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Was man von Alberto Fernández erwarten kann

Von Juan E. Alemman

Alberto Fernández
Alberto Fernández. (Foto: dpa)

Was der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat Alberto Fernández in seiner Wahlkampagne äußert, sind leere Versprechen, die er nicht erfüllen kann. Dass er die Taschen der Konsumenten füllen will, damit sie mehr konsumieren, bedeutet bestenfalls eine allgemeine Lohnerhöhung, die auf die Preise abgewälzt wird und die Inflation dabei in gefährliche Höhen treibt. Die Initiative eines Sozialpaktes besagt nicht viel, solange die Regierung keinen eigenen Vorschlag zur Diskussion stellt und die Gewerkschaften bereit sind, den erlittenen Reallohnverlust nur langfristig aufzuholen. Allein, leere Versprechen gehören bei einer Wahlkampagne zu den normalen Spielregeln, und sollten deshalb nicht ganz ernst genommen werden.

Doch aus dem, was AF gegenüber Unternehmern und Vertrauenspersonen gesagt hat, auch was die Wirtschaftler seiner Umgebung gelegentlich äußern, und auch auf der Grundlage bestimmter Vorstellungen, die zum Wesen des traditionellen Peronismus gehören, kann man entnehmen, in welche Richtung sich seine Regierung auf wirtschaftlichem Gebiet bewegen wird. Zunächst ist mit einem direkten Interventionismus zu rechnen, der viel in Einzelheiten geht. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu Macri, der grundsätzlich an der Marktwirtschaft festhält, und direkte staatliche Intervention als Ausnahme betrachtet.

Man kann als eine der ersten Maßnahmen von AF die Einführung von Exportzöllen für landwirtschaftliche Produkte der Pampa-Gegend erwarten, und zwar nicht nur, weil er zusätzliche Fiskaleinnahmen braucht, sondern auch als Mittel der Einkommensverteilung. Dadurch werden die internen Preise dieser Produkte, die auch die Grundlage des allgemeinen Konsumkorbes bilden, unter den internationalen gehalten. Das betrifft schließlich Brot, Teigwaren, Polenta, Speiseöl und Rindfleisch. Es wird somit Einkommen von der landwirtschaftlichen Bevölkerung auf die städtische übertragen, und das begünstigt an erster Stelle die Arbeitnehmer. Perón hat schon von Anfang an, 1946, in diesem Sinn gehandelt, wenngleich mit anderen Methoden.

Ebenfalls kann man höhere Importzölle für viele Produkte erwarten, angefangen mit Textilien, bei denen AF dies schon gegenüber Industriellen versprochen hat. Wir würden ihm hier raten, zunächst die Importpreise besser zu kontrollieren, was privater Mithilfe bedarf, wie sie von 1997 bis 2000 bestand. Bei sehr vielen Produkten ist es außerordentlich schwierig, den richtigen Preis festzustellen, so dass beim Zollamt viel niedrigere Preise angegeben werden, und daher ein niedrigerer Zollsatz gezahlt wird, die nicht beanstandet werden. Die Einstellung gegenüber dem Mercosur und das Abkommen mit der EU dürfte AF auch anders betrachten.

Der Wechselkurs wird streng verwaltet sein, wohl noch mehr als jetzt. Es ist gut möglich, und entspricht der Grundauffassung von AF, dass ein gespaltener Wechselkurs eingeführt wird, mit einem Markt, der die Leistungsbilanz umfasst (Handelsbilanz plus Dienstleistungsbilanz plus Zinsen), und einem anderen für Kapitaltransaktionen, also auch für den Kauf von Dollarscheinen und Überweisungen von Kapital in beiden Richtungen. Eventuell werden auch Zinsen in diesen Markt eingeschlossen. Das hat es schon oft in Argentinien gegeben. So ein System ist schwer zu verwalten, und wurde bisher nach einer gewissen Zeit wieder aufgegeben. Dabei kann somit jeder Dollar kaufen, so viel er will, aber er wird mehr dafür bezahlen müssen. Die ganze Kontrolle der Käufe von bis zu u$s 10.000 im Monat, hört dann auf.

