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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Im Blickfeld: Falsche Hofnarren

Von Stefan Kuhn

Er wäre nicht der erste aus der Narrenzunft, der es in die oberste politische Liga schaffen würde. Er dürfte auch nicht der letzte sein, denn in jüngster Zeit gibt es immer mehr Komiker, Satiriker oder Clowns, die es in die Politik zieht. Der aktuellste, Wladimir Selenski, hat gute Chancen, ganz nach oben zu kommen. Der 41-jährige TV-Komiker führt nach der ersten Runde der ukrainischen Präsidentschaftswahlen mit gut 30 Prozent der Stimmen vor dem Amtsinhaber Petro Poroschenko (16,2 %). Selenski hatte eigentlich ein leichtes Spiel bei den Wahlen: Der amtierende Präsident Poroschenko hat in seiner Amtszeit wenig bewegt und würde die Wiederwahl nicht verdienen. Die Drittplatzierte Julia Timoschenko war bereits Ministerpräsidentin und gilt als Teil der alten Politgarde. Dennoch ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich das politische Establishment in der Ukraine noch einmal aufbäumt und einen Komiker an der Spitze des Staates verhindert.

Auf regionaler Ebene ist das in Argentinien schon einmal passiert. Bei den Gouverneurswahlen 2015 in Santa Fe war nach den Vorwahlen der landesweit bekannte Komiker Miguel del Sel in Führung. Am entscheidenden Wahltag lag der Kandidat von Mauricio Macris PRO knapp 1500 Stimmen hinter dem Sozialisten Miguel Lifschitz. Macri hatte del Sel von der Theaterbühne auf die politische Bühne geholt. In Argentinien haben politische Quereinsteiger schon länger Konjunktur. Unter der Präsidentschaft Carlos Menems (1989-1999) schafften es der Sänger und Schauspieler Palito Ortega und der Autorennfahrer Carlos Reutemann bis ins Gouverneursamt. Néstor Kirchners Vizepräsident wurde 2003 der Motorbootrennfahrer Daniel Scioli, der später der Provinz Buenos Aires vorstand.

Hofnarren waren das natürlich keine, aber wie Selenski landesweit bekannte Persönlichkeiten, die zwar keine politische Erfahrung hatten, aber auch frei von politischen Skandalen waren.

Narren sind per se keine schlechte Wahl. Sie hinterfragen Dinge, gelten seit dem Mittelalter als besonders weise Geister. Sie waren die einzigen, die den Herrschern die Wahrheit sagen durften. Mag sein, dass sie für viele Wähler*innen die letzte Option sind. Die Ukraine hatte bzw. hat noch den Schokoladefabrikanten Poroschenko, einen der reichsten Männer des Landes. Italien wurde vom Multimilliardär Silvio Berlusconi ruiniert, jetzt regiert die Fünf-Sterne-Bewegung, gegründet vom Komiker Beppe Grillo, der sich jahrelang über die Politik des Landes lustig machte. Immerhin hat Grillo kein politisches Amt inne.

Man kann die zu Politikern konvertierten Komiker auch nicht über einen Kamm scheren. Da gibt es welche, die den Ausflug in die Politik als Satire verstanden und plötzlich gewählt wurden. So hat Martin Sonnenborn, der frühere Chefredakteur des deutschen Satire-Magazins „Titanic“, eine Partei namens „Die Partei“ gegründet und den Einzug ins Europaparlament geschafft. In Island ist der Clown Jón Gnarr 2010 zum Bürgermeister der Hauptstadt Reykjavik gewählt worden. Er hatte den Einwohnern einen Eisbären für den Zoo und kostenlose Handtücher versprochen. Gnarr, der den Posten nach einer Amtszeitr wieder abgab, soll im Land recht beliebt gewesen sein. Vor allem, weil er eine Angewohnheit hatte, die Politikern fremd ist. Er gab offen zu, wenn er von einem Thema keine Ahnung hatte.

Dann gibt es natürlich auch Komiker, die den Einstieg in die Politik sehr, sehr ernst nehmen. Politische Satiriker, die die Politik ihres Landes lange analysiert haben und glauben, es besser machen zu können. Beppe Grillo (70) mag dazugehören, vielleicht auch der 41-jährige slowenische Ministerpräsident Marjan Sarec. Bekannt geworden war Sarec als Parodist eines seiner Vorgänger, des rechtsnationalen Janez Jansa.

In gewisser Weise könnte man auch den US-Präsidenten Donald Trump in die Liste mit aufnehmen. Zugegeben, Trump ist ein unfreiwilliger Komiker, mehr ein komischer Politiker als ein politischer Komiker. Allerdings kommt er schon vom Fach, das heißt von der Komikerbranche. Als Hauptjuror in der US-TV-Show „The Aprendice“ mimte er den gnadenlosen Boss, der für ein Praktikum ungeeignete Kandidaten feuerte. Trump spielt die Show als Präsident weiter. Die Halbwertszeit eines Jobs im Weißen Haus liegt bei wenigen Monaten.

Hinzu kommen recht skurrile Ausnahmen wie der guatemaltekische Präsident Jimmy Morales, der es 2016 vom Bildschirm in den Präsidentenpalast schaffte. Er dürfte seinen Wahlsieg auch der Politikverdrossenheit zu verdanken haben. Bei den Korruptionsvorwürfen gegen ihn, kommt allerdings die Frage auf: Was kommt nach den Komikern?

Narren und Politik vertragen sich nur in Ausnahmefällen. Zum einen gibt es zu viele Narren in der Politik, zum anderen braucht die Politik politische Satire. In Zeiten, in denen simple Nachrichten zu Fake News werden und offene Lügen zu alternativen Wahrheiten, trägt häufig nur noch die satirische Überspitzung zur Erkenntnis bei. Mag sein, dass es auch unter Komikern, Satirikern und Clowns talentierte Politiker gibt, aber das gilt für alle politischen Quereinsteiger. Journalisten wissen häufig auch, was in der Politik falsch läuft, oder glauben, es zu wissen. Das macht sie nicht zu besseren Politikern.

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