Fernando Brun startet als argentinischer Botschafter in Berlin
Von Marcus Christoph
Buenos Aires (AT) - „Ich bin sehr enthusiastisch.“ Voller Vorfreude blickt Fernando Brun seiner neuen Aufgabe entgegen. Der Karrierediplomat wird ab sofort Argentinien als Botschafter in Deutschland vertreten. Dort löst er Pedro Villagra ab, der nach seiner Botschaftertätigkeit in Berlin in den Ruhestand tritt. Kurz vor seiner Abfahrt zu seinem neuen Arbeitsort fand Brun noch Gelegenheit, dem Tageblatt in den Räumen der deutsch-argentinischen Handelskammer (AHK) ein Interview zu geben.
Der 51-Jährige ist bereits ein Deutschland-Kenner. Schließlich fungierte er von 2016 bis 2019 als argentinischer Generalkonsul in Hamburg. In diese Zeit fiel der G20-Gipfel in der Hansestadt im Jahr 2017. Brun koordinierte die argentinische Beteiligung, wobei er eng mit dem Team des damaligen Hamburger Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz zusammenarbeitete.
Die Faszination für sein erneutes Gastland geht aber noch deutlich weiter zurück. Bereits in der Sekundarschule begann er, Deutsch zu lernen. In jenen Jahren, als Deutschland noch geteilt war, sei er „echt schockiert“ gewesen, als er das zugemauerte Brandenburger Tor sah. Umso intensiver verfolgte er dann die Umbrüche, die mit Perestroika und Glasnost begannen und im Fall der Berliner Mauer mündeten.
Auch während seines Studiums der Politikwissenschaft stieß er immer wieder auf deutsche Bücher, in denen bereits frühzeitig Themen wie Umweltschutz und Energiewende behandelt wurden. „Deutschland war auch immer eine Art Kompass in Bezug auf internationale Probleme“, würdigt der Diplomat. Brun selbst hat Wurzeln in Österreich, wo einer seiner Urgroßväter herstammte. Das „H“, das für gewöhnlich im Nachnamen Bruhn zu finden sei, sei offenbar im Laufe der Geschichte verlorengegangen, scherzt er.
Brun sieht Argentinien und Deutschland durch verschiedene Grundwerte miteinander verbunden: Demokratie, Menschenrechte, Multilateralismus. Beide Staaten stünden vor der Herausforderung, in einer komplexen internationalen Situation ihren Platz zu finden.
Besondere Bedeutung haben für Brun die Themen Umweltschutz, Klimawandel und in diesem Zusammenhang vor allem die Energiewende. Hier könnten sich beide Länder komplementär ergänzen. Argentinien mit seinem Potenzial als Energieproduzent und -lieferant; Deutschland mit seinem technischen Knowhow und als Abnehmer sauberer und zusehends kohlenstoffärmerer Energieträger. Brun nennt als Schlagworte Flüssiggas, klimaneutral erzeugten „Grünen“ Wasserstoff sowie Lithium, Letzteres als Treibstoff für Elektromobilität. Auch sei Engagement deutscher Unternehmen in Sachen Finanzierung und Investment zur Entwicklung der nötigen Technik und Infrastruktur wichtig.
Bereits in den vergangenen drei Jahren, als er im Staatssekretariat für Strategische Angelegenheiten des Präsidentenamts das Kabinett für internationale Beziehungen leitete, hatte Brun schwerpunktmäßig mit der Energiewende zu tun. Dazu koordinierte er den öffentlichen und privaten Entwicklungsplan für die Umsetzung von Klimazielen und zur nachhaltigen Entwicklung. Der Fokus lag dabei auf der Wasserstoffwirtschaft als Energievektor und der Einfügung Argentiniens in die globale Lieferkette für saubere Energie.