Beim Steuersystem könnte es Änderungen geben, die jedoch das System als solches nicht betreffen dürften. Es ist von der Erhöhung der Vermögenssteuer (Steuer auf persönliche Güter) bei höheren Vermögen die Rede. Ob auch die Einkommenssteuer, hier fälschlicherweise Gewinnsteuer benannt, erhöht wird, ist zu bezweifeln, nachdem die lokalen Sätze schon höher als in den Vereinigten Staaten sind. Es könnte auch Vergünstigungen für kleine und mittlere Unternehmen (Pymes) geben, wie sie auch Macri für eine zweite Amtszeit versprochen hat. Was die Unternehmen indessen in Inflationszeiten brauchen, ist eine Inflationsberichtigung der Bilanzen für Steuerzwecke, etwa wie die, die von 1978 bis 1991 bestand. Was bei der letzten Steuerreform verfügt wurde, löst das Problem in keiner Weise. Ob AF und seine Ökonomen, die keine Steuerfachleute sind, diese Problematik kennen, sei dahingestellt.

Wichtig ist, dass AF sich sehr konkret über Vaca Muerta ausgesprochen hat. Die Bedingungen, die Investitionen ermöglichen und zur einer starken Produktionssteigerung führen, sollen beibehalten werden. Hier hat AF kein ideologisches Problem, da die Förderungspolitik schon unter Cristina Kirchner eingeleitet wurde, mit einem Vertrag mit der US-Firma Chevron, der diese zu hohen Investitionen veranlasst hat. Angeblich soll der Vertrag so günstig für die Firma gewesen sein, dass er damals geheimgehalten werden musste. Auf alle Fälle ist es sehr wichtig, dass Vaca Muerta ernst genommen wird. Argentinien hat hier die Möglichkeit einer sehr hohen Produktion von Erdöl und (vor allem) Gas, aber eben zu höheren Kosten als bei traditionellen Lagern. Und das muss die Wirtschaft eben verkraften, was nicht einfach ist.

Was die Lohnverhandlungen betrifft, kann man von AF eventuell eine stärkere Staatsintervention erwarten. Macri war auch hier liberal, und intervenierte nur sehr indirekt und beschränkt in die Verhandlungen. AF will angeblich diese Verhandlungen an Rahmenbedingungen binden, die im Sozialpakt enthalten sind. Bei diesem wird stets der Pakt von La Moncloa als Vorbild genommen, der in Spanien nach der Franco-Diktatur erreicht wurde, um Ordnung herzustellen, nachdem die Demokratie auch dort in Anarchie zu entarten drohte. Das wesentliche war dabei eine Beschränkung der Lohnerhöhungen. Das sollte man nicht vergessen.

Eine Reform der Arbeitsgesetzgebung hält AF nicht für notwendig. Das hat sein Wirtschaftler Matías Kulfas (der eventuell Minister wird) in der Vorwoche gegenüber Vertretern des Industrieverbandes Union Industrial Argentina wiederholt. Wie AF ohne diese Reform erreichen will, dass die Beschäftigung stark zunimmt, wie er es verspricht, weiß man nicht. Auf alle Fälle könnten viele Reformen innerhalb der Arbeitsverträge vollzogen werden, und andere bedürfen kein Gesetz, sondern nur ein Beschluss des Arbeitsministeriums oder ein Dekret. Die Unternehmer haben ohnehin keine klare Vorstellung über die Reform, die sie befürworten. Sie sollten das Thema zunächst unter sich klären,und dabei Experten wie Julián de Diego oder Daniel Funes de Rioja befragen. “Wer keine Lösungen vorschlägt, ist Teil des Problems” heißt ein Sprichwort.

