Corona-Pandemie forciert Abholzung in Brasillien
Von Martina Farmbauer
Rio de Janeiro - Hubschrauber kreisen über dem Regenwald, Mitarbeiter der Umweltbundesamtes Ibama dringen zu Fuß in das geschützte indigene Gebiet vor, das von den Schlammgruben der illegalen Goldgräber durchzogen ist. Die Beamten zerstören mehrere Dutzend Bagger, Traktoren und andere Maschinen der Goldsucher und setzen sie in Flammen, wie im brasilianischen Fernsehen zu sehen ist.
Mit ihrem entschlossenen Einsatz brachten sie im April allerdings auch die Regierung des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro gegen sich auf. Mehrere Beamte, die an der Mega-Operation im Süden des Bundesstaates Pará, tief im Amazonas-Gebiet, beteiligt waren, wurden gefeuert. Sie hatten ihre Arbeit offensichtlich zu gut gemacht.
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, ein Schirmherr der Holzlobby, hatte im Dezember ein Gesetzesprojekt eingebracht, das in den kommenden Tagen im Kongress behandelt werden könnte. Es wird auch „Landraub“-Gesetz genannt, weil im Falle einer Verabschiedung, die illegale Abholzung und unrechtmäßige Besetzung von öffentlichem Land vor 2018 nachträglich legalisiert würde.
Während die Wirtschaft in Brasilien stillsteht, nimmt die Zerstörung im Amazonas-Gebiet im Schatten der Covid-19-Pandemie dramatisch zu. 1200 Quadratkilometer abgeholzten Regenwald hat das Nationale Institut für Weltraumforschung Inpe, das Satellitenbilder auswertet, für das erste Quartal vorläufig registriert. Das entspricht einem Anstieg von 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. „Illegale Holzfäller machen kein Homeoffice“, sagt Rômulo Batista, Sprecher der Greenpeace-Kampagne zur Verteidigung Amazoniens, der Deutschen Presse-Agentur.
„Somit steht fest, dass die Pandemie die ohnehin kritische Situation des Regenwaldes und der darin beheimateten indigenen Völker in der brasilianischen Amazonas-Region lediglich noch intensiviert“, heißt es im Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien.
Dabei war die Abholzung bereits 2019 sehr hoch im Vergleich zu den Vorjahren. Kritiker werfen Präsident Jair Bolsonaro vor, Holzfäller, Goldgräber und Farmer mit seinen Äußerungen zur Abholzung und zur Landnahme zu ermutigen. „Und die Leute dringen in unsere Gebiete ein, weil sie davon ausgehen, ungestraft davonzukommen“, klagte etwa Cacique Kawore aus einem geschützten indigenen Gebiet im Pará.
Schon wenige Monate, nachdem Bolsonaro sein Amt angetreten hatte, spürten die Indigenen die ersten Auswirkungen. Obwohl Eindringlinge in ihrem geschützten Gebiet illegal Wald abholzten, verfolgten die staatlichen Behörden keine Anzeigen mehr. „Mai, Juni, Juli, August und September des vergangenen Jahres waren einige der schlimmsten Monate überhaupt“, sagt Gabriel Lui, Koordinator der Bereichs Landnutzung und Lebensmittelsysteme am „Instituto Clima e Sociedade“ in Rio, der Deutschen Presse-Agentur. In Amazonien waren vielerorts praller, dunkelgrüner Regenwald und dann abgeholzte oder abgebrannte Flächen zu sehen.
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Während Indigene das Land als „Mutter Erde“ betrachten und zum Leben nutzen, wollen Großgrundbesitzer, Holzfäller, Goldsucher, Kraftwerksbauer und Sojapflanzer an seine Reichtümer heran. Bolsonaro sieht Amazonien ebenfalls als wirtschaftliches Nutzgebiet, das es auszubeuten gilt. Das heißt auch: keine indigenen Gebiete mehr ausweisen, bestehende Gebiete verkleinern und für den Bergbau freigeben.
In einer seiner ersten Amtshandlungen übertrug der Präsident die Zuständigkeit für die Indigenen Gebiete dem Landwirtschaftsministerium und ordnete die Indigenen-Behörde Funai dem neuen Ministerium für Frauen, Familie und Menschenrechte zu. Der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Michael Heinz, spricht sogar von einem, „strukturellen Zusammenbruch“ des politischen Systems, der dazu führe, dass Bolsonaro jeden Umweltschutz außer Acht lassen und geschützte indigene Gebiete rücksichtslos ausbeuten könne.
Das Umweltbundesamt Ibama hat dieser ebenfalls bereits seit Januar 2019 gezielt geschwächt, das Personal und die Kontrollen reduziert. Die Corona-Krise schränkt die Beamten in ihrer Arbeit weiter ein - im Gegensatz zu den illegalen Holzfällern, Goldsuchern und anderen, die in Amazonien ihr Glück suchen und dabei den Lebensraum der Indigenen - und damit auch das Weltklima - bedrohen. Die Indigenen verstehen sich, auch wegen ihrer Lebensweise, als „Hüter des Waldes“, das Amazonas-Gebiet ist der größte Kohlendioxid-Speicher der Welt.
Wird das „Landraub“-Gesetz umgesetzt, würden bis zu 25 Quadratkilometer an denjenigen gehen, der sie besetzt hat. Insgesamt kommen 570.000 Quadratkilometer zusammen, mehr als die Fläche Spaniens. Der Nichtregierungsorganisation Imazon mit Sitz in Belém zufolge könnten auch viele der Abholzungen im April von denen vorgenommen worden sein, die noch keine Landtitel haben. Der Wissenschaftler Carlos Souza, der die Veränderung des Regenwaldes untersucht, sagt: „Zuerst nehmen sie die öffentlichen Flächen ein und danach versuchen sie, diese Gebiete legal zu bekommen.“
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