Leipzig diskutiert über Wagner-Denkmal
Leipzig (dpa) - Helmut Loos steht im Gut Ermlitz bei Leipzig vor einem steinernen Relief und legt den Kopf schräg. „Das ist keine erste Qualität“, sagt er und deutet auf löchrige Stellen in dem Kalkstein. Auch die Figuren, die eine Szene aus der Wagner-Oper „Walküre“ zeigen, seien doch recht plump geraten. Trotzdem ist sich Loos, Chef des Richard-Wagner-Verbands Leipzig, vollkommen bewusst, dass das etwa ein mal zwei Meter große Relief längst nicht so unspektakulär ist, wie es auf den ersten Blick aussieht. „Es ist eine Provokation“, sagt Loos.
Eigentlich hätten die Steinplatten nämlich schon vor rund 80 Jahren in der Stadt aufgestellt werden sollen - als Teil eines monumentalen, von Adolf Hitler gepushten „Nationaldenkmals des Deutschen Volkes“ für den Komponisten Richard Wagner (1813-1883). Entworfen hat das Denkmal der Stuttgarter Bildhauer Emil Hipp. Hipp sei kein „Nazikünstler“ gewesen, habe aber nach dem Zuschlag für das Leipziger Prestigeprojekt sehr wohl für die Nazis gearbeitet. Der Zweite Weltkrieg verzögerte die Fertigstellung, und danach dachte in Leipzig niemand mehr daran, dieses Denkmal zu realisieren. Die steinernen Elemente gerieten verstreut in Privatbesitz. Dass der Wagner-Verband und das Stadtmuseum nun zwei Reliefs angekauft haben, sorgt für Diskussionen über den richtigen Umgang mit einem schwierigen Erbe.
Loos sagt, ihn treibe die Frage an, welche Form des Erinnerns an Wagner und das Denkmal aus den 1930er Jahren die angemessene sei. „Es einfach zu tilgen, sollte doch nicht die Art und Weise sein, wie man in Deutschland mit dieser schwierigen Vergangenheit umgeht.“ Der Wagner-Verband stehe auch für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Komponisten, der ein prägender Künstler und Antisemit zugleich gewesen sei.
Dass Loos sich gegen die Bezeichnung des „Nazikünstlers“ für Hipp sträubt, hat den Widerspruch der Berliner Kunsthistorikerin Marie-Louise Monrad Møller hervorgerufen. Auch die Idee des Wagner-Verbands, das Relief womöglich am einst dafür vorgesehenen Ort im Richard-Wagner-Hain aufzustellen, lehnt sie ab. Dagegen hat Loos im Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, Anselm Hartinger, einen Mitstreiter gefunden für seine Herangehensweise, Teile des Denkmals im Original zu dokumentieren. Im Depot des Museums liegt das zweite angekaufte Relief. Es zeigt die Figur des Hans Sachs aus der Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“. Die Steinplatte solle ein zentrales Objekt in einer 2022 geplanten Ausstellung zur „Musikstadt Leipzig im Nationalsozialismus“ werden, sagt Hartinger.
Die Stadt Leipzig ist derweil dabei, den Richard-Wagner-Hain am Elsterflutbecken zu sanieren. „Im Rahmen dieses Vorhabens wird eine Informationstafel zur Geschichte der Anlage aufgestellt, die sich auch kritisch mit der Kulturgeschichte des Richard-Wagner-Hains auseinandersetzt“, erklärt die Stadtverwaltung. Dort vor den Toren seiner Heimatstadt, die bis heute mit Wagner und seinem Erbe ringt, ging der Komponist einst als Gast ein und aus.
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