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Im Blickfeld: Thunbergs Wut, Merkels Versprechen

Von Benno Schwinghammer, Jörg Blank und Can Merey

Greta Thunberg
Greta Thunberg. (Foto: dpa)

Greta Thunberg hat Tränen in den Augen, ihre Stimme ist brüchig. „Wie könnt Ihr es wagen!“, schleudert die 16-jährige Schwedin den Dutzenden Staats- und Regierungschefs in der voll besetzten Halle der UN-Vollversammlung mehrfach entgegen. „Ich sollte hier nicht sein, ich sollte zurück in der Schule sein auf der anderen Seite des Ozeans.“ Thunberg sitzt vor den Mächtigen der Welt, Männer und Frauen wie Kanzlerin Angela Merkel - vier Mal so alt wie die Klimaaktivistin. Und die liest ihnen beim UN-Klimagipfels in New York die Leviten, wie es auf dieser Bühne wohl noch nie geschehen ist.

Die Schülerin ruft den Mächtigen entgegen, sie seien „nicht reif genug“ für die Wahrheit: „Wie konntet Ihr es wagen, meine Träume und meine Kindheit zu stehlen mit Euren leeren Worten?“ Immer wieder brandet Applaus auf von denen, die Thunberg gerade angreift. Ihre Worte sind kaum verklungen, da öffnet sich die Tür und der Überraschungsgast des Tages tritt in den Saal: Donald Trump, der den Klimawandel immer wieder infrage stellt, setzt sich. Pünktlich zur Rede von Merkel ist er da. Thunberg hat das Podium schon verlassen.

Trump hatte ursprünglich gar nicht geplant, den Klimagipfel zu besuchen. Er bleibt auch nur für eine knappe Viertelstunde. Für den Vormittag hatte der US-Präsident parallel zum Klimagipfel zu einer Konkurrenzveranstaltung eingeladen, nur einen Steinwurf entfernt im UN-Hauptquartier. Dabei sollte es allerdings nicht um die Rettung des Planeten, sondern um den Schutz von Religionsfreiheit gehen.

Während andere Nationen ihre Staats- und Regierungschefs für den UN-Klimagipfel aufbieten, sollte die US-Delegation von einer stellvertretenden Abteilungsleiterin im Außenministerium angeführt werden. Die niedrig rangige Besetzung verwundert nicht: Trump hat sich mehrfach skeptisch dazu geäußert, ob es den Klimawandel überhaupt gibt und falls ja, ob er vom Menschen verursacht ist. Die USA - einen der größten Verursacher von Treibhausgasen - hat Trump aus dem internationalen Pariser Klimaschutzabkommen zurückgezogen.

Den Klimawandel hat Trump in der Vergangenheit als einen „Scherz“ bezeichnet. Im Jahr 2012 - also noch weit vor seinem Amtsantritt 2017 - warf er den Chinesen vor, das Konzept der Erderwärmung erfunden zu haben, um die US-Industrie im internationalen Wettbewerb zu schwächen. Mehrfach hat er außerdem Wetter mit Klima verwechselt - Klima beschreibt die durchschnittlichen Wetterbedingungen für einen bestimmten Ort über einen langen Zeitraum. Bei einer Kältewelle in den USA im Januar schrieb Trump auf Twitter: „Wäre nicht schlecht, jetzt ein bisschen von der guten alten Erderwärmung zu haben!“

Es ist, als ob Merkel genau Trump meint, als sie beim Gipfelauftakt ihren Kolleginnen und Kollegen ins Gewissen redet: „Es gibt keinen Zweifel, dass der Klimawandel, die Erderwärmung im Wesentlichen von Menschen gemacht ist.“ Den Namen des US-Präsidenten spricht sie nicht aus. Doch auch bei ihrem direkt darauf folgenden Bekenntnis zum gemeinsamen weltweiten Handeln dürfte sie Trump im Visier gehabt haben. Die Erderwärmung sei „eine globale Herausforderung, die nur gemeinsam bewältigt werden kann, denn wir haben alle nur eine Erde“, mahnt Merkel eindringlich. Trump mit seinem Kurs des Protektionismus gilt als Gegner solcher multilateraler Lösungen. Nach der Rede Merkels rührt er keine Hand zum Applaus.

Gleich zu Beginn ihrer kurzen Ansprache nimmt die Kanzlerin die leidenschaftlichen Worte Thunbergs auf und sagt: „Wir alle haben den Weckruf der Jugend gehört.“ Merkel ist beeindruckt davon, wie zielstrebig Thunberg ihre Ziele verfolgt, das wissen sie in ihrer Umgebung. Das Drängen der jungen Menschen habe vieles vorangebracht auch in Deutschland, glaubt die Kanzlerin. In ihrer vierten und letzten Amtszeit ist Merkel bemüht, wieder zu ihrem früheren Image der Klimakanzlerin zurückzufinden - und das Image einer Kanzlerin der Migrationskrise hinter sich zu lassen.

Nicht ganz ungelegen dürfte es Merkel da auch gekommen sein, dass es am Rande des Gipfels ein kurzes Treffen mit Thunberg gibt. Auf einem von Regierungssprecher Steffen Seibert getwitterten Foto ist zu sehen, wie Merkel hinter der Bühne in einem Sessel neben der schwedischen Jugendlichen sitzt und mit ihr spricht. Merkel und Thunberg schauen sich dabei an, es wirkt zugewandt. Seibert schrieb dazu: „Begegnung vor den Reden beim @UN #ClimateActionSummit“.

Zum Abschluss ihrer Rede beim UN-Gipfel sagt Merkel dann noch, Deutschland stehe wegen des Kampfs gegen die Erderwärmung vor einem tiefgreifenden Wandel, bei dem man die Menschen durch Anreize mitnehmen müsse. „Es gibt diejenigen, die aktiv sind und demonstrieren und uns Druck machen. Aber es gibt auch die Zweifler.“ Aufgabe jeder Regierung sei es, „alle Menschen mitzunehmen“. Dieser Aufgabe stelle sich Deutschland. „Wir werden unseren Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaft und zu einem nachhaltigen Leben weltweit leisten“, verspricht Merkel. Ob Thunberg das ausreicht? (dpa)

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