Brun hofft, in nächster Zeit Fortschritte bei der geplanten Mercosur-EU-Freihandelszone machen zu können. 2019 war nach fast 20-jähriger Verhandlungsdauer eine Einigung über den Handelsteil erzielt worden. Seitdem stockte es, was auch an der Politik des nun abgewählten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro lag. Durch den bevorstehenden Machtwechsel in Brasilien sieht Brun nun gute Chancen: „Lula hat angekündigt, das Abkommen im ersten halben Jahr seiner Präsidentschaft unterzeichnen zu wollen.“
Ähnlich lange ziehen sich die bilateralen Verhandlungen zu einem Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Argentinien hin. „Das ist eines der Themen, an dem wir am meisten arbeiten müssen, um es zu realisieren“, gibt sich Brun entschlossen. Zu Argentiniens Nachbarländern Uruguay, Chile und Brasilien hat Deutschland bereits entsprechende Vereinbarungen zur gegenseitigen Anerkennung von Rentenansprüchen erzielt. Die Verhandlungen mit Argentinien, die eigentlich schon weit fortgeschritten waren, stockten zuletzt.
Ein weiteres großes Projekt, das in Bruns voraussichtlich vierjährige Amtszeit fallen wird, ist die Hannover Messe, die im kommenden Jahr auch in Argentinien stattfinden soll. Ziel der Messe ist es, die bilaterale Kooperation beim Thema „Industrie 4.0“, also der Digitalisierung und Transformation der Industrie, voranzubringen. „Die deutsche Botschaft in Argentinien und die argentinische Botschaft in Deutschland arbeiten an einer Agenda“, beschreibt Brun die enge Kooperation.
Schließlich nennt Brun noch den Begriff AgTech (Agricultural Technology) als ein Zukunftsfeld der bilateralen Zusammenarbeit. Hierunter versteht man technische Innovationen, die die datengetriebene, vernetzte, digitale Landwirtschaft der Zukunft betreffen.
Auch auf anderen Ebenen will der neue Botschafter die bilateralen Beziehungen ausbauen und erwähnt hier das Stichwort „Bürgerdiplomatie“, womit zivilgesellschaftliche Teilnahme gemeint ist. Argentinien und Deutschland seien Länder, die den Föderalismus gemein haben. Es gebe von daher auch viel Dynamik zwischen Provinzen und Städten. Insofern will Brun den Ausbau von Städtepartnerschaften, den der ehemalige Botschafter Edgardo Malaroda vorangetrieben hatte, unterstützen.
Der deutsche Botschafter in Argentinien, Ulrich Sante, wünscht seinem neuen Amtskollegen jedenfalls alles Gute für dessen verantwortungsvolle Aufgabe: „Fernando Brun kennt unser Land bestens und liebt es. Ich wünsche ihm daher von Herzen, dass es ihm gelingt, aufbauend auf den traditionell guten bilateralen Beziehungen unserer beiden Ländern und einer klaren, auf Vertrauen und langfristiger Verlässlichkeit aufbauenden wirtschaftsfreundlichen Politik seines Landes erfolgreich für den Wirtschaftsstandort Argentinien bei deutschen Unternehmen zu werben.
Das Interesse unserer Unternehmen an Argentinien ist groß, und die Bundesregierung ist und bleibt bereit, ihren Teil zu noch engeren Beziehungen vor allem zwischen den Wirtschaften unserer Länder beizutragen, ganz besonders in den Bereichen industrieller Transformation und der Erneuerbaren Energien.
Und dann wünsche ich uns beiden, dass wir beide hoffentlich bald Zeugen des Inkrafttretens des EU-Mercusor Abkommens sein können! Es bleibt mir unbegreiflich, wie sehr die Dringlichkeit eines baldigen Abschlusses dieses Abkommens unter den strategischen Gesichtspunkten einer stärkeren wirtschaftlichen und politischen Verzahnung zwischen der EU und den Staaten des Mercosur unterschätzt wird.“
Barbara Konner, die Geschäftsführerin der deutsch-argentinischen Handelskammer (AHK), gibt Brun mit auf den Weg: „Seitens der AHK Argentinien freuen wir uns sehr, dass Fernando Brun als argentinischer Botschafter nach Deutschland geht. Bereits heute ist er eine treibende Kraft der bilateralen Beziehungen. In seiner neuen Position wird er sicherlich die enormen Kooperations-Potenziale im Sinne unserer beiden Länder auszuschöpfen verstehen. Besonders in wirtschaftlich und politisch herausfordernden Zeiten wie diesen, ist es für die Unternehmen besonders wichtig, auf einen konstruktiven Dialog und eine effiziente politische Flankierung zu zählen. Für diese interessante Aufgabe ist Fernando Brun eine Idealbesetzung.“
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