäglichen Protests der Nachrichtenagentur TT.
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