Wikipedia feiert Jubiläum
Berlin (dpa/wvg) - Nachschlagewerke in Form dicker, in Leder gebundener Bücher haben 20 Jahre nach der Gründung der Online-Enzyklopädie Wikipedia in den meisten Haushalten ausgedient. Während sie im Regal verstauben, begleitet die Wikipedia die Nutzer im Alltag. Einer Studie zufolge schauen sich zumindest Menschen in den reicheren Industriestaaten (OECD) im Durchschnitt neun Wikipedia-Artikel pro Monat an.
Der wichtigste nicht-kommerzielle Dienst der Internet-Geschichte begann am 15. Januar 2001, als Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales den Gruß der Programmierer „Hello World“ in eine neue Wiki-Software eintippte, die einen schnellen Aufbau eines Online-Lexikons ermöglichen sollte.
Der Mann aus den Südstaaten der USA hatte schon kurz nach dem Studium an den aufblühenden Finanzmärkten Geld genug gemacht, um ein sorgenfreies Leben führen zu können. Bereits in den 90er-Jahren verfolgte er den Plan, ein Online-Nachschlagewerk aufzubauen. Der erste Ansatz für „Nupedia“ war ganz klassisch. Mit Larry Sanger stellte Wales im Jahr 2000 einen Chefredakteur ein. Dieser sollte Beiträge bei Experten bestellen und für die Veröffentlichung sorgen. Doch der festgelegt siebenstufige Review-Prozess erwies sich als teuer und ineffizient. Es wurden viel zu wenige Artikel veröffentlicht, im ersten Jahr nur 21.
Das Experiment mit der Wiki-Software war eigentlich nur als ein Sammelbecken gedacht, wo die ersten Ideen für Online-Enzyklopädie im Internet zusammengetragen werden sollten, sagt der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch, der über die Wikipedia geforscht hat. „Aber sehr schnell zeigte sich dann, dass dieses Sammelbecken das eigentlich Spannende war. Denn während die eigentlich ursprünglich von Wales geplante Enzyklopädie sehr schnell scheiterte, entwickelte sich Wikipedia rasant, zog eine große Zahl von freiwilligen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden an und hatte innerhalb von Wochen schon Tausende von Artikeln produziert.“
Sanger verließ Wikipedia Anfang 2003 und sagte in einem Interview, er habe die Nase voll von den „Trollen“ und „anarchistischen Typen“. Doch diese Kritik konnte den Aufstieg nicht verhindern: 20 Jahre nach der Gründung gibt es mehr als 55 Millionen Beiträge in knapp 300 Sprachen, verfasst von unzähligen Freiwilligen.
Im Buch „Wikipedia-Story“ des langjährigen Insiders Pavel Richter lobt Wikipedia-Mitbegründer Wales dabei die Rolle der deutschsprachigen Community: „Kurz nachdem wir die deutsche Wikipedia gestartet haben, stellte sich heraus, dass die Deutschen offenbar ein besonderes Verhältnis zur Idee hinter Wikipedia haben. Denn wie sonst ließe sich erklären, dass Deutsch zwar auf der Liste der am häufigsten gesprochenen Sprachen weltweit nur auf Platz 13 steht, die deutsche Wikipedia aber die viertgrößte aller Ausgaben ist?“ Ebenso habe die deutschsprachige Community stark dazu beigetragen, dass sämtliche Ideen einer Kommerzialisierung der Wikipedia verworfen wurden.
Die renommierten Lexika hat Wikipedia seit Jahren hinter sich gelassen. Nach 244 Jahren gab der Verlag der Encyclopaedia Britannica 2012 bekannt, dass diese nur noch digital erscheint.
Wie alle Medienprojekte, an denen Menschen mitarbeiten, ist die Wikipedia dennoch nicht fehlerlos. Neben teils gravierenderen Fehlern wurde beispielsweise erst nach Jahren entdeckt, dass der Rhein nicht 1320 Kilometer lang ist, sondern nur 1230 Kilometer. Der Zahlendreher stand zuvor aber auch in gedruckten Lexika.
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