Die Vereinigten Staaten wiesen seit langer Zeit eine jährliche Zunahme des Indices der Konsumentenpreise von unter 2% jährlich aus. Allgemein wird eine Zunahme von 2% jährlich als notwendig angesehen, um Probleme zu vermeiden, die sich bei Nullinflation stellen, wenn bestimmte Preise aus strukturellen oder anderen Gründen steigen. Denn dann müssten andere Preise sinken, und das lässt sich meistens nur mit einer Rezession erreichen. Auch die EU-Zentralbank peilt eine Inflation von 2% an.
Die hohe Geldschöpfung, die weltweit, also auch in den USA, mit der Pandemie eingetreten ist, hat die Gefahr aufgebracht, dass die Inflationsrate stark zunimmt. Die US-Regierung wollte, im Einvernehmen mit der Federal Reserve, die Wirkung des covidbedingten Nachfrageausfalls ausgleichen, eine gefährliche Vertiefung der Rezession verhindern und auch dem sozialen Problem, das dabei aufgekommen ist, entgegenwirken.
Die befürchtete Inflationswirkung trat zunächst nicht ein. Der Geldüberhang ging nicht in den Konsum, sondern führte zu einer höheren Haltung von flüssigen Mitteln (Bargeld und Bankdepositen). Das ist logisch: denn der Konsum ist in den USA ohnehin sehr hoch, so dass keine Notwendigkeit besteht, ihn unmittelbar zu erhöhen. In einem armen Land wäre die Geldschöpfung sofort in den unmittelbaren Konsum geflossen. In den USA endete der Geldüberschuss zum großen Teil schließlich in Aktienkäufen an der Börse, so dass sich 2020 das Paradoxon einer rückläufigen Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes und einer Börsenhausse ergab.
Allein, die Inflationsgefahr ist noch nicht überwunden. Der Index der Grossistenpreise stieg im Oktober interannuell um 8,6%, und der Index der Verbraucherpreise um 6,2%, nach interannuell 5,9% im September. Der Sprung bei den Grossistenpreisen wurde jedoch nicht nur durch den Geldüberhang verursacht, sondern durch besondere Faktoren herbeigeführt, wie die brutale Zunahme der Frachtraten, die akute Knappheit von Halbleitern, vielen anderen elektronischen Produkten, und auch bestimmten Rohstoffen und Produkten für die Weiterverarbeitung. Die Wiederherstellung des durch die Pandemie unterbrochenen Warenkreislaufs ist komplizierter als erwartet worden war. Hinzu kamen noch Lohnerhöhungen. Wenn bei den Grossistenpreisen keine unmittelbare Normalisierung eintritt, überträgt sich die Zunahme schließlich voll auf die Preise, die der allgemeine Konsument zahlt. Man kann also noch höhere Zunahmen bei den Konsumentenpreisen erwarten.
Die Fed hat vorsichtshalber schon ihre lockere Geldpolitik eingeschränkt. Da das Problem jedoch nicht nur monetär ist, handelt sie vorsichtig. 1980, als die Inflation 10% jährlich erreichte, führte die Fed, damals unter dem Vorsitz von Paul Volcker, eine brutal restriktive Geldpolitik ein, die die passiven Bankzinsen bis auf 20% jährlich erhöhte, und eine weltweite Rezession verursachte, auch in Argentinien. Hier wurde die Rezession, die Mitte 1980 eintrat, auf eine falsche lokale Wirtschaftspolitik zurückgeführt, was nicht den Tatsachen entsprach. Bei Zinsen von über 20% in Dollar ist in Argentinien kein Investitionsprojekt rentabel, kein Kredit in einer normalen Periode amortisierbar und keine lokale Geldanlage interessant. 20% in Dollar in den USA ziehen Ersparnisse aus der ganzen Welt an.
Die USA erreichten damals, dass die Inflation wieder auf die angepeilte Jahreszunahme von ca. 2% jährlich zurückging. Beiläufig wurde auch erreicht, dass der Erdölpreis, der in die Höhe gesprungen war, stark zurückging, was zeigte, dass die Vereinigten Staaten stärker als die OPEC-Erdölstaaten waren. Der Rückgang des Erdölpreises trug auch dazu bei, dass die Preise nicht mehr stark von der Kostenseite angetrieben wurden.
Dieses Mal ist nicht zu erwarten, dass die Fed wie 1980 vorgeht. Einmal ist die Lage ganz anders, und dann ist die Erhaltung der wirtschaftlichen Tätigkeit weltweit zum Hauptziel der Wirtschaftspolitik geworden. Eventuell steigt die Inflationsrate, gemessen an den Konsumentenpreisen, in den USA weiter, vielleicht bis 10% jährlich. Doch dann kann man eine Rückkehr zur Normalität ohne eine traumatische Geldpolitik erwarten. Der Inflationssprung bedeutet im Grunde, dass die Sparer u.a. schließlich die Kosten für die Pandemie und die Rezession zahlen. Monetäre Ungleichgewichte werden schließlich immer mit Inflation bezahlt. Doch 10% nur einmal kann die Gesellschaft schmerzlos verkraften. 50% und mehr, wie in Argentinien, als dauerhaftes Phänomen, gewiss nicht.
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