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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Im Blickfeld: Im Amt lassen

Von Stefan Kuhn

Die Demokraten sollten es besser wissen, denn es war einer der ihren, der nach einem Impeachment-Verfahren besser dastand als zuvor. Vor gut 20 Jahren sprach der US-Senat das Urteil über den damaligen Präsidenten Bill Clinton. Es fand sich keine Mehrheit für eine Amtsenthebung, aber das hatten wohl nicht einmal Clintons republikanische Gegner geglaubt. Um einen Präsidenten abzusetzen, braucht man eine Zweidrittelmehrheit im Oberhaus des Kongresses. Es gab nicht einmal eine einfache Mehrheit. Bei der Frage, ob Clinton die Justiz behindert hat, gab es ein Patt, und dass der Präsident einen Meineid geleistet hatte, glaubten nur 45 von 100 Abgeordneten. So richtig nachvollziehbar ist es deshalb nicht, dass die Demokraten ein Impeachment gegen Donald Trump anstreben.

Ein Impeachment ist so etwas wie eine ultima ratio im US-System der checks und balances. Bisher gab es zwei dieser Amtsenthebungsverfahren. 1868 gegen Andrew Johnson wegen einer Ministerentlassung und 130 Jahre später gegen Clinton. Beide scheiterten. 1974 kam Richard Nixon einem Impeachment wegen der Watergate-Affäre zuvor, weil er zurücktrat.

Die Schwierigkeit liegt in der hohen Hürde. Zum Einen braucht man eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, um überhaupt ein Verfahren einleiten zu können und dann die angesprochene Zweidrittelmehrheit im Senat. 1998 hatten die Republikaner beide Häuser unter Kontrolle, doch im Senat hätten sie zwölf demokratische Senator*innen auf ihre Seite bringen müssen. Bei den Vorwürfen gegen Clinton war das utopisch. Der Präsident hatte über eine Affäre mit einer Praktikantin gelogen und daraus machten ein sturer Richter und Newt Gingrich, der demokratische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, eine Hexenjagd. In der Bevölkerung wurde dieses Impeachment-Verfahren mit Unverständnis aufgenommen. Wohl deshalb stimmten auch einige Republikaner gegen die Anklagepunkte. Clinton war damals näher an einer Scheidung als an einer Amtsenthebung.

Natürlich geht es bei dem Verfahren nicht unbedingt um das Ziel, sondern um eine Beschädigung des politischen Gegners. Das macht den Fall Clinton noch lächerlicher, denn der Präsident hatte schon seine zweite Amtszeit angetreten und konnte nicht wiedergewählt werden.

Der Fall Trump liegt etwas anders. Der zu präsidialen Ehren gekommene New Yorker Immobilienhai lügt zwar ähnlich wie Clinton über seine amourösen Affären, aber das ist beim aktuellen Präsidenten nur ein kleiner Teil seiner Lügen. Seit Beginn seiner Amtszeit hat die Washington Post durchschnittlich zwölf Lügen pro Tag gezählt. Da könnten durchaus auch Meineide hinzukommen, wenn Trump vor einem Ausschuss befragt wird. Im Mueller-Report über den Einfluss Russlands auf die Präsidentschaftswahl, ist er noch einmal davongekommen. Verbindungen von seinem Wahlkampfteam zu den Russen sind allerdings offensichtlich. Die derzeitig aktuelle Ukraine-Affäre, Trump soll den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aufgefordert haben, Ermittlungen gegen den früheren Vizepräsidenten Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu veranlassen, ist noch brisanter. Biden könnte Trumps Gegner bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr sein.

Das alles wiegt schwerer als Clintons Oralsex mit einer Praktikantin, den er nicht öffentlich zugeben wollte. Die Anschuldigungen gegen Trump, sollten sie wahr sein, haben schon Watergate-Kaliber.

Was die Mehrheitsverhältnisse im Senat angeht, sind die Chancen, dass man den notorischen Lügner aus dem Weißen Haus werfen kann, noch geringer als bei Clinton vor zwei Jahrzehnten. Die Demokraten haben keine Mehrheit im Senat, sie müssten zwei unabhängige Senatoren auf ihre Seite bringen und 20 republikanische. Ganz ausgeschlossen ist das nicht, aber in diesem Fall müsste die Beweislast gegen den Präsidenten wirklich erdrückend sein.

Im Gegensatz zu Clinton hat im Falle Trump aber auch das Verfahren selbst und nicht nur das Ziel einen Sinn. Trump tritt in einem Jahr zur Wiederwahl an, und ein laufender politischer Prozess könnte ihn beschädigen. Dazu kommt, dass bisher nur die Spitze des Eisbergs zu sehen ist. Man kann davon ausgehen, dass Whistleblower noch mehr ans Licht bringen.

Dagegen sprechen Trumps Wähler und Wählerinnen. Wenn man davon ausginge, dass das Gros von ihnen Trumps Aufforderung an Selenskyj nicht für Amtsmissbrauch, sondern für einen cleveren Schachzug hält, dürfte man nicht falsch liegen. Zudem inszeniert sich der Präsident als Opfer und spricht von einer Hexenjagd gegen ihn.

Dazu kommt, dass bei einem Impeachment-Verfahren gegen Trump auch der demokratische Kandidat Joe Biden als eine Art Nebenbeklagter vor Gericht stünde. Hat er nun seine Macht als Vizepräsident ausgenutzt, um seinem Sohn Geschäfte in der Ukraine zu ermöglichen? Selbst, wenn er es nicht getan hat, irgendetwas bleibt immer hängen. Biden ist deswegen auch in der misslichen Lage, dass er nicht aus dem demokratischen Vorwahlkampf aussteigen kann, denn das wäre ein Schuldeingeständnis.

Nach dem derzeitigen Stand der Dinge wäre ein Impeachment keine gute Idee. Trumps Regierungsbilanz dürfte eine der schlechtesten aller US-Präsidenten sein. Bei einem Amtsenthebungsverfahren könnte er Misserfolge auf den politischen Gegner schieben. Er wollte „Amerika wieder groß machen“, aber man hat ihm nur Steine in den Weg geworfen. Er sollte abgewählt und nicht abgesetzt werden.



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