Lobgottesdienst zum Jahrestag der Mai-Revolution
Buenos Aires (AT/mc) - Größe und Dialogbereitschaft sind die Tugenden, die Erzbischof Mario Poli am Dienstag beim traditionellen Lobgottesdienst (Te Deum) zum Nationalfeiertag in der Kathedrale von Buenos Aires von der politischen Klasse einforderte, um die Corona-Pandemie zu überstehen. Gleichzeitig beklagte der katholische Geistliche, dass Armut, Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit im Land gestiegen seien. Präsident Alberto Fernández wohnte der Predigt in virtueller Form von seiner Residenz in Olivos aus bei. Dies war bedingt durch die Corona-Maßnahmen bereits im Vorjahr der Fall gewesen.
Am 25. Mai erinnert sich Argentinien alljähr lich an die Mai-Revolution des Jahres 1810. Damals versammelten sich Bürger vor dem Rathaus von Buenos Aires und forderten mehr Selbstständigkeit ein. Die Ereignisse leiteten eine Entwicklung ein, an deren Ende 1816 die Unabhängigkeit Argentiniens von Spanien stand.
Poli, der dem heutigen Papst Franziskus als Bischof der argentinischen Hauptstadt nachfolgte, beklagte persönliche Diskreditierungen in der politischen Auseinandersetzung, die in der Gegenwart für Ressentiments sorgten. Stattdessen warb er für einen Weg des Dialogs, den man gehen müsse, um gemeinsam als Gesellschaft diese „schwierige und herausfordernde Etappe“ meistern zu können.
Angesichts vieler Formen der Kleingeistigkeit, die sich in der Gegenwart zeige, ermahnte Poli, dass sich Größe im politischen Betrieb zeige, wenn man sich in schwierigen Momenten beim täglichen Handeln von großen Prinzipien leiten lasse und auf lange Frist an das Gemeinwohl denke.
„Wir wollen die Führer aller politischen Lager bitten, wahrhaftige Führungsqualitäten an den Tag zu legen und klar zu kommunizieren, in welcher Situation wir uns jeweils befinden“, forderte Poli.
Der Geistliche meinte, dass es trotz aller Ungleichheit und Lagerbildung nur „ein einziges gemeinsames Ziel für unser Volk gibt“. Dieses definiere sich durch „Brüderlichkeit, Solidarität, Bildung, Gesundheit, Rechtsstaatlichkeit und gleichen Möglichkeiten für den Zugang zu Boden, Unterkunft und Arbeit und dabei das Leben aller zu respektieren“.
Via Twitter hatte sich auch Staatschef Alberto Fernández am 25. Mai an seine Landsleute gewandt: „Es sind schwierige Zeiten. Aber unsere Geschichte ist Zeugin unserer Stärke - und sie zeigt uns einen Weg auf, damit wir in Einigkeit das Land wieder herstellen, das wir verdienen“, so Fernández.
Seine Regierung hatte vor wenigen Tagen harte Ausgangsbeschränkungen angeordnet, um die zweite Welle der Corona-Pandemie einzudämmen. Bis Ende dieses Monats gilt vielerorts eine Ausgangssperre zwischen 18 Uhr und 6 Uhr. Auch tagsüber dürfen sich die Bürger nur in der Nähe ihres Wohnortes bewegen. Lediglich essenzielle Geschäfte können öffnen. Soziale, religiöse und sportliche Aktivitäten sind untersagt. Schulen und Kindergärten bleiben geschlossen.
„Wir erleben gerade den schlimmsten Moment seit Beginn der Pandemie“, sagte Fernández. „Abseits der Meinung jedes Einzelnen müssen wir den Ernst der Situation anerkennen und uns zusammentun, um diese Katastrophe zu überstehen.“ Die Regierung verlängerte auch eine ganze Reihe von Hilfsprogrammen für Arbeitnehmer, Familien und Betriebe.
Die zweite Corona-Welle hat das Land hart getroffen. Am Dienstag wurden 24.601 Neuinfektionen pro Tag registriert. Bislang haben sich rund 3,6 Millionen Menschen in Argentinien nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, über 75.000 Patienten sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Die Auslastung der Intensivstationen liegt bei über 70 Prozent.
Gleichwohl kam es am Dienstag in mehreren Städten des Landes zu Demonstrationen gegen die Lockdown-Maßnahmen der Regierung. Zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Staatsmacht kam es in Rosario, wo zehn Personen festgenommen wurden.
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