Mehr als 50 Opfer bei Anschlag in Kabul
Kabul (dpa) - Hasiba schüttelt den Kopf. Immer wieder hat sie versucht, die „Löcher“ zu schließen. Mit Spachtelmasse, mit Baumwolle, mit Klebeband. Es war das erste Mal, dass die junge Studentin aus Afghanistans Hauptstadt Kabul Leichen waschen musste. Alle anderen Frauen in der Moschee im Westen der Stadt seien nach dem Anschlag in Ohnmacht gefallen, berichtet Hasiba. Und die toten Mädchen hätten so viele Verwundungen gehabt. Und einfach nicht aufgehört, zu bluten.
Die muslimischen Mädchen, deren Leichname die Studentin rituell reinigte, waren Opfer des ersten großen Anschlags in Afghanistan seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen Anfang Mai. Am Samstagnachmittag detonierten binnen weniger Minuten eine Autobombe und zwei Minen in der Nähe einer großen Schule im Westen der Stadt - gerade, als der Unterricht zu Ende war und Hunderte Kinder aus der Schule strömten.
Das afghanische Innenministerium bezifferte die Zahl der Toten am Sonntag, fast 24 Stunden nach dem Anschlag, auf mehr als 50. Augenzeugen zufolge waren ein großer Teil junge Mädchen unter 16 Jahren. Mindestens 100 Menschen wurden an diesem blutigen Nachmittag verletzt. Viele liegen noch in Krankenhäusern. Befürchtet wird, dass die Zahl der Todesopfer im Lauf der nächsten Tage noch steigen wird. In Kabul, einem der gefährlichsten Orte der Welt, haben sie mit solchen Dingen Erfahrung.
Am Sonntag kamen hunderte Menschen am Ort des Anschlags im Stadtteil Dascht-e Bartschi zusammen. Immer noch lagen dort Dutzende Mädchenschuhe, blutbefleckte Schulhefte und zerfetzte Rucksäcke. Männer wischten sich mit Stofftüchern Tränen aus den Augen. Kleine Mädchen, erst sechs oder sieben Jahre alt, hielten sich an der Hand. Mehrere Männer äußerten ihren Zorn. Ein Passant klagte: „Sie sollten uns Männer töten. Welche Sünde haben diese jungen Mädchen begangen?“
Dascht-e Bartschi wird mehrheitlich von schiitischen Hasara bewohnt. Dort fanden in der Vergangenheit immer wieder folgenschwere Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Bildungszentren und Sportclubs statt. Viele davon reklamierte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich. Sunnitische Extremisten wie die Mitglieder der IS-Miliz bekämpfen Schiiten als Abtrünnige, obwohl es sich auch bei ihnen um Muslime handelt.
Anwohner haben in der Vergangenheit immer wieder Unzufriedenheit über die Sicherheitssituation ausgedrückt. Die Sicherheitskräfte würden sich nicht richtig um sie kümmern, hieß es. Das Misstrauen gegenüber der eigenen Regierung ist groß. Das zeigte sich auch am Sonntag. Augenzeugen sagten, es habe eine halbe Stunde oder sogar eine ganze Stunde gedauert, bis die Rettungsdienste da gewesen seien. Auch Sicherheitskräfte seien lange nicht gekommen.
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