AF hat sich sehr konkret über die Leliq-Titel und die hohen Zinsen ausgesprochen. Er sagte klipp und klar, dass er dies nicht weiter dulden werde. Dass er dabei einfach zulässt, dass die bestehenden Leliq verfallen und gezahlt werden, und keine neuen ausgegeben werden, bedeutet eine hohe Geldschöpfung, die die Wirtschaft mit einem gefährlichen Inflationssprung quittieren würde. So geht es eben nicht. Was er unterschwellig gesagt hat, ist dass er den Inhabern von Leliq langfristige Staatspapiere in Dollar, zu niedrigen Zinsen, geben wird. So etwas wie der Bonex-Plan von 1990. Eventuell wird AF nach dem 27. Oktober mit Macri vereinbaren, dass er dies schon macht. Wenn Macri auf diese Weise guten Willen gegenüber AF zeigt, dann dürfte dieser es nachher auch gegenüber ihm zeigen. Das wäre ein großer Schritt in Richtung Staatspolitik, etwas was Argentinien unbedingt braucht. Man kann von AF auch erwarten, dass er stärker in das Zinsgefüge eingreift, und aktive Zinsen in vielen Fällen begrenzt. Über das Thema des Bimonetarismus schweigt AF. Ob er sich Gedanken über diesen zentralen Aspekt des Finanzsystems gemacht hat, weiß man nicht. Und das Argentinische Tageblatt liest er eben nicht.

Was die Staatsschuld betrifft, so hat AF schon geäußert, dass er die Schulden strecken will, noch mehr als es Macri schon getan hat. Von einem Kapitalschnitt war nicht die Rede. Aber bei den Zinsen dürfte es wohl eine Verringerung auf ein vernünftiges Niveau geben (4%?). Das wäre dann ein milder Default, der keine tiefen Spuren hinterlässt. Wichtig ist, dass dies sofort geschieht und nicht nach über drei Jahren, wie beim Default von 2001.

AF wird sich gezwungen sehen, das Defizit der Staatsfinanzen weiter zu verringern. Bei niedrigeren Zinsen auf die Staatsschuld wird die Zinslast gesenkt, was das echte Defizit (genannt “finanziell”) verringert. Aber auch beim primären Defizit muss AF die bestehende Sparpolitik fortsetzen und eventuell verschärfen. Grundsätzlich kann er sich kein Defizit erlauben, weil er keine Finanzierung dafür hat, und eine Geldschöpfung für diesen Zweck sehr beschränkt sein sollte.

Wie AF eine strenge Fiskalpolitik mit höheren Subventionen für öffentliche Dienste vereinbaren wird, weiß man nicht. Die Tarifpolitik von Macri ist einer der Hauptpunkte der Kritik an seiner Wirtschaftsführung, so dass AF die Erhöhungen nicht im Ausmaß weiterführen dürfte, das notwendig ist, damit die staatliche Subvention nicht stark zunimmt. Somit kommt hier auf AF eine höhere Belastung zu, wobei die Gefahr besteht, dass auch die Betreiber unter Druck gesetzt werden, wie unter den Kirchners, und dann Instandhaltungsarbeiten und noch mehr Investitionen eingestellt werden. Bisher ist AF einer Stellungnahme über dieses Thema ausgewichen. Man kann davon ausgehen, dass der Umfang der Staatsinvestitionen als Ausgleich dienen wird und stark eingeschränkt wird.

Die große Gefahr, der AF bei Beginn seiner Regierung gegenübersteht, ist eine Zunahme der Inflation, was dann sofort die Erinnerung an die Hyperinflationswellen von 1976, 1989 und 1990 wachruft und chaotische Zustände herbeiführt. Er muss schon in den ersten Tagen seiner Regierung zeigen, dass er die Lage im Griff hat. In der Periode, die zwischen den Wahlen und der Regierungsübernahme verstreicht, muss er sein Anfangsprogramm fertig haben, um es dann sofort umsetzen zu können, so dass die Wirtschaftswelt und auch die ganze Gesellschaft klar empfinden, dass er die Lage im Griff hat. Hoffentlich ist er sich dessen bewusst.

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